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Christine Haderthauer
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Frage von Guido L. •

Frage an Christine Haderthauer von Guido L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Haderthauer,

gestern Abend berichtete das ARD-Fernsehen (Format "Kontraste") über die Situation von Asylbewerbern in Bayern, siehe http://www.rbb-online.de/kontraste/archiv/kontraste_vom_08_03/ein_tod_aus_verzweiflung.html .
Ich war schockiert.
Ganz besonders erschüttert hat mich der Fall eines iranischen Asylbewerbers, der in einer ehemaligen Kaserne in Würzburg nahezu kaserniert untergebracht war und dem seine Bitte, zu seiner Schwester nach Köln übersiedeln zu dürfen, verweigert wurde. Folge: Selbstmord durch Erhängen.
Der Coburger Landrat wollte zusammen mit 17 Bürgermeistern in seinem Landkreis ein Konzept etablieren, bei dem Asylbewerber Wohnungen innerhalb der Ortschaften zur Verfügung gestellt werden, damit diese (oftmals in ihren Heimatländern verfolgten) Menschen soziale Kontakte mit der angestammten Bevölkerung aufnehmen können. Diese Idee wurde seitens Ihrer Behörde im Keim erstickt. Folge: Soziale Ausgrenzung, Einsamkeits-Gefühl, Depressionen usw.
Meine Fragen:
- Warum geben Sie den Landkreisen nicht den Vertrauensvorschuss und die Chance, solche, m.E. zielführenden Modelle auszuprobieren?
- Wollen Sie durch ein bewusst erzeugtes Klima der sozialen Kälte Asylbewerber mürbe machen, so dass sie ihren Asylantrag möglichst schnell wieder zurück ziehen und in ihre Heimatländer (wo sie dann wahrscheinlich Repressalien ausgesetzt sind) zurückkehren?
- Ist Ihnen persönlich das Schicksal von tatsächlich von Folter oder gar Tötung bedrohten Menschen aus fernen Ländern egal (der Verdacht steht nach der gestrigen Sendung im Raum)?
- Hätten Sie Verständnis dafür, wenn der öffentliche Eindruck entstehen könnte, dass Ihr derzeitiges Verhalten als bayer. Ministerin für Soziales in der Frage der Behandlung von Asylbewerbern weder christlich noch sozial ist (Sie gehören bekanntlich der CSU an)?
- Warum haben Sie dem Fernsehteam vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) nicht für ein Interview zur Verfügung gestanden?

MfG Guido Langenstück (85386 Eching)

Portrait von Christine Haderthauer
Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Langenstück,

der Suizid des iranischen Staatsbürgers, den Sie zum Anlass Ihres Schreibens genommen haben, hat auch bei mir große Betroffenheit ausgelöst. Betont werden muss, dass der Verstorbene Unterstützung bei der Verfolgung seiner Anliegen durch die jeweiligen Betreuungsverbände vor Ort erhielt und sich in ärztlicher Behandlung befand und ihm dabei keine Behandlung vorenthalten wurde. Die beteiligten bayerischen Stellen haben allen Empfehlungen, insbesondere von ärztlicher Seite, Folge geleistet und - soweit sie zuständig sind - alle Anträge unverzüglich bewilligt. Auch der Antrag auf Umverteilung nach Köln und alle zusätzlichen Informationen wurden zeitnah weitergeleitet. Entschieden hierüber hat die zuständige Behörde in Nordrhein-Westfalen.
Der Unterbringungsverwaltung ist es natürlich bewusst, dass zahlreiche Asylbewerber hier in Deutschland mit seelischen Verwundungen, die aus den verschiedensten Ursachen herrühren, ankommen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Aufnahmeeinrichtungen und der Gemeinschaftsunterkünfte tun daher ihr Möglichstes, um differenziert und rücksichtsvoll auf die dort ankommenden Personen und ihre jeweiligen Bedürfnisse einzugehen. Zudem habe ich in beiden Aufnahmeeinrichtungen sog. Gutachterstellen eingerichtet, die Asylbewerber auf psychische Störungen, insbesondere posttraumatische Belastungs-störungen, untersuchen. In der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft gibt es zudem vor Ort eine ärztliche Versorgung durch das Missionsärztliche Institut.

Die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften ist vom Bundesgesetzgeber für Asylbewerber ausdrücklich vorgesehen. Insoweit bestehen gegen das vom Landrat des Landkreises Coburg vorgeschlagene Modellprojekt neben praktischen Hindernissen vor allem auch rechtliche Bedenken.

Unabhängig davon hat die Regierung von Oberfranken mit dem Landkreis Coburg vereinbart, dass der im Landkreis vorhandene Wohnraum auszugsberechtigten Asylbewerbern angeboten wird. Ein „Ausprobieren“ wurde damit insoweit ermöglicht.
In Oberfranken wurde seit dieser Zusammenarbeit rd. 50 Personen der Auszug aus den Gemeinschaftsunterkünften gestattet.

Auch im Bereich der Asylsozialpolitik, soweit diese in der Verantwortung des Freistaates Bayern liegt, wurde und wird kontinuierlich für entscheidende Verbesserungen gesorgt. Schon bisher durften anerkannte Flüchtlinge in Privatwohnungen leben und bekommen bei Bedarf sämtliche Sozialleistungen nach dem SGB II oder SGB XII. Die Schutzquote betrug 2011 in Deutschland insgesamt rd. 22%, in Bayern rd. 28%. Man muss auch als abgelehnter Asylbewerber nicht in jedem Fall dauerhaft in einer staatlichen Unterkunft wohnen. Schon aufgrund der bereits bestehenden Regelungen lebt derzeit etwa die Hälfte der Asylbewerber und abgelehnten Asylbewerber in Bayern in Privatwohnungen. Diese bereits bestehenden Regelungen konnten mit Inkrafttreten von Neuregelungen zum Aufnahmegesetz zum 1. April 2012 noch ausgeweitet werden.

So können mit der neuen Regelung Familien und Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern jetzt sofort nach Abschluss ihres Erstverfahrens vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, soweit sie nicht ohnehin einen Schutzgrund zugesprochen bekommen haben, aus den Gemeinschaftsunterkünften ausziehen, wenn kein Abschiebungshindernis besteht. Nach Angaben des zuständigen Bundesamts für Migration und Flüchtlinge werden die meisten Verfahren innerhalb von 6 Monaten abgeschlossen. Alle übrigen Personen dürfen vier Jahre nach Abschluss ihres behördlichen Erstverfahrens, sofern dies mit einer Ablehnung geendet hat, ausziehen.

Um die Standards in den über hundert bayerischen Gemeinschaftsunterkünften anzugleichen und zu verbessern, hat das Sozialministerium im April 2010 Leitlinien zu Art, Größe und Ausstattung von Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber in Kraft gesetzt. Dadurch wurde und wird fortlaufend eine kontinuierliche Verbesserung der Unterbringungs-situation in den Gemeinschaftsunterkünften erreicht, denn diese Leitlinien gelten für neu zu eröffnende Gemeinschaftsunterkünfte unmittelbar und bestehende Gemeinschafts-unterkünfte werden nach und nach angepasst.

Vor diesem Hintergrund vermag ich kein Klima der sozialen Kälte erkennen. Die zuständigen Regierungen versorgen die Asylbewerber mit Unterkunft, Heizung, Nahrungsmittel und Kleidung. Die Lebensbedingungen sind damit keinesfalls so angelegt, die Asylbewerber zu einer Rücknahme ihres Asylantrags zu bewegen.
Die Feststellung, ob schutzwürdige Gründe für eine Asylberechtigung vorliegen, erfolgt durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Dabei handelt es sich um eine Bundesbehörde, auf deren Entscheidungen der Freistaat Bayern keinen Einfluss hat.

Mit freundlichen Grüßen

Christine Haderthauer