Frage an Christine Haderthauer von Ursula P. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Haderthauer,
die Dinge in Sachen Gustl Mollath bewegen sich. Gut so! Nun sollte auch wirklich ALLES auf den Tisch kommen:
Gustl Mollath berichtete im Interview mit BR-Kontrovers von nächtlichen Haftraumkontrollen (im BKA Straubing sogar stündlich !). Diese finden seinen Angaben nach durch Ausleuchten der Zelle statt. In diesem Zusammenhang berichtet er von Reflektoren mit großem Akku-Pack und zeigt dabei mit den Händen eine Größe der Leuchten von mindestens 25 cm an. Dies entspricht ganz klar einer faktischen Schlafentzugsfolter!
www.br.de/fernsehen/bayerisches-fernsehen/sendungen/kontrovers/mollath-interview-komplett-100.html (ab ca. 1:50)
Weiters berichtet Gustl Mollath in einem Schreiben zur Vorbereitung einer Anhörung vor der Strafvollstreckungskammer Regensburg im Jahre 2008 wie folgt:
»Auf A1 hatte ich längere Zeit die Zelle A022 direkt gegenüber der Fixe. Ich musste mehrmals miterleben, wie Mitgefangene, nur für eine verständlich erhobene Stimme und Protest gegen Willkürmaßnahmen, von bis zu 8 SD-Männern auf die Pritsche geschnallt wurden und von den lüsternen Ärzten S. oder F. ins »Nirwana« gespritzt wurden. Die Hilfeschreie, das Wimmern, das Bitten, werde ich nie vergessen. Ich bin hier perversen Monstern ausgeliefert! Maßregelvollzug ist Folter pur! Beschönigend umschrieben mit z.B. »Negativer Verstärker« u.s.w. Keinen Hund dressiert man so, wie man sich hier anmaßt mit Menschen umgehen zu dürfen; es ist die größte Schande seit der NAZI-Zeit.«
(Quelle: www.gustl-for-help.de/download/2008-04-17-Brief-Mollath-StVK-Straubing.pdf)
Meine Frage an Sie: Die Zustände in der Forensischen Psychiatrie fallen in Ihren Zuständigkeitsbereich. Können Sie Derartiges mit Ihrem Gewissen vereinbaren?
Mit freundlichen Grüßen
Ursula Prem
Sehr geehrte Frau Prem,
für den Vollzug der Maßregeln zur Besserung und Sicherung nach den §§ 63 und 64 StGB (psychiatrischer Maßregelvollzug) sind in Bayern die Bezirke zuständig.
Der psychiatrische Maßregelvollzug wird in deren psychiatrischen Krankenhäusern und dort in speziellen forensischen Einrichtungen durchgeführt.
Bei den dort untergebrachten Patientinnen und Patienten handelt es sich um psychisch kranke und/oder suchtkranke straffällig gewordene Menschen, die oftmals auch suizidgefährdet sind.
Die Fürsorgepflicht des Krankenhauses gebietet es, die Patientinnen und Patienten davor zu bewahren, sich selbst zu schädigen oder gar zu töten. Um die Belastung für Patientinnen oder Patienten, bei denen eine Suizidgefahr besteht oder bestehen könnte, in der Nacht aber möglichst gering zu halten, erfolgt die nächtliche Sichtprüfung lediglich - sofern vorhanden - durch ein kleines Fenster in der Zimmertür. Dass sich Betroffene durch die Kontrollen oder das Ausleuchten des Zimmers in ihrer Nachtruhe gestört fühlen können, kann ich gut nachvollziehen. Allerdings gebe ich zu bedenken, dass es bei suizidgefährdeten Patientinnen oder Patienten keinesfalls zu vertreten wäre, auf diese Kontrollen zu verzichten um den Preis, die Gesundheit oder das Leben der Patientin oder des Patienten zu gefährden. Die Einrichtungen sind angewiesen, solche Kontrollen für die Betroffenen möglichst schonend auszuführen. Sofern an das Bayerische Sozialministerium bzgl. dieser Kontrollen Klagen herangetragen werden, wird jedem Einzelfall selbstverständlich nachgegangen.
Für die Unterbringung von psychisch kranken und/oder suchtkranken straffällig gewordenen Personen sowie für die Fortdauer und Beendigung der Unterbringung sind die unabhängigen, nur dem Recht und Gesetz unterworfenen Gerichte zuständig. Ebenso können die untergebrachten Personen die Gerichte anrufen, wenn sich durch Maßnahmen der Beschäftigten einer Maßregelvollzugseinrichtung ungerecht behandelt fühlen. Damit ist die forensische Psychiatrie kein rechtfreier Raum, sondern der dort stattfindende Maßregelvollzug hat natürlich nach den gesetzlichen Vorschriften zu erfolgen, die sich für diesen Bereich insbesondere aus dem Bayerischen Unterbringungsgesetz ergeben. Die Einhaltung dieser Vorschriften wird - neben der Möglichkeit die Gerichte anzurufen - auch durch Vor-Ort-Kontrollen von unabhängigen Besuchskommissionen regelmäßig überprüft. Ferner können sich die Patientinnen und Patienten jederzeit mit ihren Anliegen an die Besuchskommissionen sowie an das Bayerische Sozialministerium oder den Bayerischen Landtag wenden; gerade die beiden letztgenannten Möglichkeiten werden von den im Maßregelvollzug untergebrachten Personen auch genutzt.
Im Übrigen kann ich Ihnen versichern, dass das Bayerische Sozialministerium seine Aufgabe und Verantwortung als Fachaufsichtsbehörde über den Maßregelvollzug in Bayern sehr ernst nimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Christine Haderthauer