Frage an Christine Haderthauer von Ellen M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Frau Haderthauer,
wo sind die Arbeitsplätze für 10 Millionen Arbeitslose? So viele sind es ind Wirklichkeit und das wissen Sie.
Wir haben offiziell auf der Internet-Seite der Arbeitsagentur 3.337.991 Arbeitssuchende, demgegenüber stehen 817.927 offene Stellen. Was sind das überwiegend für offene Stellen?
Zeitarbeit, 400,-- Euro-Jobs (da braucht der Arbeitgeber keine Sozialabgaben zu leisten) und stellt lieber 2 Arbeitskräfte ein, anstatt einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz zu schaffen, Jobs mit Auftsockung und für Dumpinglöhne usw. Sie kennen doch die ganze Misere! Warum äußern Sie sich dann in ganz dummer Weise über Langzeitarbeitslose? Wann gibt es den Mindestlohn für die Branchen, die nicht tarifgebunden sind? Wann kann man von seinem Lohn leben? Was gedenken Sie, in dieser Hinsicht zu tun? Arbeitgeber, die so schlecht zahlen, dass deren Mitarbeiter zum Jobcenter zwecks Aufstockung gehen müssen, dürften gar keinen Betrieb führen, denn diese spekulieren auf Aufstockung durch den Steuerzahler und sie sind nicht fähig, ein gerechtes Gehalt zu zahlen. Wenn ich mir nicht leisten kann, Leute gerecht zu bezahlen, kann ich auch kein Geschäft betreiben.
Die einfachen Arbeitsplatze sind ins Ausland abgewandert und durch Privatisierung und Arbeitsverdichtung sind enorm viele Arbeitsplätze in Deutschland weggefallen. Durch die hohe Technisierung werden weitere Arbeitsplätze wegfallen und wir werden nie wieder Vollbeschäftigung haben und auch das wissen Sie.
Im Jahr 1995 bereits hat die Gorbatschow Foundation in San Francisco bereits eine Tagung über die 20:80 Gesellschaft abgehalten. Danach werden in Zukunft nur noch 20% der Menschen zum Arbeiten benötigt, die anderen 80% haben keine Beschäftigung mehr, so das Ergebnis dieser Tagung. Was sagen Sie dazu?
Die jetzige Regierung ist ein einziger Albtraum und ich hoffe, er ist bald vorbei.
Alles Gute
E. Müller
http://www.sueddeutsche.de/y5q386/4109569/PolitikumGuten-Morgen-Frau-Haderthauer.html
Sehr geehrte Frau Müller,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Die von Ihnen genannten Zahlen zur Arbeitslosigkeit und zur Zahl der offenen Stellen sind nicht nachvollziehbar. Nach der offiziellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) waren im Juni 2011 bundesweit 2,89 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet. Zusätzlich zu den registrierten Arbeitslosen werden in der Unterbeschäftigung weitere 1,19 Mio. Menschen erfasst. Dazu zählen unter anderem Personen in Weiterbildung oder Altersteilzeit sowie Selbständige, die mit einem Existenzgründungszuschuss gefördert werden. Die Unterbeschäftigung lag im Juni 2011 somit bundesweit bei etwa 4,1 Millionen.
Zu den von Ihnen angesprochenen offenen Stellen bitte ich zu berücksichtigen, dass wir erstens in Deutschland diesbezüglich keine Meldepflicht haben und zweitens nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung nur etwa 40 Prozent des gesamten Stellenangebotes den Arbeitsagenturen gemeldet werden. Bei den der BA gemeldeten Stellen handelt es sich um ungeförderte Arbeitsstellen ohne selbstständige/freiberufliche Tätigkeiten und ohne Stellen der privaten Arbeitsvermittlung. Das Stellenangebot lag im Juni 2011 deutlich über dem Vorjahreswert. In Deutschland erhöhte sich die Zahl der offenen Stellen gegenüber dem Vorjahr um + 109.472 oder + 29,6 Prozent auf 479.519. Davon waren 443.136 - also gut 92 Prozent - sozialversicherungspflichtig. Es handelt sich somit entgegen Ihrer Annahme nur im sehr geringen Umfang um Angebote für geringfügige Beschäftigung.
Sie sprechen in Ihrem Schreiben weiter die Themen Mindestlohn sowie auskömmliche Arbeit an. In diesem Zusammenhang haben Sie die Frage nach der Einführung eines (flächendeckenden gesetzlichen) Mindestlohns für nicht tarifgebundene Branchen gestellt.
Hinsichtlich der Sicherung einer „angemessenen Bezahlung“, die ein Auskommen der Berufstätigen und deren Angehörigen möglichst ohne Transferleistungen ermöglicht, bitte ich Sie folgendes zu berücksichtigen: Ein Mindestlohn enthält keine Familienkomponenten. Das gilt im Übrigen auch für Tariflöhne! Lohnfindung orientiert sich an Produktivität und Inflationsrate, nicht an der Zahl der Kinder. Gerade für kinderreiche Familien und Alleinerziehende würde z. B. ein allgemeiner Mindestlohn keinen Ausweg aus dem Transferleistungsbezug bieten. Die Sicherung einer angemessenen Bezahlung ist deshalb mit einem allgemeinen Mindestlohn nicht zu erreichen. Flächendeckende Mindestlöhne wirken vielmehr sogar beschäftigungshemmend.
Prinzipiell sinnvoll können dagegen Mindestlöhne für einzelne - gerade auch nicht tarifgebundene - Branchen sein. Mittels zielgerichteter Branchenlösungen kann auf die besonderen Bedingungen und Bedürfnisse einer Branche wie z.B. Wettbewerbsdruck (auch aus dem Ausland) sowie das spezifische Branchenlohnniveau Rücksicht genommen werden. Dies haben wir in Deutschland in vielfacher Hinsicht getan.
Soweit Sie beklagen, dass die Bundesagentur für Arbeit vorrangig Jobs in der Zeitarbeit anbieten würde, ist Tatsache, dass ca. ein Drittel der den Arbeitsagenturen gemeldeten freien Stellen aus der Zeitarbeit stammen. Die Arbeitsagenturen können jedoch nur auf ihnen angebotene freie Stellen vermitteln. Ohne diese Stellen der Zeitarbeit könnten die Arbeitsagentur weniger Menschen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vermitteln und aus der Arbeitslosigkeit holen. Zeitarbeit leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Beschäftigungsaufbau: Sie hat zu fast einem Drittel zum Zuwachs der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im letzten Jahr beigetragen. Die Erfahrungen aus dem letzten Wirtschaftsaufschwung zeigen, dass mit Verfestigung des Aufschwungs und Verringerung der Unsicherheit hinsichtlich des künftigen Personalbedarfs die Firmen auch wieder neue Stammarbeitsplätze schaffen und die Zeitarbeit zurückfahren. Dennoch wird der Anteil der Zeitarbeit an den Beschäftigungsverhältnissen insgesamt völlig überschätzt. Insgesamt haben wir nur 2,7 Prozent Zeitarbeit in Bezug auf alle sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland.
Mit freundlichen Grüßen
Christine Haderthauer