Frage an Christiane Schneider von Wolfgang B. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Schneider,
offenbar findet heute (14:00, 26.01.2011) eine Demonstration an der Universität Hamburg statt.
Es muss sich offenbar um eine absehbar kriminelle Veranstaltung handeln, denn in der Straße Grindelhof steht ein absonderliches Vehikel der Polizei (jedenfalls mit Blaulicht und auch sonst Ton in Ton - Amt.K.: HH 7425) mit einer beeindruckenden Ausrüstung auf dem Dach: zwei motorgesteuerte Kameras und ein Richtmikrofon(?, - tolle Ausrüstung, aber leider noch nicht als Matchbox-Auto erhältlich -> Ebay). Doch nun zu meinen Fragen Frau Schneider:
- Wozu dient dieser Aufmarsch staatlicher Kontrollorgane zu einer doch offensichtlich angemeldeten Demonstration?
- Ist eine derartige demokratiefeindliche (meine Wertung) Einschüchterung Gesetzes- bzw. Verfassungskonform?
- Und in Hinblick auf das alte Henne - Ei Thema: Wird dieser sicher nicht billige Einsatz am Ende noch durch die Provokation gerechtfertigt, die dieses fahrende horch- und guck Gefährt darstellt?
Einen schönen Gruß aus dem Univiertel und ich freue mich natürlich über eine Antwort!
Sehr geehrter Herr Behrens,
ich habe, aufmerksam geworden durch eine größere Anzahl von Polizeifahrzeugen in der Innenstadt, den Schluss der Demonstration noch gesehen, auch das vorwegfahrende Spähfahrzeug, das dazu eingesetzt wird, ständig aktuelle Lageinformationen visuell und akustisch aufzuzeichnen und Video- und Audio-Dateien an das Lagezentrum im Polizeipräsidium zu übermitteln. Schon "beeindruckend", die immer neue Überwachungstechnik, für die offensichtlich genug Geld da ist, das z.B. bei der Bildung nicht da ist oder sogar gekürzt wird.
Sie sprechen ein großes Problem an: die prekäre Situation des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit in Hamburg, die sich auch unter Schwarz-Grün nicht verbessert hat. Leider gibt es auch wenig Aussicht, dass sich hier in den nächsten Jahren viel tut, jedenfalls nicht ohne kräftigen Druck, weil die SPD in Sachen "innere Sicherheit" die CDU nach meiner Erfahrung noch zu übertrumpfen versucht.
So hält sich in der Polizei hartnäckig die Auffassung, dass Demonstrationen im Prinzip "Störungen" sind, die kleingehalten werden sollen, präventiv und repressiv. Diese Auffassung wird dadurch bestärkt, dass alle Innensenatoren mindestens seit Schill Demonstrationen grundsätzlich als Problem betrachten, das polizeilich zu "lösen" ist. Das führt zu polizeilichen Einsatztaktiken, die es in nicht wenigen Fällen geradezu verunmöglichen, das Anliegen, für das demonstriert wird, der Öffentlichkeit zu vermitteln (z.B. weil die Demonstration durch die zwei- bis dreifachen Polizeiketten manchmal kaum zu sehen ist), und die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Demonstration durch z.B. ein überwältigendes Polizeiaufgebot oder durch immer perfektere Überwachungstechnik einschüchtern. Ich halte all das für schwerlich vereinbar mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit.
Ein großes Problem besteht m.E. darin, dass es kein fortschrittliches, d.h. nicht obrigkeitsstaatliches Versammlungsrecht gibt. Ich hoffe, das kann die neue Linksfraktion in der nächsten Legislaturperiode anpacken. Ein zweites Problem sehe ich darin, dass das Deutsche Institut für Menschenrechte zwar ein gutes Konzept für Menschenrechtsbildung in der Polizei ausgearbeitet hat, dass dieses Konzept aber in der Praxis bzw. in der Ausbildung der Polizei in Hamburg keine Rolle spielt.
Ich bin in diesem Wahlkampf öfter gefragt worden, ob DIE LINKE für mehr Stellen bei der Polizei ist. Richtig ist, dass viele Polizeibeamten eine hohe Zahl von Überstunden vor sich her schieben. Das hängt vor allem damit zusammen, dass die Aufgaben der Polizei ständig ausgeweitet werden, auch die Aufgaben in Bezug auf die Kontrolle von Demonstrationen. Mehr Respekt der Innenbehörde vor dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit würde sicherlich in erheblicher Weise zu einer Entlastung der Polizeibeamten beitragen.
Mit freundlichen Grüßen
Christiane Schneider