Frage an Christine Haderthauer von Simone S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Verehrter Frau Haderthauer,
in der heutigen Ausgabe der MZ wurde kurz über ihr Konzept der Bürgerarbeit berichtet, das laut Angabe bereits in 26 Jobcentern durchgeführt wird.
Ob das Fordern der richtige Weg ist will ich an dieser Stelle mal außer Acht lassen, sondern mich treibt in dieser Sache ein ganz anderes Problem um.
Ich habe drei schulpflichtige Kinder, bin selbst halbtags tätig und habe meine Kinder daher in unserer Grundschule in der Hausaufgabenbetreuung angemeldet Dort arbeiten insgesamt drei Frauen mit den ca 50 Kindern die dieses Angebot an unterschiedlichen Tagen nutzen. Jede von ihnen ist sozialversicherungs- und steuerpflichtig beschäftigt, ich ebenfalls. Natürlich wäre es für die Gemeinde als Träger sicher billiger eine ein Euro Kraft zu beschäftigen, statt eine Sozialpädagogin oder Erzieherin. Die Qualität des Betreuungsangebotes lebt aber eben auch von der Qualifikation der Mitarbeiter.
Nun zu meiner Frage: wie wollen Sie gewährleisten dass durch die Bürgerarbeit keine sozialversicherungspflichtigen Tätigkeiten vernichtet werden? Warum wird so wenig in einen gut ausgebauten öffentlichen Beschäftigungssektor investiert? Dann könnte man reguläre Jobs schaffen statt Menschen nur scheinbar von den Transferleistungen abzukoppeln.
Auch ich arbeite in einem Bereich, der gerne genannt wird wenn von Bürgerarbeit die Rede ist: die Pflege. Wenn ich höre dass Altenpflege doch mal eben von jedem gamcht werden kann kommt das für unsere Gruppe der beruflich pflegenden einer Ohrfeige gleich, denn wozu dient dann die lange Ausbildung und ständige Weiterbildung, wenn das doch eigentlich jeder kann?
Im Augenblick scheint es so als würde nur ein Fordern herrschen, das Fördern von Beschäftigung ist in den Hintergrund gerückt. Das Konzept der Bürgerarbeit, die politisch korrekte Formulierung für "Zwangsarbeit" kann mich im Moment nicht überzeugen, aber vielleicht können Sie das Bild ja gerade rücken?
Mfg Simone Sanftleben
Sehr geehrte Frau Sanftleben,
vielen Dank für Ihre Nachricht und die Übermittlung Ihrer Bedenken zum Modellprojekt Bürgerarbeit. Lassen Sie mich das Modellprojekt kurz darstellen:
Die teilnehmenden Langzeitarbeitslosen werden dabei zunächst verstärkt aktiviert, qualifiziert und betreut. Es wird versucht, bereits in diesem Stadium möglichst viele von ihnen in den regulären Arbeitsmarkt zu integrieren. In Fällen, in denen dies nicht gelingt, folgt im nächsten Schritt die Bürgerarbeit. Hierbei handelt es sich um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse (ohne Arbeitslosenversicherungsbeitrag), die in der Regel mit 900 Euro (600 Euro) für 30 Wochenstunden (20 Wochenstunden) monatlich entlohnt werden, und nicht um 1-Euro-Jobs. Die öffentlich geförderten Bürgerarbeitsplätze müssen dabei zusätzlich sein und dürfen bestehende Arbeitsplätze nicht verdrängen. Um dies zu gewährleisten, ist eine enge Einbindung der regionalen Strukturen (z. B. Handwerkskammer, Gewerkschaft) sicherzustellen. Über die maximal dreijährige Bürgerarbeit sollen die Langzeitarbeitslosen wieder an einen normalen Arbeitstag herangeführt werden. Während dieser Zeit laufen die Vermittlungsbemühungen in den regulären Arbeitsmarkt natürlich weiter, denn Ziel ist es ja, den Teilnehmern die notwendige Starthilfe für ein von Transferleistungen unabhängiges Leben zu geben. Dass hierfür auch der Wille und das Engagement der Teilnehmer vorhanden sind, halte ich für selbstverständlich. Menschen, die wie Sie Steuern und Sozialabgaben zahlen, müssen erwarten können, dass Bezieher von Arbeitslosengeld II alles unternehmen, um wieder am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Mit Zwangsarbeit hat das in meinen Augen nichts zu tun.
Wie Sie bin ich der Auffassung, dass die Altenpflege ein sehr anspruchsvoller und fordernder Beruf ist, der beileibe nicht „mal eben von Jedem gemacht“ werden kann. Im Gegenteil: Ich habe letzten September den „Gipfel soziale Berufe“ einberufen, um den gesamtgesellschaftlichen Stellenwert sozialer Berufe endlich mal ins rechte Licht zu rücken. Und ich werde dies auch weiter tun. Ich darf Sie in diesem Zusammenhang zudem auf unseren Fachtag "Pflegen kann doch jeder? - Kompetenzprofil Altenpflege" hinweisen, den wir im Rahmen der Berufsbildungsmesse 2010 am 9. Dezember in Nürnberg veranstalten. Im Mittelpunkt des Fachtages stehen die für eine professionelle Altenpflege notwendigen und unverzichtbaren Schlüsselkompetenzen.
Mit freundlichen Grüßen
Christine Haderthauer