Frage an Christian Platzer von Frank S. bezüglich Verkehr
Wie steht den die FDP zur Kapitalisierung der Bundesbahn?
Sehr geehrter Herr Siegel,
vielen Dank für Ihre Frage und entschuldigen Sie bitte, dass ich erst jetzt die Möglichkeit habe, Ihnen zu antworten.
Für die FDP ist die anstehende Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG ein wichtiges Thema. Dabei orientieren wir uns unverändert an den Zielen der Bahnreform, die wir 1993 als Regierungsfraktion auf Bundesebene maßgeblich auf den Weg gebracht haben. Wir wollen den Verkehrsträger Schiene stärken und die Belastungen des Steuerzahlers senken. Das Schlüsselinstrument dafür ist Wettbewerb auf der Schiene, den wir konsequent fördern wollen. Eine Wettbewerbsbranche Schienenverkehr ist auch die beste Gewähr für die Sicherung von Beschäftigung im Bahnsektor. Dies sind somit die Leitlinien für unsere Position zur Bahnprivatisierung.
Die Auswertung des von Booz/ Allen/ Hamilton vorgelegten PRIMON-Gutachtens, die Befragung der Gutachter und die Anhörung von Sachverständigen haben ergeben, dass eine Steigerung des Verkehrsanteils der Schiene nur bei einer Intensivierung des Wettbewerbs durch eine Trennung von Netz und Transport möglich ist. Für die Trennung sprechen aber nicht nur Wettbewerbsaspekte. Sie bringt auch die höchsten Entlastungen für den Bundeshaushalt, schafft saubere Strukturen an der Schnittstelle zwischen Staat und Wirtschaft und ermöglicht eine optimale Wahrnehmung der staatlichen Infrastrukturverantwortung. Außerdem können erst nach einer Trennung die Transport- und Logistikbereich ganz privatisiert werden, was für ihren dauerhaften Markterfolg unerlässlich ist. Demgegenüber spielen die angeblichen Trennungskosten und Synergieverluste keine entscheidende Rolle, wie uns die Gutachter und Sachverständigen überzeugend dargelegt haben. Ohnehin gehen die Trennungskosten im Wesentlichen auf die Rückverlagerung wesentlicher Steuerungsfunktionen bei der Holding zurück, womit die zweite Stufe der Bahnreform praktisch zurückgenommen wurde.
Sollte es tatsächlich nennenswerte Synergievorteile eines integrierten Bahnkonzerns geben, wären diese – wie uns die Gutachter überzeugend dargelegt haben – die Kehrseite eines entsprechenden Diskriminierungspotenzials der DB AG gegenüber ihren Wettbewerbern. Dieses Diskriminierungspotenzial eines von der Deutschen Bahn AG kontrollierten Schienennetzes ist nach Ansicht der Gutachter letztlich nicht beherrschbar.
Nach unserer Auffassung kann es nicht im Interesse des Bundes oder allgemein des deutschen Steuerzahlers liegen, mit der Deutschen Bahn AG unter Einsatz von Steuermitteln einen global agierenden Mobilitäts- und Logistikdienstleister aufzubauen. Ein solcher Staatskonzern passt nicht in die Unternehmenslandschaft. Es wäre eine grobe Verletzung der ordnungspolitischen Spielregeln gegenüber privaten Unternehmen derselben Branche, die sich nicht auf eine staatlich garantierte Konkursfestigkeit verlassen können. Aufgabe des Staates ist die Wahrnehmung der Infrastrukturverantwortung – nicht mehr und nicht weniger. Als Transport- und Logistikunternehmer ist der Staat weder gefragt noch kompetent. Ein integrierter Börsengang verbietet sich aus allen diesen Gründen. Die Privatisierung der Transport- und Logistiksparten hingegen ist für die FDP eine selbstverständliche Forderung, denn diese Geschäftsfelder haben - anders als die Infrastruktur - nichts mit staatlichen Aufgaben zu tun.
Wir glauben nicht, dass die Interessen der Bahnbeschäftigten durch die Behauptung wenig belastbarer Schreckensszenarien sinnvoll vertreten werden. Der Vorsitzende der TRANSNET, Norbert Hansen, behauptet, 80.000Arbeitsplätze würden im Fall einer Trennung von Netz und Transport wegfallen. Dem haben die Gewerkschaftskollegen von der GdL und VERDI mit überzeugenden Argumenten widersprochen. Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen, ist uns ein zentrales Anliegen auch in der Bahnpolitik. Dazu braucht es eine gesunde, florierende Bahnbranche. Es mag sein, dass bei der Deutschen Bahn Arbeitsplätze verloren gehen. Es werden aber in gleicher Zahl und mehr Arbeitsplätze bei anderen Unternehmen entstehen. Wenn TRANSNET und GDBA endlich zu echten Branchengewerkschaften werden, muss das nicht zu ihrem Nachteil sein.
Aus Sicht der FDP wird es nun darauf ankommen, eine Entscheidung zu treffen, die der gesamten Schienenverkehrsbranche und damit allen dort Beschäftigten hilft. Es zeichnet sich ab, dass ein konsequentes Trennungsmodell derzeit politisch nicht mehrheitsfähig ist. Die Koalitionsfraktionen favorisieren das so genannte Eigentumsmodell. Dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass das Eigentum an der Infrastruktur auf eine neue Gesellschaft übertragen wird, die im Alleineigentum des Bundes steht. Die Bewirtschaftung des Netzes wird per Vertrag auf die DB Netz AG übertragen. Denkbar ist, auch einzelne Funktionen wie die Trassenvergabe und / oder die Netzplanung auf die Eigentumsgesellschaft zu übertragen.
Für die FDP ist das Eigentumsmodell keine wesentliche Verbesserung gegenüber dem Status Quo. Dennoch könnten wir es unter bestimmen Voraussetzungen als Kompromiss mittragen. Entscheidend ist, dass eine irreversible Entscheidung für den integrierten Konzern verhindert wird. So bedauerlich es ist, wenn wir im Augenblick nicht mehr erreichen können: wir müssen die Mehrheitsverhältnisse zur Kenntnis nehmen und es wäre ein großer Erfolg, wenn der vom Bahnvorstand mit einem gewaltigen propagandistischen Feldzug angestrebte Börsengang mit Netz verhindert würde.
Das Eigentumsmodell ist „aufwärtkompatibel", d..h. es kann bei Bedarf und gegebenen politischen Mehrheiten zu einer echten Trennung weiter entwickelt werden. Bei der Ausgestaltung des Eigentumsmodells wird es darauf ankommen, die Eigentumsgesellschaft als Instrument der staatlichen Infrastrukturverantwortung handlungsfähig zu machen:
(1) klar geregelte Eingriffrechte bei Investitionen und Instandhaltung des Netzes,
(2) Sanktions- und Rückholmöglichkeiten gegenüber der DB Netz AG und
(3) eine ausreichende personelle und sächliche Ausstattung der Eigentumsgesellschaft. Von der Erfüllung dieser Kriterien würden wir im Kompromissfall unsere Zustimmung abhängig machen.
Mit freundlichen Grüßen,
Christian Platzer