Sehr geehrter Herr Schreider, wie stehen sie zu einem Boykott der kommenden Fußball-WM in Katar? Sollte ein solcher in sportlicher oder diplomatischer Art erfolgen?
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihr sportpolitisches Interesse bezüglich der kommenden Fußball-Weltmeisterschaft in Katar!
Der Stand der Menschen- und Arbeitsrechte in Katar kann zweifellos als nicht hinreichend zufriedenstellend bezeichnet werden. Dennoch halte ich weder einen sportlichen noch einen diplomatischer Boykott der Fußball-WM in Katar für zielführend im Sinne einer nachhaltigen Verbesserung der genannten Rechte.
Ich teile die Auffassung der Menschenrechtsorganisationen „Transparency International“ und „amnesty international“, dass die internationale Aufmerksamkeit bei der Fußball-WM in Katar dazu genutzt werden kann, um das Scheinwerferlicht auf die zum Teil umgesetzten, zum Teil aber eben auch noch klar unzureichenden katarischen Reformprogramme der vergangenen Jahre im Umgang mit Arbeitsmigranten bzw. Arbeitern zu richten. Beide Organisationen sprechen in diesem Zusammenhang von merkbaren Verbesserungen in den vergangenen Jahren, die durch einen Boykott sportlicher oder diplomatischer Art aber eben wieder gefährdet werdet würden. Das Ziel sollte dagegen sein – und dem schließe ich mich an –, dass die öffentliche Aufmerksamkeit und die Anwesenheit internationaler Gäste im Rahmen der WM dazu genutzt wird, weitere und deutlichere Reformen einzufordern und anstoßen. Mir ist es wichtig, dass Reformen langfristig zu Verbesserungen der Lebensbedingungen der Menschen vor Ort führen, auch nach der Fußball-WM.
Unabhängig davon muss es meines Erachtens zukünftig aus meiner Sicht zwingend so sein, dass bereits im Vergabeprozess für internationale Sportgroßereignisse das Bestehen substanzieller Menschen- und Arbeitsrechte in dem betreffenden jeweiligen Bewerberland notwendige Bedingung für einen Zuschlag ist.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weitergeholfen zu haben!
Vielen Dank nochmals für Ihr Interesse und beste Grüße, Christian Schreider