Frage an Christian Ranft von Emmanuelle T. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Beim Lesen der Antwort zum Thema Mindestlohn - den ich sehr befürworte- drängte sich mir die Frage auf, wie es denn bei Auszubildenden sein sollte. Die aktuelle Regierung spart diese Gruppe aus dem ohnehin niedrigen Mindestlohn aus, wie stehen Sie dazu?
Herzliche Grüße,
E. Tournier
Auch Auszubildenden sowie Praktikanten mit abgeschlossener Ausbildung, die in ihrem gelernten Fachgebiet arbeiten, steht ein Mindestlohn zu. Für diese schlage ich 7,00 € brutto/h vor. Wie ich darauf komme? Dazu muss ich etwas ausholen:
8,50€ Brutto Mindestlohn pro Stunde bedeuten bei ca. 172h/Monat ein Arbeitnehmer-Bruttogehalt von 1462,-€ und damit in Thüringen derzeit Gesamtlohnkosten/Monat von ~ 1750,-€. Selbst bei reiner Service-Leistung (also ohne benötigtes Material), unter Vernachlässigung aller sonstigen Fixkosten, die für jede Art des Umsatzes irgendwie anfallen, sowie ohne sonstige Steuern (Gewerbesteuer, etc.) braucht es aufgrund der Umsatzsteuer hierfür also MEHR-Einnahmen des Unternehmens von ~2080,-€ PRO MONAT. Das möchte ein Unternehmen auch mithilfe des Azubis/Praktis erstmal reinholen oder - und dafür gibt es auch keine Garantie - rückwirkend durch die Leistung des dann voll ausgebildeten Mitarbeiters erwirtschaften.
Kurz: Azubis und ausgebildete Praktis sehe ich zwischen Schüler-/Schnupper-Praktikanten (mit bes. hohem Betreuungsaufwand und größtenteils ohne Produktivitätsgewinn) und voll ausgebildeten Mitarbeitern.
Angesichts der Lebenskosten sowie Mietpreise in Thüringen halte ich hier einen Mindestlohn von 7,00 € brutto für denk- und realisierbar, damit jeder Azubi auch abseits der elterlichen Wohnung angemessen über die Runden kommt und auch mal feiern gehen kann (in Maßen, denn Lehrjahre sind bekanntlich keine Herrenjahre). Und nicht zuletzt sollte es ja auch für die "Angehenden" noch einen Anreiz geben, durch ihre Leistung im 1. Arbeitsmarkt anzukommen und nach diesem Schritt entsprechend mehr zu verdienen.
Abschließend muss ich an dieser Stelle aber noch anmerken, dass die Festlegung/Anpassung solcher Werte DRINGEND einer grundlegenden Revision bedarf! Mit welcher Unverschämtheit bitte lassen sich Abgeordnete per selbst geschaffenem Gesetz ihre Bezüge gemäß "durchschnittlicher Lohnentwicklung" anpassen, legen aber für Geringverdiener, Arbeitslose und besonders Schutz- und Förderbedürftige wie Kinder ausschließlich "aus dem Hut gezauberte" Fixbeträge fest, die dann rapide von der Inflation dezimiert werden, bis irgendwann die lauter werdenden Proteste eine Anpassung erzwingen?
Wir brauchen einen für alle Bürger nachvollziehbaren Warenkorb für die Berechnung von Kindergeld, Mindestlöhnen, Mindestrenten sowie bedingungsloser Grundsicherung! Die sich daraus ergebenden Zahlungen gehören automatisch der Inflation angepasst und jener Warenkorb muss schließlich regelmäßig demokratisch überprüft und der sich mittlerweile sehr schnell entwickelnden Welt angepasst werden. Nur auf diesem Weg können wir die alljährlichen Proteste, Tarifkämpfe und vor allem die inflationär betriebene Umverteilung von unten nach oben in den Griff bekommen. Von der Stabilisierung der Binnennachfrage ganz zu schweigen...
PS: Die nicht vollständige Genderung möge man mir nachsehen ;)
PPS: Eine kleine Anekdote aus meinem persönlichen Leben an aller letzter Stelle: Nach meinen abgebrochenen Studienjahren und dem Entschluss eine eigene Firma zu gründen, lebte ich über ein Jahr von Hartz-IV, arbeitete auch damals schon >60h/Woche und kam inkl. regelmäßiger Feten akzeptabel über die Runden - inkl. eigenem Auto!