Frage an Christian Michalak von Andreas D. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Michalak,
die Gleichberechtigung der Frau kann als weitgehend verwirklicht angesehen werden. Woran es jedoch völlig mangelt und was daher in den nächsten Jahren an Bedeutung immens zunehmen wird, ist die Gleichberechtigung des Mannes. Die ist dringend notwendig, denn Männer werden heutzutage in vielen Bereichen benachteiligt:
- schon im Schulbereich konzentriert sich die Förderung weitgehend auf Mädchen, hier vor allem auf die Fächer Mathematik/Naturwissenschaften. Obwohl Jungen in ihren Schulleistungen immer mehr hinter den Mädchen zurückfallen und schon daher einer verstärkten Förderung bedürften, wird für sie kaum etwas getan. Maßnahmen der Politik zur Behebung der personellen Schieflage im Primarbereich (kaum männliche Erzieher und Grundschullehrer) lassen bislang auf sich warten.
- das geltende Scheidungs-, Unterhalts- und Familienrecht benachteiligt Männer, vor allem Väter, in eklatanter Weise. Schon mehrfach ist die Bundesrepublik vom Europäischen Gerichtshof verklagt worden, weil dieser die Menschenrechte der betroffenen Männer verletzt sah. Geschehen ist bislang nichts, diesem Zustand abzuhelfen.
- es gibt zwar einen Frauen-, aber keinen Männer-Gesundheitsbericht, und das, obwohl Männer im Schnitt sechs Jahre früher sterben als Frauen. Die Forschungsausgaben für Brustkrebs liegen um ein Vielfaches über denjenigen für Prostata- und Hodenkrebs; in den Genuss einer Hautkrebs-Vorsorgeuntersuchung kommen Frauen 15 Jahre eher als Männer.
- obwohl eine Vielzahl von wissenschaftlichen Dunkelfeld-Untersuchungen ergeben hat, dass Frauen genau so häufig häusliche Gewalt ausüben wie Männer, verbreitet die Politik nach wie vor die Falschaussage, es seien vor allem (oder gar fast ausschließlich) die Männer, die hier als Täter in Erscheinung träten. Von staatlicher Seite her werden Männer somit zu Unrecht als häusliche Gewalttäter diffamiert.
Sehr geehrter Herr Dettbarn,
vielen Dank füi Ihre Frage.
wenn Sie die Gleichberechtigung der Frauen als weitgehend verwirklicht ansehen, zeugt das davon, dass sie sich mit der Materie noch nicht besonders intensiv befasst haben dürften. Hier nur ein paar Zahlen für Sie, die Ihnen zeigen, dass es bis zur Gleichberechtigung noch ein weiter Weg ist: Heute sind nach wie vor in den Fürhungspositionen der Wirtschaft knappe zehn Prozent Frauen zu finden, unter den ProfessorInnen sind gerade 14 Prozent weiblich. Durchschnittlich verdienen Frauen 30 Prozent weniger als Männer - und im Alter sind sie deutlich schlechter abgesichert. Dabei erledigen Sie zwei Drittel der gesellschaftlichen (unbezahlten) Aufgaben, das sind vor allem die Erziehung der Kinder und die Pflege älterer Menschen. Daher halte ich es für unangemessen, von einer Benachteiligung der Männer zu sprechen. Sie müssen auch immer bedenken, dass der bisherige Forschungsmainstream auf allen Ebenen vom Mann ausging. Es gibt allerdings einige Bereiche, in denen die Geschlechterforschung allmählich entdeckt, dass hier auch explizit etwas auf der Seite der Männer verändert werden muss. In den meisten Bereichen, die Sie anführen, liegen Ihnen allerdings falsche Informationen vor:
Was die Förderung der Jungen betrifft: Auch wir wünschen uns mehr Männer in den Erziehungs- und Pflegeberufen. Die Schulen und Kindergärten suchen nach männlichem Personal, um den Jungen auch gute männliche Rollenmodelle zu präsentieren - der Beruf stünde den Männern weit offen Das Problem liegt darin, dass nur sehr wenige Männer Pflege- und Erziehungsberufe reizvoll finden - zum einen wegen der schlechten Bezahlung, zum anderen aufgrund eines nach wie vor stark in der Gesellschaft verankerten Rollendenkens, nach dem Pflege- und Erziehungsberufe weibliche assoziiert werden. Wir können die Männer nicht zum passenden Studium oder zur Ausbildung zwingen. Um etwas zu ändern, setzen wir auf Motivation und Erziehung - es muss uns gelingen, die immer noch bestehenden Rollenklischees abzuschaffen. So gibt es inzwischen zum Beispiel den Boys´ Day, der Jungen einmal im Jahr einen Tag lang in die entsprechenden Berufe hineinschnuppern lässt. Es ist aber meines Wissens nicht richtig, dass Mädchen übermäßig in den mathematischen Fächern gefördert werden. Ich höre eher andere Klagen - dass viele Lehrer nach wie vor mit ihren Rollenbildern im Kopf den Mädchen keine guten mathematischen Leistungen zutrauen und sie entsprechend behandeln und benoten.
Zum geltenden Sorgerecht: Derzeit ist eine gemeinsame Sorge nur dann möglich, wenn einvernehmlich eine entsprechende Sorgeerklärung ausgesprochen wird - unabhängig vom Zusammenleben der Eltern und gemeinsamer Pflichtenübernahme. Gegen die Zustimmung der Mutter hingegen ist eine gemeinsame Sorge beider Elternteile nicht möglich. Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass es zur gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung sowohl eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern als auch eines Mindestmaßes an Übereinstimmung und einer Ausrichtung am Kindeswohl bedarf. Das finden wir richtig. Innerhalb der grünen Fraktion gibt es aber starke Stimmen, die sich für die Möglichkeit einer so genannten Einzelfallentscheidung für Fälle aussprechen, in denen sich die allein sorgeberechtigte Mutter weigert, eine Mitsorge des Kindsvaters zuzulassen. Wenn der nicht mit der Mutter verheiratete Vater willens und in der Lage ist, die elterliche Verantwortung für das gemeinsame Kind in gleicher Weise wie die Mutter zu tragen und dies auch tatsächlich tut, sollte eine gerichtliche Einzelfallentscheidung zugunsten der gemeinsamen Sorge auch gegen den ausdrücklichen Willen der Mutter möglich sein. Diese gerichtliche Prüfung sollte nicht an das gemeinsame Familienleben im Sinne einer tatsächlichen gemeinsamen elterlichen Sorge gebunden sein, sondern auch für Fälle gelten, in denen der Vater seinen Anteil an elterlicher Fürsorge erfüllt und vornehmlich am Willen der Mutter gescheitert ist. Sollte die Mutter die gemeinsame Sorge, wie vom Gesetzgeber in der bestehenden Regelung unterstellt, aus schwerwiegenden Gründen nicht befürworten, werden diese Gründe auch in der Einzelfallprüfung Bestand haben. Sie sollten dabei aber nicht vernachlässigen, dass heute nur sehr wenige Väter willens sind, auch wirklich Erziehungsverantwortung für ihre Kinder zu übernehmen. So nehmen beispielsweise gerade fünf Prozent aller Väter einen Teil des Erziehungsurlaubs.
Unterhaltsrecht:
Derzeit liegt uns eine Reform des Unterhaltsrechts des Bundesjusitzministeriums vor, die wir sehr bejahen. Zum einen ist eine Reform des Unterhaltsrechts dringend notwendig, um das Kindeswohl zu stärken, mehr Eigenverantwortung der Ehegatten nach Ende der Ehe zu fördern und Unterhaltsberechnungen, gerade im Mangelfall, zu vereinfachen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf befindet sich bereits im parlamentarischen Verfahren. Er sieht eine neue Rangordnung der Unterhaltsberechtigten vor, die dem Kind den ersten Rang vorbehält, gefolgt von Kinder betreuenden und damit unterhaltsbedürftigen Elternteilen oder lang verheirateter Ehepartner. Erst an dritter Rangfolge steht der geschiedene kinderlose oder nicht mehr betreuende Ehepartner mit eigenen Unterhaltsansprüchen. Diese Gewichtung ergibt sich daraus, dass ein gewisser Vertrauensschutz für die Frauen zu gewährleisten ist, die bei langer Ehedauer Vertrauen in die eheliche Solidarität gesetzt haben. Meist beschließen beide Elternteile über die Arbeitsteilung in der Familie. Häufig ist - heute leider noch - die volle Erwerbstätigkeit des einen Partners - meist des Mannes - nur möglich, wenn die andere - meist die Frau - einen großen Teil ihrer Arbeitskraft für die Versorgungsarbeit der Kinder aufwendet. Auch diese Arbeit trägt zum Familieneinkommen bei. Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, setzen wir uns für den Ausbau der Kinderbetreuung und eine Abschmelzung des Ehegattensplittings ein.
Der "frühere Tod der Männer" hat seine Ursache in erster Linie in ihrem ungesünderen Lebenswandel - das beweisen zahlreiche Studien. Sie übersehen bei Ihrer Kritik am Frauengesundheitsbericht, dass der medizinische Mainstream bisher immer vom männlichen Körper ausgegangen ist. So wurden viele Krankheiten bei Frauen nicht erkannt (z.B. Herzinfarkte), auch Medikamente wurden nur an Männern getestet. Generell setzt sich in der Medizin erst langsam die Erkenntnis durch, dass Männer und Frauen unterschiedlich krank sind, und dass auch Medikamente unterschiedlich auf die Geschlechter wirken. Insofern hat die Forschung bei den Frauen hier noch einiges nachzuholen - gute Gründe für Fachleute aus dem Gesundheitsbereich, sich zunächst einmal ausführlicher mit der Frauengesundheit zu befassen. Das soll aber nicht bedeuten, dass es nicht langfristig nötig wäre, auch zu fragen, wo die Medizin bei Männern nicht genau genug hinsieht. Welche "(Vorsorge)Untersuchungen" für wen von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden, legt nicht die Politik sondern ein Gremium der Selbstverwaltung - der gemeinsame Bundesausschuss in dem Ärzte (Krankenhäuser) und Krankenkassen vertreten sind - fest. Diese beraten mit medizinischen Sachverstand, welche Untersuchungen den notwendigen Qualitätsanforderungen entsprechen und ob das Angebot einer Befund unabhängigen Untersuchung aus medizinischen Gründen gerechtfertigt ist. Adressat Ihrer Frage müsste daher der gemeinsame Bundesausschuss (www.g-ba.de) sein.
Was die häusliche Gewalt betrifft: Wir reden hier ja nicht über die Gewalt gegenüber Kindern, sondern unter PartnerInnen. Das ist ein wichtiger Unterschied. Eine erst im Herbst vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend herausgegebene repräsentative Studie zur Gewalt gegen Männer hat gezeigt, dass Männer, selbst wenn sie häusliche Gewalt durch ihre Partnerin erleben, davon nicht existenziell bedroht sind. Jahr für Jahr ziehen ca. 200.000 Frauen mit ihren Kindern in Frauenhäuser, weil Leib und Leben bedroht sind. Wenn Männer in der Studie vom Herbst 2004 überhaupt mal von körperlicher Gewalt durch ihre Partnerinnen sprachen - das Problem wäre fast zu klein gewesen, um in der Statistik aufzutauchen - dann ging es dabei um Handgreiflichkeiten, die das Leben der Männer nicht einmal annähernd in Gefahr brachten - Schubser, Bisse, Kratzer. Ein ernsterer Fall kam in dieser Umfrage nicht vor. Die meiste Gewalt, die Männer bedroht, geht von Männern aus.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Michalak