Frage an Christian Lange von Dirk L. bezüglich Finanzen
Ich arbeite seit 22 Jahren in Wertheim / Main, musste aus familiären Gründen 2003 nach Murrhardt ziehen. Um meine Arbeitsstelle nicht zu verlieren, kaufte ich mir ein kleines Wohnmobil, in dem ich unter der Woche wohne. Aufgrund der Benzinpreiserhöhungen fällt es mir bei einem Nettolohn von ca.1200 € immer schwerer diesen Status zu halten. Als unterhaltspflichtiger, geschiedener Vater, werde ich wie ein Junggeselle besteuert, so dass ich nicht einmal durch Mehrarbeit mein Einkommen erhöhen könnte. Jetzt kommt auch noch eine Kfz-Steuererhöhung und Nachzahlung rückwirkend bis Januar 2006 dazu. Hat unsere Volksvertretung eigentlich nichts besseres zu tun, als der arbeitenden Bevölkerung das Leben schwer zu machen? Wann kommen die versprochenen Steuererleichterungen für den Bürger? Die Regierung kann doch nicht nur im Sinn haben ihr Volk zu melken bis nichts mehr geht.
Sehr geehrter Herr Leucht,
vielen Dank für Ihre Email vom 12. November 2007, die Sie mir über Abgeordnetenwatch geschickt haben. Sie können sich in Zukunft jederzeit natürlich auch direkt an mich wenden – alle meine Kontaktdaten finden Sie auf meiner Homepage: www.lange-spd.de.
Ich habe Ihre Email mit Interesse gelesen und möchte natürlich auf einige Punkte eingehen.
Zunächst ist mir persönlich bekannt, dass natürlich ein Wohnmobil sehr viel Sprit verbraucht – insbesondere auf weite Strecken. So weit ich es einschätzen kann, liegt die Entfernung zwischen Wertheim/Main und Murrhardt sicherlich bei ca. 150 km, wenn ich mich nicht irre.
Ich kenne natürlich nicht den Grund, aus welchen familiären Gründen Sie in Murrhardt – und damit weit weg von Ihrer Arbeitsstelle – leben, aber prinzipiell müssen, gerade auch auf Grund der Globalisierung, wir alle in Zukunft flexibler werden. Das beinhaltet auch, bereit zu sein, in der Nähe der Arbeitsstelle zu ziehen. Das ist oft sicherlich nicht angenehm, aber wir müssen uns der heutigen Realität auf dem Arbeitsmarkt stellen.
Daher würde ich mir an Ihrer Stelle auf jeden Fall zunächst einmal durchrechnen, ob es nicht günstiger kommt, ein Sprit sparendes Kleinauto zu kaufen und sich in Wertheim ein Zimmer zu nehmen.
Doch nun zu die von Ihnen angesprochenen Neuregelung der Wohnmobilbesteuerung:
Ihre Verärgerung über die finanzielle Mehrbelastung kann ich gut verstehen, da sich die SPD-Bundestagsfraktion immer nachdrücklich für den Verzicht auf diese Kraftfahrzeugsteuererhöhung eingesetzt hat.
Auslöser der langjährigen Debatte über die Wohnmobilbesteuerung war, wie Sie womöglich wissen, die Abschaffung des Steuerprivilegs für schwere Geländewagen durch die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2004. Die damalige Änderung der StVZO sahen einige CDU/CSU-regierte Länder als Chance, ab Mai 2005 nicht nur diese Fahrzeuge, sondern auch Wohnmobile mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 2,8 t als Pkw – nach Hubraum und Schadstoffausstoß – und damit um ein Vielfaches höher zu besteuern als zuvor.
Um diese politisch nie beabsichtigte Wirkung zu verhindern, schlug Nordrhein-Westfalen, damals noch unter Ministerpräsident Steinbrück, im April 2005 im Bundesrat vor, alle Wohnmobile nach Gewicht zu besteuern. Die von der SPD-Bundestagsfraktion unterstützte Initiative hätte jedoch zu Steuermindereinnahmen geführt und fand deshalb nicht die Zustimmung der Länder, denen das Aufkommen aus der Kraftfahrzeugsteuer vollständig zusteht. Stattdessen einigten sich die Länder tatsächlich darauf, Wohnmobile kraftfahrzeugsteuerlich ab 2006 generell als Pkw zu behandeln. Die daraus erwarteten Steuermehreinnahmen bezifferte der vom Bundesrat Ende 2005 beschlossene Gesetzentwurf auf 70 Mio. €/Jahr "mit steigender Tendenz in den Folgejahren".
Nicht nur bei Wohnmobilhaltern und ihren Verbänden, sondern auch bei der SPD-Bundestagsfraktion und der Bundesregierung stieß dieser Vorschlag auf einhellige Ablehnung. Entsprechend schwierig gestalteten sich die Verhandlungen der Koalitionsfraktionen mit den Ländervertretern über den vorgelegten Gesetzentwurf. Der im Herbst 2006 gefundene Kompromiss überzeugt steuersystematisch, wie uns auch der ADAC bestätigte:
Mit der Einführung eines gesonderten durchgängigen Tarifs beseitigten wir die sachlich nicht gerechtfertigten Brüche in der bisherigen Besteuerung der Wohnmobile und damit die Anreize zur Steuergestaltung durch Auflastung. Die Halter der zuvor vergleichsweise hoch besteuerten Dieselfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis 2,8 t werden finanziell begünstigt. Die neue Steuerbemessung nach Gewicht und Schadstoffausstoß orientiert sich an der Lkw-Besteuerung, was der ADAC – als auch umweltpolitisch geboten – selbst vorschlug und ausdrücklich begrüßte. Und nicht zuletzt erkannten wir mit dem eigenen Tarif die von den Betroffenen vorgetragene besondere Zweckbestimmung der Wohnmobile an, was bei künftigen Änderungen der Kraftfahrzeugsteuer zu beachten sein wird.
Trotzdem führt die Neuregelung in vielen Fällen zu einer, wenn auch gegenüber dem Bundesratsentwurf maßvolleren, höheren steuerlichen Belastung als vor 2006, wogegen sich auch Ihre Kritik wendet. Denn es gelang uns zwar, die von den Ländern angestrebten Mehreinnahmen auf 50 Mio. €/Jahr zu begrenzen. Die Steuererhöhung als solche ebenso wie der Zeitpunkt ihres Inkrafttretens war aus Sicht der Länder jedoch nicht verhandelbar. Längere Übergangsfristen wären nach meiner Überzeugung wünschenswert gewesen, um gerade die Halter älterer Wohnmobile der Schadstoffklasse Euro 0 finanziell nicht übermäßig zu belasten. Aber selbst dies wurde von den Landesfinanzministern nicht akzeptiert.
Soviel zu der von Ihnen angesprochenen Erhöhung.
Nun zu Ihrer Frage, wann denn Steuererleichterungen für den Bürger kommen.
Wie Sie sicherlich der Presse entnommen haben, hat die Bundesregierung jüngst in dieser Woche beschlossen, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung auf 3,3% zu senken – das heißt nicht nur niedrigere Lohnnebenkosten, mehr Arbeitsplätze, sondern eben auch mehr Geld in den Taschen der Arbeitnehmer!
Darüber hinaus hat die rot-grüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder die Steuern in Deutschland massiv gesenkt:
So wurde zum 1. Januar 2005, also noch unter Rot-Grün, die letzte Stufe der Steuerreform 2000 mit einer weiteren Senkung des Eingangssteuersatzes auf 15 % und des Höchststeuersatzes auf 42 % in Kraft treten. Die mit der Steuerreform 2000 verbundenen Tarifabsenkungen entlasten alle Einkommensteuerzahler, insbesondere Arbeitnehmer und Familien mit kleinen und mittleren Einkommen sowie mittelständische Unternehmen. Mit der Steuerreform 2000 ist das größte Steuersenkungsprogramm in der deutschen Nachkriegsgeschichte erfolgreich umgesetzt worden. Die Steuerzahler werden durch die seit 1999 insgesamt in Kraft gesetzten steuerlichen Maßnahmen bis 2009 mit einem jährlichen Volumen von über 59 Mrd. € nachhaltig entlastet.
Zum Vergleich: als die SPD 1998 gewählt und die Kohl-Ära endlich beendet wurden, lag der Einkommensteuersatz bei 25,9%, der Spitzesteuersatz bei 53%; wir haben uns dafür eingesetzt, dass 2005 der Einkommensteuersatz nur noch bei 15%, der Spitzensteuersatz bei 42% lag.
Wie Sie sehen, treten wir Sozialdemokraten sowohl für Steuerentlastungen ein, die jedoch in einem vernünftigen Verhältnis zur Konsolidierung des Haushaltes stehen muss. Schließlich bedeuten die Schulden von heute die Steuererhöhungen von morgen, und das kann kein Ziel verantwortungsvoller Politik sein, so wie wir sie verstehen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen hiermit meinen Standpunkt deutlich machen. Bei Rückfragen können Sie sich selbstverständlich auch in Zukunft jederzeit gerne direkt an mich wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Lange