Frage an Christian Schmidt von Carola S. bezüglich Europapolitik und Europäische Union
Betreffend die internen Finanzen des EU Parlaments, wie stehen Sie zu der Frage der Doppelpension, die verschiedene Vertreter der deutschen EU Abgeordneten (aller Parteien) sich lt. Recherche des Stern Magazins angeblich er"tricksen"? Ist das wahr?
Sehr geehrte Frau Schimek,
Vielen dank fuer ihre Mail und Ihr Interesse an beidem, den Freien Waehlern und dem EU Pensionsfonds, ueber den ja der Stern schon ausfuehrlich recherchiert hat.
So hat der Stern in seiner online Ausgabe von Anfang Maerz berichtet, dass zahlreiche deutsche Europaabgeordnete Mitglieder in einem umstrittenen Luxemburger Pensionsfonds sind oder waren, der ihnen eine Altersversorgung von monatlich bis zu 5575 Euro sichern kann. Die deutschen EU-Parlamentarier haben allerdings bereits das gleiche Anrecht auf eine Altersentschädigung wie Bundestagsabgeordnete. Zahlungen aus dem EU-Fonds, der von einem Luxemburger Verein verwaltet wird, müssen laut Gesetz mit der deutschen Pension verrechnet werden. Allerdings ist nach Recherchen des stern nicht gewährleistet, dass die Bundestagsverwaltung von allen Anwartschaften aus dem Luxemburger Fonds erfährt. Er wird zu zwei Dritteln mit Steuergeldern finanziert und stieß mehrfach auf Kritik seitens des EU-Rechnungshofes.
Das EU-Parlament hielt die Namen der Fondsteilnehmer bisher geheim. Dem stern liegen aber, so berichtete er, die Mitgliederlisten des Luxemburger Pensionsvereins vor. Mindestens 37 der gegenwärtig 99 deutschen Abgeordneten sind anscheinend dabei. Zählen die Ausgeschiedenen mit, stehen angeblich sogar 76 Deutsche auf den Listen. Noch im Jahr 2004 trat demnach der EU-Abgeordnete und Präsident des CDU-Wirtschaftsrates Kurt Lauk dem Fonds bei, genauso die Abgeordnete Sahra Wagenknecht (Linke) und die ehemalige Grünen-Bundesvorsitzende Angelika Beer. Die deutschen Grünen im EU-Parlament hatten ihren Mitgliedern nach der Europawahl 2004 eigentlich abgeraten, dem Fonds beizutreten. Zeitweise waren auch die heutige Grünen-Bundesvorsitzende Claudia Roth und der jetzige sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) Mitglieder des Fonds. Beide sind aber nach eigenen Angaben wieder ausgeschieden.
Ich persoenlich hege obendrein den Verdacht, dass die zuständige deutsche Bundestagsverwaltung die Aufklärung der Vorwürfe des Bezuges von überhöhten Pensionen gegen eine Reihe deutscher EU Parlamentarier absichtlich verschleppt.
Die Bundestagsverwaltung, die dem BT-Präsidenten Dr. Norbert Lammert unterstellt ist, ist neben der Berechnung der Ruhestandsbezüge von Bundestagsabgeordneten auch zuständig für die Pensionen der deutschen EU-Parlamentarier, deren Versorgungsbezüge wie gesagt aus Mitteln des Bundes bereitgestellt werden.
Doch damit nicht genug: Für deutsche EU-Abgeordnete ergaben die Recherchen des Stern die eigentümliche Besonderheit, dass sich die Mitgliedschaft in dem Pensionsfonds als Zusatzversorgung eigentlich gar nicht rechnet. Denn nicht nur waeren die erworbenen Zusatzleistungen aus dem Pensionsfonds mit der Versorgungsleistung des Bundes zu verrechnen, sondern obendrein trifft den insoweit sinnlos überversorgten Europa-Abgeordneten eine zusätzliche Steuerlast, nämlich auf die vom Europaparlament äußerst großzügig bemessenen Zuschüsse in Höhe von 2/3 der Einzahlungen.
Der Bundestagsverwaltung sind seit der Berichterstattung des Stern im Februar und Maerz eine Reihe von Europa-Parlamentariern namentlich bekannt, die zwar dem Pensionsfonds der EU beigetreten waren, dann aber der Bundestagsverwaltung gegenüber verneint haben, eine Versorgung aus dem EU-Pensionsfonds zu beziehen. Bei dieser Konstellation kann der Bundestagspräsident schlechterdings nicht mehr allein auf die Selbstauskunft der Pensionäre vertrauen, meine ich.
Ich hatte uebrigens bereits im April die deutschen EU-Parlamentarier in meinem Kandidierungsgebiet (Bln, Brandenburg und Mecklenburg Vorpommern) um Auskunft über ihre aktuelle Mitgliedschaft im Pensionsfonds des EU-Parlamentes gebeten – ohne Erfolg.
Schwerer als das Schweigen der EU-Parlamentarier wiegt nach meiner Auffassung aber das Schweigen der „Lammerts“ - ich spiele dabei auf den europäischen Amtskollegen von BT-Präsident Dr. Lammert an, den Präsidenten des Europaparlamentes Dr. Hans-Gert Pöttering (beide CDU).
Ich meine, der Bundestagspräsident wäre von Amts wegen gehalten, die Selbstauskunft der vom Bund versorgten Ex-Parlamentarier mit den Leistungsdaten des Pensionsfonds des EUParlaments abzugleichen, Hätte dieser längst fällige Datenabgleich naemlich stattgefunden, und hätte der Datenabgleich die in der Presse publizierten Verdachtsmomente entkräftet, so hätten die Parlamentspräsidenten Dr. Lammert und Dr. Pöttering zur Frage einer evtl. ausgezahlten Doppelversorgung auch Stellung bezogen und die Versorgungsbezieher ihrer Parlamente öffentlich entlastet. Genau das aber haben beide bislang tunlichst vermieden.
Ich forderte daher den Bundestagspräsidenten Dr. Norbert Lammert und den Präsidenten des Europaparlamentes Dr. Hans-Gert Pöttering auf, das Versäumnis noch in dieser Woche und damit vor den Wahlen zum Europaparlament am kommenden Sonntag nachzuholen, und habe diesbezueglich auch eine Presseerklaerung veroeffentlicht, die sie auf der web Seite der Freien Waehlergruppe (Europa)finden.
Ich hoffe, ich habe Ihre Frage hiermit beantwortet
Mit freundlichem Gruss
Dr. Christian Schmidt