Frage an Christian Lange von Erwin R. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Lange,
was versteht eigentlich die Politik heute noch als "Wirtschaftspolitik"? Ich kann mich noch gut erinnern, dass es ein Zeit gab, in der die Politik steuernd in den Wirtschaftskreislauf eingegriffen hat. So gab es z.B. Dämpfungsmaßnahmen bei überhitzter Konjunktur um Preisauftriebe zu verhindern. Was passiert heute, Wirtschaftspolitik im Biergarten von Hr. Glos? wieso reagiert die Politik nicht auf die steigenden Energiepreise, die in naher Zukunft von vielen Bürgern nicht mehr bezahlt werden können. Dies sind doch die Auswüchse sind doch die Folge der Privatisierungen die unter der Aera Kohl vorgenommen wurden. Ist das der versprochene Wettbewerb? Und die SPD? beschäftigt sich mit sich selber, lässt sich klassische SPD-Ideen und sozialdemokratische Politik von einer CDU/CSU wegnehmen.
Was der Bürger derzeit an Politik erlebt ist leider ein Trauerspiel.
Mit freundlichen Grüßen
Erwin Ritz
Sehr geehrter Herr Ritz,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 25.05.2008, das mich über „abgeordnetenwatch.de“ erreicht hat.
Sie sprechen in Ihrem Schreiben in der Tat ein schwieriges Problem an auf das ich zuerst eingehen möchte. Den Verbraucherinnen und Verbrauchern laufen die Energiekosten davon. Nach immer höheren Stromkosten und dem Schock an den Zapfsäulen muss nun auch mit zum Teil drastischen Gaspreiserhöhungen gerechnet werden. Ein Anstieg von bis zu 30 Prozent wird prognostiziert, was für viele Haushalte kaum mehr tragbar ist.
In Deutschland ist der Gaspreis vertraglich an den Ölpreis gekoppelt, Öl ist gewissermaßen die Leitwährung. Der Ölpreis hat sich innerhalb eines Jahres verdoppelt und befindet sich auf einem nie zuvor dagewesenen Höchststand. Mit halbjähriger Verzögerung passen sich die Gaspreise diesem Preisboom an. Aufgrund dieser Tatsache müssen wir uns ernstlich fragen, ob die eine Energiequelle in dieser Form an den Preis einer anderen gekoppelt sein muss. Die Ölpreisbin-dung ist gesetzlich nicht verankert, sondern eine internationale, brancheninterne Vereinbarung zwischen ausländischen Produzenten und den deutschen Importeuren. Ursprünglich diente sie der Sicherung von Investitionen im Bereich der Förderung und Leitung von Erdgas. Dies ist aber vor dem Hintergrund der aktuellen Ölpreise nicht mehr zu rechtfertigen. Gas muss einen eigenen Marktpreis erzielen, deshalb muss die Bindung aufgehoben werden. Die hochspekulative Entwicklung des Ölpreises darf nicht Maßstab für Preiserhöhungen in gleichem Umfang in anderen Bereichen sein. Die Verbraucherinnen und Verbraucher können aber auch wie bereits im Strombereich - selbst aktiv werden. Viele Versorger bieten Preisgarantien zum Beispiel für ein Jahr an, so dass unvorhergesehene Erhöhungen ausbleiben. Der Anstieg der Rohstoff- und Beschaffungskosten, der als Grund für die Erhöhung der Energie-preise genannt wird, kann den rasanten Preisanstieg nur teilweise rechtfertigen. Wenn die Strom- und Gaspreise steigen und gleichzeitig die großen Energieversorger Rekordgewinne einfahren, sorgt das für berechtigten Unmut bei vielen Verbrauchern, und auch bei mir. Wir müssen vor unangemessenen Energiepreisen geschützt werden.
Am 30.06.2007 endete die Preiskontrolle durch die staatlichen Prüfstellen der Länder. Diese können die neuen Preise nun nicht mehr überprüfen. Und genau in dieser Situation erfolgten die Strompreiserhöhungen insbesondere durch die großen Energiekonzerne. Die Energiekonzerne können überhöhte Preise verlangen, da es im Strom- und Gasmarkt noch keinen ausreichend funktionierenden Wettbewerb gibt und die vier großen Energiekonzerne immer noch 80% der Erzeugungskapazität im Strombereich halten. Von Mitte des Jahres 2008 an ist das Bundeskartellamt für die Überwachung der Strom- und Gaspreise zuständig. Um die Kontrollmöglichkeiten des Bundeskartellamts zu stärken, hatte das Bundeskabinett eine Änderung des Wettbewerbsrechts beschlossen um die Missbrauchsaufsicht im Gas- und Strombereich zu verbessern. Der Deutsche Bundestag hat im November 2007 das Gesetz zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung und des Le-bensmittelhandels verabschiedet. Der neue § 29 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) konkretisiert das gelten-de allgemeine Missbrauchsverbot für marktbeherrschende Strom- und Gasanbieter. Er soll es insbesondere den Kartellbehörden erleichtern, Preise zu untersagen, die die Kosten unangemessen überschreiten oder die Preise von Vergleichsunternehmen erheblich übersteigen. Im Kartell-verfahren tragen die Unternehmen die Beweislast für die sachliche Rechtfertigung. Demnach muss das Energieversorgungsunternehmen nachweisen, dass seine Preise gerechtfertigt sind. Bis
her musste der Verbraucher nachweisen, dass die geforderten Preise überhöht sind. Von dieser Neuregelung profitieren die Kunden und dies stärkt auch den Verbraucherschutz. Die Vorschrift ist bis 2012 befristet. Im Kern brauchen wir mehr Wettbewerb auf den Strom- und Gasmärkten. Dafür haben wir be-reits im Herbst 2006 ein ganzes Bündel von Maßnahmen auf den Weg gebracht, die nun umgesetzt werden.
Anfang November 2007 ist eine neue Regelung für einen wirtschaftlichen Netzbetrieb in Kraft getreten. Im Interesse der Energieverbraucher sorgen wir mit ihr für sinkende Kosten in den Strom- und Gasnetzen. Dazu werden Netzbetreiber an ihren effizienten Wettbewerbern gemessen. Aus diesem bundesweiten Effizienzvergleich werden Obergrenzen für die Erlöse der Netz-betreiber ermittelt und vorgegeben. Wir brauchen neue Kraftwerke, vor allem von neuen Anbietern, das fördert den Wettbewerb. Dazu soll die seit Sommer 2007 geltende Kraftwerks-Netzanschlussverordnung beitragen, mit ihr wird der Anschluss neuer Kraftwerke ans Stromnetz nicht nur garantiert, sondern auch beschleunigt und erleichtert. Den flankierenden kartellrechtlichen Schutz brauchen wir, bis die strukturellen Maßnahmen für mehr Wettbewerb auf den Energiemärkten in den nächsten Jahren Wirkung zeigen. Damit aber nicht genug, wir müssen erreichen, dass immer mehr neue Anbieter in den Strom- und Gasmarkt einsteigen und damit den Wettbewerb erhöhen. Neben staatlichen Kontrollen halte ich aber auch Entscheidungen der Verbraucher zum Wechsel ihres Strom- oder Gasanbieters für wichtig, um den Wettbewerb in Deutschland zu verstärken.
Darüber hinaus hat die SPD bereits jetzt ein Steuer- und Abgabenkonzept für die nächste Legisla-turperiode vorgelegt, das v.a. die unteren und mittleren Einkommensgruppen von Abgaben ent-lasten wird, ohne Leistungen einzuschränken. Auch das wird helfen, den gestiegenen Energie-preisen Rechnung zu tragen.
Bezüglich Ihrer Fragen zur Wirtschaftspolitik von Bundeswirtschaftsminister Glos möchte ich Sie gerne an ihn persönlich verweisen. Oder Sie befragen hierzu die Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Lange