Frage an Christina Schwarzer von Marion S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Frau Schwarzer,
bitte entschuldigen Sie den Umfang meiner Fragen, von deren Beantwortung ich jedoch meine Wahlentscheidung abhängig machen werde. Diese Fragen werde ich auch an Herrn Dr. Felgentreu stellen. Herzlichen Dank für Ihre Antwort!
Mit besten Grüßen aus Neukölln,
Marion Schmidt
Werden Sie sich für eine Abschaffung des Zwei-Klassen-Systems aus PKV und GKV sowie für die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenzen einsetzen?
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass Alleinerziehende bessergestellt werden, z.B. ggü. Verheirateten ohne Kinder?
Werden Sie dafür sorgen, dass für Geringverdiener mehr Netto vom Brutto übrig bleibt?
Werden Sie sich gegen die Möglichkeit von langjähriger Befristung einsetzen?
Haben Sie Konzepte gegen die Altersarmut von Müttern, die sich daraus ergibt, dass viele Mütter wegen ihres unentgeltlichen Einsatzes schon im Berufsleben nur in Teilzeit Geld verdienen können?
Werden Sie hochqualifizierte Teilzeit-Jobs fördern (z.B. dadurch, dass es für einen Arbeitgeber nicht teurer wird, zwei Arbeitnehmer in Teilzeit einzustellen als einen in Vollzeit)?
Haben Sie ein Konzept, um die Medienkompetenz der Nutzer zu verbessern (z.B. mithilfe einer bundesweiten Initiative)?
Unterstützen Sie den Vorschlag von Herrn Schulz, dass innerhalb eines Unternehmens die Gehälter der Manager in einem angemessenen Verhältnis zu den Gehältern der Arbeitnehmer stehen sollten?
Werden Sie sozialen Wohnungsbau fördern sowie die Mieterrechte stärken?
Sehr geehrte Frau Schmidt,
herzlichen Dank für Ihre Fragen zu zahlreichen Themen und natürlich für Ihr großes Interesse. Gern beziehe ich zu den aufgeworfenen Fragen nacheinander Stellung.
PKV/GKV sowie Beitragsbemessungsgrenzen
Wir haben in Deutschland eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Jeder, der zum Beispiel mal ein paar Monate im benachbarten westeuropäischen Ausland verbracht hat, weiß das. Ich bin sehr froh, dass das so ist. Auch wenn wir als Gesellschaft hierfür sehr viel Geld ausgeben, halte ich es für unbedingt wichtig, dass wir diesen hohen Standard haben. Unser aller Gesundheit sollte uns das Wert sein. Wenn vom „zwei-Klassen-System“ bei der GKV und der PKV gesprochen wird, meint man damit häufig, dass privat versicherte beispielsweise schneller Termine bei Fachärzten bekommen. Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz haben wir uns dieses Problems angenommen. Seit dem 25. Januar 2016 gibt es in Deutschland Terminservicestellen. Diese Einrichtungen der Kassenärztlichen Vereinigungen vermitteln Versicherten innerhalb von vier Wochen Facharzttermine.
Die beiden Formen der Krankenversicherung in Deutschland sind historisch gewachsen. Eine politische Steuerung wäre nötig, wenn es zu einer schlechten Versorgung der Bevölkerung käme. Glücklicherweise ist es aber so, dass jeder in Deutschland – egal wo er versichert ist – Zugang zu einer sehr guten medizinischen Versorgung auf hohem Niveau hat.
Die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze halte ich für keinen guten Vorschlag, da dies zunächst einmal die breite Mittelschicht in unserem Land trifft, nämlich viele Angestellte, Facharbeiter und Selbstständige. Gerade sie tragen bereits heute einen immensen Anteil an unserem Sozialsystem, zugleich ist unser Mittelstand Basis und Motor eines großen Teils unserer Wertschöpfung, schafft Arbeitsplätze und zahlt viele Steuern. Noch mehr Belastungen halte ich an dieser Stelle für einen falschen Anreiz.
Alleinerziehende
Das Thema Alleinerziehende beschäftigt mich schon fast die ganze Legislatur hindurch. Gemeinsam mit meinen Kollegen der CDU/CSU-AG Familie, Senioren, Frauen und Jugend kämpfe ich seit langem darum, dass der Unterhaltsvorschuss endlich ausgeweitet wird. Vor kurzem konnten wir endlich eine Einigung erzielen. Die Befristung auf 72 Monate wird nun abgeschafft. Ebenso können Alleinerziehende für Kinder bis zum 18. Lebensjahr (nicht nur bis zum 12.) den Unterhaltsvorschuss erhalten. Eine weitere wichtige Leistung ist die Erhöhung des Entlastungsbeitrags für Alleinerziehende, rückwirkend zum 1.1.15 auf 1908 Euro. Das ist ein Plus von 600 Euro im Jahr. Auch die Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderzuschlags kommen bei vielen Alleinerziehenden an und schaffen spürbare Entlastung. Den Kinderzuschlag bekommen Eltern, die zwar ihre eigenen Lebenshaltungskosten bestreiten können, aber nicht genug Geld verdienen, um auch den Bedarf ihrer Kinder zu decken. Er wurde zum 1.7.16 um 20 Euro auf 160 Euro monatlich erhöht.
Ich finde all diese Verbesserungen ungemein wichtig. Alleinerziehende machen oft einen Knochenjob. Wenn das Kümmern um die Kinder nur auf zwei Schultern verteilt ist, oft noch eine Berufstätigkeit und/oder ein Ehrenamt hinzu kommt und in vielen Fällen Geldsorgen den Alltag begleiten, dann ist das mehr als Anerkennung wert. Dafür haben wir in den letzten Jahren viel getan. Aber es ist noch mehr zu tun.
Mein Ziel ist es, dass wir unser Steuersystem dahingehend reformieren, dass Kinder in einen Splittingvorteil mit einbezogen würden. So können auch Alleinerziehende davon profitieren. Es liegen einige gute Vorschläge auf dem Tisch, wie man dies berechnen und umsetzen kann, so dass Paare mit Kindern nicht zugleich schlechter gestellt werden. Ich weiß, dass viele Kollegen auch mit dieser Idee sympathisieren und werde mich weiter dafür einsetzen.
Mehr Netto vom Brutto
Mir ist es wichtig, dass vor allem Personen mit geringem und mittlerem Einkommen sowie Familien in Zukunft stärker von unserer guten Konjuktur profitieren. Unserem Land geht es so gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die allermeisten Menschen haben Jobs, von denen sie gut leben können. Unserer Rentnergeneration geht es so gut wie keiner zuvor. Wolfgang Schäuble verzeichnet Rekordsteuereinnahmen. Das alles sind Ergebnisse jahrelanger kluger Politik und einer Gesellschaft aus fleißigen, hart arbeitenden Menschen. Dass wir weiter dabei bleiben, als Staat keine Schulden zu machen, sind wir unseren Kindern schuldig. Das, was wir an Überschuss erwirtschaften, sollte jedoch meines Erachtens Geringverdienern und auch Familien stärker zugutekommen – beispielsweise über Steuererleichterungen. Viele Kollegen in der CDU/CSU unterstützen diesen Vorschlag und ich bin zuversichtlich, dass wir dies in der kommenden Legislaturperiode umsetzen können.
Langjährige Befristung
Meines Erachtens ist ein kleiner Aspekt, der unseren Arbeitsmarkt derzeit so erfolgreich macht, auch seine Flexibilität. Bei den Befristungen unterscheiden wir in solche, die aus sachlichen Gründen notwendig sind und so genannte „sachgrundlose Befristungen“. Letztere sind nur zwei Jahre möglich. Laut einer Stellungnahme des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) fungieren sie oft als Sprungbrett in eine unbefristete Beschäftigung. Bei einer Abschaffung bestünde das Risiko, dass sich Arbeitgeber bei Einstellungen zurückhielten oder auf alternative Beschäftigungsformen wie Zeitarbeit oder freie Mitarbeit auswichen. Sachliche Gründe für eine Befristung sind beispielsweise eine Elternzeitvertretung oder die Arbeit in einem zeitlich befristeten Projekt.
Altersarmut von Müttern
Laut Erhebung einer Online-Jobbörse gibt es in Deutschland 1,5 Millionen Teilzeitarbeitende Frauen mit einer Fachkräfteausbildung, die gern in Vollzeit arbeiten würden, es aber wegen mangelnder Kinderbetreuungsmöglichkeiten nicht können. Vier von Zehn Frauen würden auf Vollzeit umsteigen, wenn sich die Kinderbetreuung optimal organisieren ließe. Hier zeigt sich, dass gerade bei den Frauen, die heute Mütter sind, eine gute Kinderbetreuung eine Maßnahme gegen spätere Altersarmut sein kann. Mit dem Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz sowie dem stetigen Ausbau der Kindertagesbetreuung tun wir hier schon sehr wichtige Schritte.
Betroffen sind aber vor allem diejenigen Mütter, die heute bereits im oder kurz vor dem Rentenalter sind und während ihrer Kindererziehungszeit solche Betreuungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung hatten. Damals war es in den meisten Familien normal, dass die Frauen zu Hause blieben und sich um die Kinder kümmerten. Für sie haben wir beispielsweise die „Mütterrente“ eingeführt. Seit dem 1. Juli 2014 bekommen Eltern eine höhere Rente für jedes Kind, das vor 1992 geboren wurde. Insgesamt 9,5 Millionen Eltern erhalten dadurch mehr Geld – vor allem Mütter profitieren. Ein Beispiel: Bei zwei vor 1992 geborenen Kindern gibt es rund 650 Euro im Jahr zusätzlich. Die Vorsitzende der Frauen Union, Annette Widmann-Mauz, hat Ende des letzten Jahres gefordert, dass die Mütterrente nicht länger auf die Grundsicherung im Alter angerechnet werden darf. Dieser Forderung kann ich mich anschließen, denn mit diesem Schritt könnten wir effektiv noch mehr gegen Altersarmut von Frauen unternehmen.
Förderung hochqualifizierte Teilzeit-Jobs
Die Gründe, in Teilzeit zu arbeiten, sind vielfältig. Beispielsweise sind die Erziehung von Kindern, Weiterbildungen, die Pflege von Angehörigen oder eine begleitende Selbstständigkeit zu nennen. Für viele Arbeitnehmer ist diese Arbeitsform die passende Lösung, andere würden gern mehr arbeiten, haben aber nicht die Möglichkeit dazu. Ich halte daher wenig von starren Lösungen und Vorschriften, was die Regelungen hinsichtlich der Teilzeitarbeit angeht. Wir müssen Anreize schaffen, damit Unternehmen die Arbeitsplätze besser auf die unterschiedlichen Bedürfnisse anzupassen. Dazu zählen flexible Arbeitszeiten, Arbeitszeitkonten, Teilzeit und Telearbeit wie auch Betriebs-Kitas und die Zusammenarbeit mit Kinderbetreuungseinrichtungen mit flexiblen Betreuungszeiten. Die gute Konjunktur auf dem Arbeitsmarkt trägt dazu bei, dass Unternehmen mehr und mehr gefordert sind, auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter einzugehen. Viele Unternehmen gehen da bereits mit gutem Beispiel voran. Ein Konzept, das ich sehr spannend finde, ist das von Tandemploy (tandemploy.com) – eine Jobsharing Plattform die für Arbeitnehmer die Möglichkeit bietet, sich einen Job zu teilen – vom Facharbeiter bis hin zur Führungskraft. Unternehmen wie Beiersdorf, RWE und die Allianz machen mit. Ich finde, solche Projekte sind genau der richtige Weg. Sie müssen wir fördern und unterstützen.
Medienkompetenz
Hier sprechen Sie eines meiner Herzensthemen an. Wir alle brauchen Medienkompetenz. Die Älteren, damit sie nicht von neuen Entwicklungen abgehängt werden und sich im Netz gut bewegen können. Die Arbeitnehmer, um am Arbeitsmarkt fit zu bleiben und sich stetig weiter zu entwickeln. Vor allem aber Kinder und Jugendliche, damit sie für die Zukunft lernen und auch schädliche Entwicklungen und Erlebnisse im Netz erkennen und damit umgehen können. Wir stehen hier also vor einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe. Lebenslanges Lernen wird wichtiger denn je. Dabei sind Elternhaus und Schule für mich elementar wichtige Akteure. Eltern müssen meines Erachtens stets kompetente Ansprechpartner beim Thema Medien und Internet sein. Ich fordere außerdem seit langem, dass Medienkompetenz in unseren Schulen verankert wird – und zwar als übergreifender Aspekt und nicht als eigenes Schulfach. Dafür müssen auch die Lehrer besser aus- und fortgebildet werden. Auf meine Initiative hin hat die CDU Berlin einen entsprechenden Beschluss gefasst.
Gehälter der Manager an Gehälter der Arbeitnehmer anpassen
Für mich ist es relativ schwierig zu beurteilen, was hier ein „angemessenes Verhältnis“ wäre. Daran sieht man schon die Schwierigkeit an diesem Vorschlag. Was ist angemessen und wer soll das entscheiden? Ich fürchte, da werden viele Menschen zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Auch in meiner Partei, der CDU, wird dazu gerade sehr kontrovers diskutiert. Es gibt auch Zuspruch dafür, Managergehälter grundsätzlich zu begrenzen. Um eine Flexibilität zu ermöglichen, könnte man beispielsweise die Hauptversammlungen der Unternehmen über die Gehälter der Manager entscheiden lassen.
sozialer Wohnungsbau/Mieterrechte
Der Bund hat den Ländern zwischen 2007 bis 2015 jährlich gut 500 Millionen Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt. Zwischen 2016 und 2019 zahlt der Bund den Ländern weitere gut 5 Milliarden Euro für diesen Zweck. Leider würden die Mittel des Bundes aber nicht überall zielgerichtet und erfolgreich für die Schaffung neuer Sozialwohnungen eingesetzt. Hier sind die Länder in der Pflicht, das ihnen zur Verfügung gestellte Geld im Sinne der bedürftigen Menschen einzusetzen.
Mit der Mietpreisbremse haben wir ein wichtiges Instrument geschaffen. Bei der Wiedervermietung von Bestandswohnungen kann die Miete in Gebieten mit angespannter Wohnungsmarktsituation höchstens auf das Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete zuzüglich 10% angehoben werden. Auch das Bestellerprinzip ist ein Instrument, dass den Mietern zugutekommt. Bisher hatten Mietsuchende in Ballungsgebieten, in denen Mietwohnungen knapp sind, häufig nur Chancen auf ein Mietobjekt, wenn sie den Makler bezahlen. Mit dem Bestellerprinzip muss derjenige den Makler bezahlen, der ihn beauftragt und in dessen Interesse der Makler überwiegend tätig ist.
Bei all diesen Themen gilt meines Erachtens aber eines zu beachten: Die Situation auf dem Wohnungsmarkt wird sich nicht entspannen, wenn immer mehr Menschen nach einem etwa gleich großen Wohnbestand streben. Daher ist das einzig wirksame Mittel gegen steigende Mieten der Neubau. Neben dem notwendigen sozialen Wohnungsbau gilt daher auch, dass wir private Eigentümer von Wohnraum nicht über Gebühr belasten dürfen, denn sie sind diejenigen, die einen großen Teil des benötigten Wohnraums schaffen. Über 70% unseres Mietbestandes sind im Besitz privater Kleinvermieter.
Mit freundlichen Grüßen aus Neukölln nach Neukölln
Christina Schwarzer