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Christine Haderthauer
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Frage von Peter E. •

Frage an Christine Haderthauer von Peter E. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Haderthauer,

bezugnehmend auf den Artikel von Welt.de
[Den Entzug von Hartz IV als letztes Mittel schlägt Bayerns Arbeitsministerin Haderthauer vor]
http://www.welt.de/politik/deutschland/article13371291/CSU-Ministerin-will-mehr-Druck-auf-Arbeitslose.html

stellen sich für mich 2 Fragen:

1.)
Ist ihnen bekannt, das auch heute schon Arbeitslosen insbesondere Arbeitslosengeld 2 Empfängern die gesamten Leistungen in mehreren Stufen bis auf 0€ gekürzt werden können, sollten sie "zumutbare"-"angebotene" Jobs ablehnen, bzw. Vorladungen der Jobcenter nicht folgen.

Zumutbar gilt jeder angebotene Job, auch 1€ Jobs, auch Jobs mit Niedriglohn, auch wenn der Betroffene dafür umziehen muss.

Sollten sie nicht erst für auskömmliche Löhne plädieren, bevor sie sich für härteres Vorgehen gegen Arbeitslose aussprechen?

2.)

Ist ihnen aus den Urteil des Bundesverfassungsgerichtes in Bezug auf die Novellierung der Nachvollziehbarkeit des Regelsatzes bei Arbeitslosengeld 2 / Grundsicherung für Arbeitssuchende folgender Auszug bekannt ?

[Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, (…)."]

Somit wären Sanktionen nach den Vorgaben Bundesverfassungsgerichtes nicht mehr rechtmäßig, sollte deren Höhe das soziokulturelle Existenzminimum unterschreiten.

Ich bedanke ich mich für ihre Aufmerksamkeit und bitte um eine sachgerechte Antwort.

Peter Erner

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Erner,

vielen Dank für Ihre Frage.

Frage 1

Die aktuelle Gesetzeslage ist mir bekannt:
Bei Verstoß gegen die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten wird das ALG II in einem ersten Schritt um 30 % der Regelleistung für die Dauer von drei Monaten gekürzt. Bei wiederholtem Pflichtverstoß wird die Leistung - jeweils wieder für die Dauer von drei Monaten - in einem zweiten Schritt um 60 % der Regelleistung gekürzt und in einem dritten Schritt vollständig gestrichen, dann einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 31 SGB II).
Die o. g. Regeln gelten in verschärfter Form auch für Jugendliche und junge Erwachsene (vom 15. bis zum 25. Lebensjahr). Für Schulabgänger ist in der Eingliederungsvereinbarung vorrangig eine Ausbildung vorzusehen (§ 3 Abs. 2 SGB II). Bei Pflichtverstoß wird schon im ersten Kürzungsschritt die Regelleistung komplett gestrichen, die Kosten für Unterkunft und Heizung sollen an den Vermieter gezahlt werden. Schon im ersten Widerholungsfall wird die Hilfe völlig gestrichen.
Im Falle der Minderung um mehr als 30 Prozent der Regelleistung muss das Jobcenter nach pflichtgemäßem Ermessen über die ev. Gewährung von Sachleistungen entscheiden, also z. B. über die Ausgabe von Lebensmittelgutscheinen oder die Direktzahlung der Miete an den Vermieter.

Allerdings bedeutet die theoretische Möglichkeit von Sanktionen noch nicht, dass diese ergriffen werden können. Sanktionen sind erst dann möglich, wenn gegen Pflichten, die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegt sind, verstoßen wird.
Erfolgt jedoch hier keine besondere Festlegung, dann kann auch nichts eingefordert und sanktioniert werden.
Nicht für jeden ist die Vermittlung auf den 1. Arbeitsmarkt möglich oder erfolgreich! Wer sich dort noch nicht bewährt oder bewähren kann sollte dennoch gefordert werden. So kann beispielsweise in der Eingliederungsvereinbarung die Teilnahme an öffentlich geförderter Beschäftigung festgelegt werden, an passgenauer Qualifizierung oder wo notwendig an Sprachkursen etc.

Nur eine passgenaue Eingliederungsvereinbarung, die fordert ohne zu überfordern kann wirksame Brücke zur Aktivierung sein. Ohne die dahinterstehende Sanktionierungsmöglichkeit verlöre sie an Wirksamkeit, wie auch die Sanktionierungsmöglichkeit als solche nichts bringt, wenn keine sinnvolle Forderung in der Eingliederungsverordnung aufgestellt worden ist.

Daher ist es wichtig, dass die Jobcenter personell in die Lage gesetzt werden, sich jedem Arbeitslosen zu widmen, seine Stärken und Schwächen zu ermitteln und passgenaue Lösungen zu entwickeln. Die Arbeitslosen müssen spüren, dass sie Hilfe nicht umsonst erhalten, dass sie gefordert werden. Das ist das Prinzip des Förderns und Forderns. Bundesarbeitsministerium und die Bundesagentur für Arbeit müssen Langzeitarbeitslose stärker aktivieren. Es geht nicht darum, Arbeitslose zu bestrafen. Die von der Bundesregierung veranlasste Kürzung der Mittel für Ein-Euro-Jobs und andere aktivierende Maßnahmen wird abgelehnt. Dabei müsste man diese Maßnahmen gerade jetzt, in dieser wirtschaftlichen Boom-Phase, verstärken.

Zu Frage 2

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinem Urteil zu den Regelleistungen mit der Höhe des Existenzminimums befasst, das als Ausfluss des Sozialstaatsprinzips grundsätzlich zur Verfügung stehen muss. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinem Urteil überhaupt nicht mit der Frage der Sanktionierung befasst.

In einem anderen Urteil hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, die Verfassung gebiete nicht die Gewährung bedarfsunabhängiger, voraussetzungsloser Sozialleistungen (BVerfG v 7. Juli 2010 - 1 BvR 2556/09). Das Grundrecht aus Artikel 1 Absatz 1 GG in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 1 GG greife nur dann ein, wenn und soweit andere Mittel zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht zur Verfügung stehen, weil der Hilfebedürftige sie weder aus seiner Erwerbstätigkeit, noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter erhalten kann.

Der Gesetzgeber hat dieses Urteil - m. E. mit voller Berechtigung - zur Bestätigung genommen für das im SGB II verankerte Prinzip des Fördern und Forderns. Danach muss, wer mit dem Geld der Steuerzahler in einer Notsituation unterstützt wird, mithelfen, seine Situation zu verbessern. Im Umkehrschluss kann der Staat nicht zur Hilfe verpflichtet sein, wenn und soweit der Hilfebedürftige seine Notlage durch eigene Anstrengung und aus eigenen Kräften überwinden kann.

Ich bin daher davon überzeugt, dass auch die Kürzung auf Null - als ultima ratio, z. B. bei Verdacht auf Schwarzarbeit auch ohne Ersetzung der Geldleistungen durch Sachleistungen - verfassungsgemäß ist. Alles andere wäre eine Kapitulation vor dem Missbrauch. Das Sozialstaatsprinzip gebietet keine Versorgungsgarantie des Steuerzahlers für Menschen, die sich selber helfen können.

Mit freundlichen Grüßen

Christine Haderthauer