Frage an Christian Petry von Jonas H. bezüglich Menschenrechte
Sehr geehrter Herr Petry,
laut einer repräsentativen Umfrage, die die Generationen-Stiftung anlässlich der bevorstehenden Bundestagswahl in Auftrag gegeben hat, sind über 80% der befragten jungen Menschen (im Alter 16 bis 26 Jahre) der Ansicht, dass die derzeitige Regierung die Interessen junger Menschen trotz vieler Proteste in den letzten Jahren ignoriert. (Quelle: https://bit.ly/3hi9K7O)
Vier Fragen dazu:
1) Wie sehen Ihre KONKRETEN Vorschläge für eine generationengerechte Politik aus, die die wissenschaftlich als notwendig erachteten Veränderungen bringen, um die Lebensgrundlagen der jungen Menschen und künftiger Generationen umfassend zu schützen?
2) Sind Sie für einen echten 1,5-Grad-Kurs?
3) Wie stehen Sie zu den Vorschlägen des Positionspapiers “Kompass Klimazukunft” von Together for Future e.V. wie z.B. ein wissenschaftliches 1,5-Grad-Emissionsbudget, die schnellere Erhöhung des CO2-Preises mit Sozialausgleich und die Senkung fossiler Steuer-Privilegien? https://kompass-klimazukunft.de/
4) Am 30. Juni 2021 hat der repräsentative "Bürgerrat Klima" (60 Menschen, zufällig ausgewählt aus ganz Deutschland) nach rund 8 Wochen und 50 Arbeitsstunden seine politischen Empfehlungen zu der Frage wie Deutschland die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens erreichen kann (unter Berücksichtigung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Gesichtspunkte) veröffentlicht (hier zu finden: https://buergerrat-klima.de/wieso-ein-buergerrat-klima/die-ergebnisse).
Falls Sie im September erneut in den Bundestag gewählt werden sollten, welche Selbstverpflichtung über die Verwendung oder Nicht-Verwendung dieser Empfehlungen sind Sie bereit einzugehen? Wären Sie bereit, sich dazu zu verpflichten, die Ergebnisse des Bürgerrates Klima für die eigene politische Arbeit sorgfältig und in öffentlicher Debatte zu prüfen und gegebenenfalls im Detail zu begründen, warum sie Ergebnisse nicht berücksichtigen können oder wollen?
MfG
Jonas Heintz
Sehr geehrter Herr Heintz,
vielen Dank für Ihre Nachricht, die ich hiermit gerne beantworte.
In den letzten Jahren waren wir als SPD-Bundestagsfraktion der treibende Partner in der Koalition für eine ambitionierte Klima- und Umweltpolitik. Die SPD-Bundestagsfraktion hat das Klimaschutzgesetz, den Klimaschutzplan 2030, die Einführung eines nationalen Emissionshandels für die Sektoren Wärme und Verkehr und auch den Ausstieg aus der Kohleverstromung auf den Weg gebracht. Kurz vor Jahresende 2020 hat – vor allem durch die Hartnäckigkeit der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten – eine Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) dafür gesorgt, dass die Energiewende zu einem Mitmach-Projekt für alle wird (zahlreiche Erleichterungen für Mieterstrom, finanzielle Beteiligung von Kommunen bei Windkraftprojekten, etc.). Ich versichere Ihnen, dass wir in der SPD-Bundestagsfraktion uns weiterhin für eine generationengerechte Politik einsetzen werden. In unserem Zukunftsprogramm 2021 wurden weitere klimaschutzpolitische Ziele genannt – das ist unser Versprechen für eine zukunftsorientierte und gerechte Umweltpolitik, die die Zukunftsperspektiven junger Menschen berücksichtigt.
Die SPD-Bundestagsfraktion bekennt sich ausdrücklich zu den Zielen des Pariser Klimaabkommens. Die globale Erderwärmung muss deutlich unter 2 Grad gehalten und auf möglichst 1,5 Grad Celsius begrenzt werden. Im Beschluss des SPD-Parteivorstandes vom 07.02.2021 findet sich die Formulierung: „Wir brauchen eine langfristige Strategie, damit Deutschland spätestens bis zum Jahr 2050 klimaneutral wird.“
Zu Ihrer dritten Frage: Zunächst wirkt der Ansatz eines globalen CO2-Budgets hilfreich, denn er veranschaulicht die Grundprämisse des globalen Klimaschutzes: Die Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre für Treibhausgas-Emissionen ist begrenzt. Mit dem Übereinkommen von Paris wurde diese begrenzte Aufnahmefähigkeit in Temperaturziele übersetzt. Allerdings wird die wissenschaftliche Ermittlung eines CO2-Budgets deutlich erschwert durch verschiedene Unsicherheiten und Annahmen. Deshalb sind auch die bisher vom IPCC ermittelten globalen Budgets keine starre Größe. Sie wurden auch nicht wissenschaftlich auf Staaten verteilt. Außerdem besteht aktuell kein globaler Konsens darüber, unter welchen normativen Kriterien eine gerechte Verteilung stattfinden könnte. Der Budgetansatz eignet sich entgegen der Forderung daher leider nicht als Maßstab zur Überprüfung von Gesetzen und Staatsausgaben.
Grundsätzlich ist beim Thema „CO2-Preis“ zwischen dem CO2-Preis des Europäischen Emissionshandels (EU ETS) und dem nationalen CO2-Preis über das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) in Deutschland zu unterscheiden. Der nationale Emissionshandel (nEHS) nach dem BEHG umfasst sämtliche Emissionen, die nach EU-Klimaschutzverordnung nicht dem EU ETS unterliegen. Das System wird entscheidend dazu beitragen, dass Deutschland seine Klimaziele erreicht. Im Jahr 2021 sind im nEHS für die Emissionen einer Tonne CO2 25 Euro zu entrichten. Der Preispfad steigt kontinuierlich bis auf 55 Euro im Jahr 2025 an. Ab dem Jahr 2026 liegt der Preiskorridor zwischen 55 bis 65 Euro je Emissionszertifikat. Im Jahr 2025 wird eine Evaluierung ergeben, ob ab dem Jahr 2027 eine freie Preisbildung umgesetzt wird. Im EU ETS existiert bereits seit Beginn des Systems eine freie Preisbildung. Entscheidend in Emissionshandelssystemen wie dem EU ETS oder dem nEHS ist, dass die gesetzte Obergrenze an Emissionsberechtigungen kontinuierlich absinkt und der sich daraus ergebende Reduktionspfad mit den Klimazielen kompatibel ist. Bei einer freien Preisbildung stellt sich dann automatisch das notwendige Preisniveau ein, das die Erreichung der Klimaziele sicherstellt.
Des Weiteren ist es richtig, dass Subventionen Fehlanreize setzen können. Ziel der Bundesregierung ist, Fehlanreize weiter abzubauen, dies betrifft insbesondere auch klimaschädliche Subventionen. Das Kyoto-Protokoll fordert, dass Subventionen, die eine Reduktion der Treibhausgasemissionen behindern, abzuschaffen sind. So haben sich auch die Regierungschefs der G20-Gruppe verpflichtet, ineffiziente Subventionen fossiler Brennstoffe stufenweise abzuschaffen. Dadurch können Minderungspotenziale erschlossen und gleichzeitig finanzielle Spielräume geschaffen werden. U. a. die Subventionsberichte der Bundesregierung, „Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie“ und das BEHG sind wichtige Instrumente, um diese Ziele zu erreichen. Zudem hat sich die Bundesregierung bereits im Klimaschutzplan 2050 darauf verständigt, die Anreiz- und Lenkungswirkung derzeit bestehender, hoheitlich veranlasster Energiepreisbestandteile in Form von Abgaben, Umlagen und Steuern zu überprüfen und umweltschädliche Subventionen weiter abzubauen.
Wir in der SPD-Bundestagsfraktion sprechen uns seit langem für eine breite Beteiligung aller gesellschaftlich relevanter Gruppen (Nichtregierungs-Organisationen, Kirchen, Gewerkschaften etc.), aber auch der Bürgerinnen und Bürger aus. Gerade bei Themen, die langfristige Auswirkungen haben, neue Weichenstellungen bedeuten und erhebliche gesamtgesellschaftliche Folgen haben (insbesondere hohe Kosten), wie z.B. beim Atomausstieg oder der Energiewende/Kohleausstieg, ist es hilfreich in einem breiten Diskussionsprozess zu einem gesellschaftlichen Konsens zu kommen, der über viele Jahre hält. Die Arbeit der Endlager-Kommission ist ein gelungenes Beispiel dafür. Auch die Arbeit der Strukturwandelkommission wurde als Blaupause für die Lösung gesellschaftliche Konflikte und Herausforderungen angesehen.
Seit 2015 wird das Aktionsbündnis Klimaschutz federführend von Svenja Schulze organisiert. Das ist das zentrale Dialogforum zur kontinuierlichen Diskussion klimaschutzpolitischer Positionen zwischen den gesellschaftlichen Gruppen mit der Bundesregierung. Es unterstützt die Bundesregierung bei der Erreichung der Klimaschutzziele für Deutschland und erkennt die Mitverantwortung seiner Mitglieder für das Gelingen der Transformation zu einer weitgehend treibhausgasneutralen Gesellschaft bis spätestens 2050 an. Mittlerweile ist es weitgehend gesellschaftlicher Konsens, dass wir in Deutschland, aber auch international, mehr für den Klimaschutz tun müssen. Dabei muss allerdings immer bedacht werden, dass es nicht einen einzigen richtigen Weg hin zu Klimaneutralität gibt. Wir alle in der SPD-Bundestagsfraktion sind gut beraten, bei einem so wichtigen Thema einander zuzuhören und miteinander die Vor- und Nachteile verschiedener Ansätze zu bewerten. Deshalb danke ich Ihnen an dieser Stelle für die dargelegten Aspekte. Ich bin mir sicher, dass wir mit dem Zukunftsprogramm der SPD (siehe Zukunftsmission „Klimaneutrales Deutschland“) bereits wichtige Schritte in die richtige Richtung getan haben.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Informationen weitergeholfen zu haben und stehe bei Rückfragen gerne zu Ihrer Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Petry