Frage an Christian Lange von Thomas B. bezüglich Finanzen
Hallo H. Lange,
als ihr Souverän habe ich ein paar Fragen, lassen Sie uns hierzu die Politik der rot-grünen und der schwarz-roten Bundesregierung näher betrachten.
1. Die Kilometerpauschale wird gekürzt
2. Die Zuschüsse zu den Bahnverbindungen im ländlichen Raum werden gekürzt
(Kürzung der Regionalisierungsmittel)
3. Die Feinstaubverordnung soll zum Neuwagenkauf zwingen
4. Mieten in den Großstädten sind für den Normalverdiener nicht mehr bezahlbar.
Die Maßnahmen und ihre Zusammenhänge im Ursachen-Wirkungsgefüge:
Nach der Kürzung der Kilometerpauschale, sind viele auf die Bahn umgestiegen. Die vollen Züge zur Hauptverkehrszeit wurden damit noch voller. Da die Verkehrszählungen der Bahn außerhalb der Hauptverkehrszeiten stattfinden, weil das Zählpersonal gar nicht durchkommt, fällt das gar nicht auf. Ich spreche aus eigener Erfahrung. In meinen Bahnfahrzeiten, fanden diese Zählungen nur außerhalb der Hauptverkehrszeiten statt.
Die Kürzung der Regionalisierungsmittel führte in Ba-Wü zur Kürzung der bestellten Bahnkilometer. Der arbeitende Mensch muss zur Arbeit, steigt deswegen wieder ins Auto um.
Da kommt schon die nächste Keule. Ist das Auto nicht schadstoffarm, so haben Berlin und die Länder beschlossen, darf das Auto nicht mehr in die Stadt. Nachrüstpaket für die vielverkauften Diesel auf Euro 4?! Einem
Bericht von "Auto-Motor und Sport" vom vergangen Freitag im TV zur Folge, erhöht sich mit diesen offenen Dieselpartikelfiltersystemen der Kraftstoffverbrauch um 3% und die Stickoxidbelastung um 20%, weil sich das
von den Herstellern sorgfältige ausgeklügelte Abgasverhalten gestört wird. Neues Auto? Fehlanzeige, der Euro und die MwSt-Erhöhung haben die Einkommen um massiv gesenkt und die Produktpreise gleich gelassen.
Wie Hohn klingt da die Aussage der Kanzlerin "Deutsche sollen häufiger Bus und Bahn fahren!" Wohin und womit den? Es fährt ja fast nichts mehr!
(Textfeld zu kurz)
Wie stehen Sie dazu
MfG Bittl
Sehr geehrter Herr Bittl,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 5. Februar 2007, die ich gerne ausführlich beantworten möchte, um auch etwaigen Missverständnissen vorzubeugen.
Bei all der Kritik, die ich teilweise nachvollziehen kann, darf ich Sie darauf hinweisen, dass sich die Bundespolitik aufgrund der föderalen Strukturen nicht für alles verantwortlich zeichnet, was Sie in Ihrer Anfrage kritisch hinterleuchtet haben.
Die Lage der öffentlichen Haushalte hat sich seit Mitte der neunziger Jahre ständig verschlechtert. Der Konsolidierungsdruck ist hoch, wenn wir der nachfolgenden Generation tragfähige Staatsfinanzen übergeben wollen. In den vergangenen Jahrzehnten wurden die Leistungen des Staates ständig stärker ausgeweitet als die wirtschaftliche Basis dafür gewachsen ist. Diese Aufgaben- und Ausgabendynamik hat eine Verschuldungsspirale in Gang gesetzt, die durchbrochen werden muss.
Nun ist eine Konsolidierung sowohl auf der Ausgaben- als auch auf der Einnahmeseite nötig, die nicht ohne spürbare Einschnitte erreichbar ist. Gleichwohl sind die belastenden Maßnahmen an den Gesichtspunkten der individuellen Leistungsfähigkeit und der Verteilungsgerechtigkeit ausgerichtet und im Ergebnis zumutbar ausgestaltet.
Dementsprechend enthält das Steueränderungsgesetz 2007 Maßnahmen, die einen weiteren spürbaren Beitrag zur Stabilisierung des Steueraufkommens leisten sollen, zugleich der Steuervereinfachung dienen und das Streitpotential im Verwaltungsvollzug begrenzen.
In diesem Kontext ist die Kürzung der Entfernungspauschale zu sehen: Seit Anfang des Jahres sind Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte bzw. Arbeitsstätte nicht mehr als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar. Mit dieser Regelung wird bei Fahrtkosten grundsätzlich dem sog. „Werkstorprinzip“ Geltung verschafft. Danach wird ausschließlich die Arbeitsstätte der Berufssphäre zugeordnet und das Wohnen dem Privatbereich.
Wegen der Verbindung nicht nur zur Arbeit sondern auch zur Wohnung handelt es sich nach überwiegender Auffassung hierbei um gemischte Aufwendungen, also um Aufwendungen, die auch die Lebensführung betreffen. Bei gemischten Aufwendungen ist es dem Gesetzgeber möglich, über den Umfang der Abziehbarkeit und Nichtabziehbarkeit zu entscheiden.
Dabei bleibt aber nicht unberücksichtigt, dass eine Reihe von Steuerpflichtigen überdurchschnittlich weite Wege zur Betriebsstätte/Arbeitsstätte zurücklegen. Deswegen enthält die Neuregelung Härteregelungen für Wegstrecken über 20 Kilometer. Dem Umstand überdurchschnittlicher Entfernung (bei den sog. „Fernpendlern“) wird dadurch Rechnung getragen, dass Aufwendungen für mehr als 20 Entfernungskilometer in Höhe von 0,30 Euro pro Entfernungskilometer wie* *Werbungskosten abgezogen werden können.
Die Kürzung der Kilometerpauschale mit der Kürzung der Regionalisierungsmittel in einen Kontext zu stellen, ist der Sache nicht dienlich. Zur letzteren möchte ich zur Erläuterung zunächst die Historie des Gesetzes darstellen: Das Regionalisierungsgesetz wurde im Rahmen der Bahnreform verabschiedet und trat am 1. Januar 1996 in Kraft. Bund und Länder haben mit der Regionalisierung die Finanzierung des öffentlichen Personenverkehrs auf eine neue Grundlage gestellt. Mit dem Regionalisierungsgesetz stellt der Bund den Ländern umfassende Finanzmittel aus seinem Steueraufkommen zur Verfügung, die diese zur Finanzierung der Verkehrsleistungen im Schienenpersonennahverkehr (SPNV), aber auch investiv zur Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs einsetzen können.
2002 wurde das Regionalisierungsgesetz novelliert. Ausgehend von einem Basiswert von 6,745 Milliarden Euro für 2002 wurde eine Dynamisierung von jährlich 1,5 Prozent festgeschrieben. 2005 erreichten die Regionalisierungsmittel das Rekordniveau von 7,05 Milliarden Euro.
Der SPNV ist das Rückgrat des öffentlichen Verkehrssystems. Ohne den SPNV ließen sich die großen Verkehrsströme in der Fläche und hin zu den Ballungszentren nicht bewältigen. Er entlastet Städte und Ballungsräume vom Autoverkehr, er sichert gleiche Lebensverhältnisse in den Regionen und er leistet einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz.
Der Kompromiss über die Kürzung der Regionalisierungsmittel des Bundes, den Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und die Länder gefunden haben, schafft Planungssicherheit. Nun liegt es an der Landesregierung, welche Priorität sie dem Nahverkehr in der Zukunft einräumt.
Ich habe mich bisher bei den Diskussionen um die Regionalisierungsmittel bewusst herausgehalten, weil es in erster Linie Landespolitik ist, wie mit den Fördermitteln des Bundes weiter verfahren wird. Die Landesregierung kann die Verantwortung für Fehlplanungen im ÖPNV allerdings nicht auf den Bund abschieben, da sie selbst auch von der im Haushaltsbegleitgesetz festgelegten Erhöhung der Mehrwertsteuer profitiert. Von den Mehreinnahmen steht den Ländern ein Prozentpunkt zu.
Aufgrund dessen ist es der baden-württembergischen Landesregierungen unbenommen, diese Mittel auch für den Erhalt und den Ausbau von Verkehrswegen einzusetzen.
Die Länder insgesamt erhalten etwa im Jahr 2007 556,4 Millionen Euro weniger an Regionalisierungsmitteln, in der Summe werden ihre Haushalte aber 2007 durch die Maßnahmen des Haushaltsbegleitgesetzes um 5,8 Milliarden Euro – also um das 10fache – entlastet. Die Länder erhalten damit eine Kompensation für die Kürzungen der Regionalisierungsmittel und haben ausreichend Spielraum, eigene Mittel für den öffentlichen Personenverkehr einzusetzen.
Aber Kürzungen der Regionalisierungsmittel müssen nicht zwangsläufig zu Fahrpreiserhöhungen oder Einschränkungen des Verkehrsangebotes führen, zumal die Bestellentgelte schätzungsweise nur zwei Drittel der Regionalisierungsmittel ausmachen. Es gibt Potentiale dafür, die Regionalisierungsmittel noch zielgerichteter und effizienter einzusetzen.
Vom Bund fließen nicht nur Regionalisierungsmittel, sondern auch 70 Prozent der Gelder aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) an die Länder. Der Bund zahlt an das Land Baden-Württemberg von 2006 bis 2009 zusätzlich zu den Regionalisierungsmitteln rund 855 Mio. Euro für Vorhaben des ÖPNV und des kommunalen Straßenbaus. Die Landesregierung Baden-Württemberg hat sich bereits in den letzten Jahren von den Zuschüssen für die Schülerbeförderung verabschiedet und damit die Eltern mit zusätzlichen Kosten belastet. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Landesregierung ihre Verantwortung für einen attraktiven Nahverkehr in Baden-Württemberg nicht ernst nimmt. Nun muss sie ihre Gestaltungsspielräume nutzen und dem öffentlichen Nahverkehr eine hohe Priorität einräumen, ohne dass die Nutzerinnen und Nutzer weiter zur Kasse gebeten werden.
Darüber hinaus hat die Landesregierung Baden-Württemberg einen äußerst ungünstigen Verkehrsdurchführungsvertrag mit der DB AG ausgehandelt, der bis 2016 läuft und eine vermehrte Ausschreibung von Nahverkehrsleistungen ausschließt. Damit hat die Landesregierung sich der Möglichkeit beraubt, durch Wettbewerb geringere Kosten und ein besseres Angebot zu erzielen.
Der Bund ist weiterhin bereit, einen hohen Beitrag zur zielgenauen und effizienten Finanzierung des öffentlichen Verkehrs zu leisten. Das Land Baden-Württemberg muss im Gegenzug aber für eine effiziente und transparente Verwendung der Mittel sorgen und in seinem Haushalt eine eigene Priorität für den öffentlichen Nahverkehr zu Gunsten eines kinder-, familien- und umweltfreundlichen Landes setzen.
Ihrer Aussage, dass die Feinstaubverordnung zum Neuwagenkauf zwinge, muss ich widersprechen. Ab dem 1. März 2007 haben die Kommunen die Möglichkeit, entsprechende Umweltzonen auszuweisen. Im Übrigen wird mit der Feinstaubverordnung eine EU-Vorgabe umgesetzt, zu deren Umsetzung die Bundesrepublik verpflichtet ist. Der Bundesrat hat jedoch bereits Änderungsbedarf an der Verordnung angekündigt – nun wird diskutiert werden müssen, wie diese Änderungen ausgestaltet werden.
Da Sie in Ihren Ausführungen auch auf die Schadstoffreduktion von Kraftfahrzeugen Bezug nehmen, möchte ich dieses Stichwort aufgreifen: Der Abgasausstoß von Kraftfahrzeugen unterliegt seit rund 40 Jahren gesetzlichen Anforderungen. Seit Anfang der 90er Jahre gibt es einheitliche, europäische Regelungen, die kontinuierlich verbessert wurden. Mit der Einführung der ersten Stufe der einheitlichen, europäischen Regelung (Euro 1) in den Jahren 1992/1993 wurde bereits der Katalysator erzwungen. Die Regelungen enthalten ausschließlich Wirkvorschriften und keinerlei Bauvorschriften. Hiermit wird unterbunden, dass alternative, innovative Entwicklungen verhindert werden. Die technische Umsetzung zum Einhalten dieser Grenzwerte obliegt somit der unternehmerischen Freiheit. Die unternehmerische Konkurrenz der Systeme beschleunigt allerdings zugleich den Prozess, neue Lösungen zur Schadstoffreduktion zu finden.
Bei der Verbesserung der Regelung orientiert man sich zum einen an den Notwendigkeiten zur Emissionsminderung und zum anderen an dem technisch Machbaren. Vor der Festlegung einer neuen Stufe wird daher genau geprüft, welche Technik bis zum Inkrafttreten zur Serienreife gebracht werden kann. Letztlich gibt das dann die Anforderungen vor, wobei auch entsprechend entwickelte alternative Technologien zugelassen werden, wenn sie die gestellten Anforderungen erfordern. Mit den künftigen Abgasstufen Euro 5 und Euro 6 werden so beispielsweise bei Diesel-Pkw Partikelfilter und Abgasreinigungseinrichtungen zur Stickstoffoxidminderung herbeigeführt.
Im Hinblick auf die Minderung des Kraftstoffverbrauchs hat man in der Vergangenheit auf eine freiwillige Vereinbarung mit der Automobilindustrie gesetzt. Hier wurde für 2008 das Ziel eines spezifischen CO2-Ausstoßes neuer Pkw von 140 g/km vereinbart. Nachdem sich jetzt abzeichnet, dass das Ziel nicht erreicht wird, haben die Verhandlungen für mögliche gesetzliche Regelungen begonnnen. Es ist aber festzustellen, dass die europäische Vereinbarung – selbst wenn sie nicht erreicht wird – mit dem bereits Erreichten weltweit die besten Ergebnisse erzielt hat. Denn der durchschnittliche CO2-Ausstoß neuer Pkw europäischer Hersteller liegt in der EU gegenwärtig bei 161 gCO2/km.
Ich hoffe Ihnen mit dieser Antwort Ihre Fragen beantwortet zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Christian Lange