Frage an Christian Lange von Arno H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Lange,
in dem Buch "Die korrupte Republik" wird ein ein Schreiben von Ihnen an die Bundeskanzlerin zitiert. Verfolgen Sie und Ihre Fraktion weiterhin einen Verhaltenskodex , der zweifelhafte Wechsel in die Wirtschaft untersagt. Der Wechsel des ehemaligen Bundeskanzlers Schröder zu Gazprom ist ja ein leuchtendes Beispiel. Aber leider ist dies kein Einzelfall, sondern wird nur herausgegriffen. Die Korruption zieht anscheinend durch fast alle Parteien und Institutionen.
Ein weiteres Anliegen ist mir persönlich, dass sich die Politik aus den öffentöich-rechtlichen Rundfunkanstalten heraushält und denen eine objektive Berichterstattung erlaubt.
Für Ihre Antwort bedanke ich mich sehr bei Ihnen und Ihrem Team.
Mit freundlcihen Grüßen
A. Härer
Sehr geehrter Herr Härer,
vielen Dank für Ihr Schreiben über „abgeordnetenwatch.de“.
Das von ihnen angeführte Schreiben an die Bundeskanzlerin in Sachen Verhaltenskodex habe ich im April 2006 geschrieben. Meine Anregung, einen Verhaltenskodex für Regierungsmitglieder einzuführen, um Schaden von Amt und Ansehen der Person abzuwenden, ist bisher leider ohne Erwiderung geblieben.
Auch eine Initiative der SPD-Bundestagsfraktion ist von der CDU im Rahmen von Koalitionsgesprächen abgelehnt worden.
Das allgemeine Wohl gebietet, dass sich die Mitglieder der Bundesregierung in der Öffentlichkeit und im Privatleben der Würde ihres Amtes gemäß verhalten. Ihre Unabhängigkeit gewährleisten sie namentlich dadurch, dass sie alle Interessenkonflikte vermeiden. Es kommt vor allem dann zu Irritationen, wenn die Betreffenden in eine Position wechseln, in der sie mit denselben oder ähnlichen Themen befasst sind, wie in der Regierungszeit. Schnell wird der Vorwurf der Vorteilsnahme laut, obwohl das Verhalten rechtlich nicht zu beanstanden ist. Das Grundgesetz verbietet zwar in Artikel 66 eine anderweitige Berufstätigkeit für – im Amt befindliche – Bundesminister. Eine vergleichbare Regelung für ehemalige Bundesminister existiert aber nicht. Das Bundesministergesetz beinhaltet unter anderem Vorschriften über die Rechte und Pflichten ehemaliger Bundesminister, kennt jedoch auch keinerlei Berufsverbot für frühere Bundesminister. Mit einem Ehrenkodex können ausscheidende Mitglieder der Bundesregierung nicht nur rechtlich, sondern auch moralisch entlastet werden, so dass über die Lauterkeit der neuen beruflichen Tätigkeit von ehemaligen Regierungsmitgliedern keine Zweifel aufkommen können. Die Beschädigung eines Regierungsamtes, wenn auch erst rückwirkend, muss verhindert werden.
Ich habe selbst einen Antrag vorgelegt, in dem ich vorschlage, einen Verhaltenskodex für Regierungsmitglieder an dem bestehenden Kodex für Kommissionsmitglieder der EU zu orientieren. Eine Selbstverpflichtung oder Ehrenkodex ist dabei einer gesetzlichen Regelung vorzuziehen.
Der Verhaltenskodex für die Kommissionsmitglieder sieht vor, dass Kommissionsmitglieder, die aus ihrem Amt ausscheiden und beabsichtigen, innerhalb eines Jahres eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen, dies der Kommission mitteilen. Steht die beabsichtigte Tätigkeit in Zusammenhang mit dem Ressort, das das Kommissionsmitglied während seiner gesamten Amtszeit geleitet hat, holt die Kommission die Stellungnahme einer hierzu eingesetzten Ethikkommission ein. Entsprechend den Ergebnissen der Ethikkommission entscheidet die Kommission, ob die geplante Tätigkeit mit Artikel 213 letzter Absatz EGV vereinbar ist. So wird man dem Einzelfall gerecht. So sollte es auch die Bundesregierung halten.
Ihrem zweiten Anliegen, die Politik möge sich aus den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten heraushalten und eine objektive Berichterstattung ermöglichen, kann ich nur zustimmen. Art. 5 I Grundgesetzt garantiert die Pressefreiheit in Deutschland. Daran gibt es nichts zu rütteln.
Der Rundfunkrat ist bei deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ein Kontrollgremium zur Vertretung der Interessen der Allgemeinheit bei der Programmgestaltung. Zugleich ist der Rundfunkrat das oberste für die Programmkontrolle zuständige Aufsichtsgremium. Der Rundfunkrat überwacht die Einhaltung des gesetzlichen Sendeauftrags. Die genauen Bestimmungen der einzelnen Rundfunkräte werden von den Bundesländern in entsprechenden Landesgesetzen festgelegt. Die Aufgaben des Rundfunkrats für den Südwestrundfunk sind:
- Wahl und Abberufung des Intendanten
- Genehmigung des Haushaltsplans
- Beschlussfassung über die Satzung gemeinsam mit dem Verwaltungsrat
- Zustimmung zur Berufung der Direktoren und des Justitiars mit Ausnahme der Direktoren der Landessender
- Wahl und Abberufung der vom Rundfunkrat gewählten Mitglieder des Verwaltungsrats
- Genehmigung des Jahresabschlusses
- Zustimmung bei der Übernahme von Verpflichtungen im Wert von mehr als fünf Millionen Euro bei Verträgen über die Herstellung oder den Erwerb von Programmteilen
Der Rundfunkrat des Südwestrundfunks setzt sich aus 74 Mitgliedern zusammen. 51 Mitglieder sind aus dem Land Baden-Württemberg und 23 Mitglieder aus dem Land Rheinland-Pfalz entsandt. Die Mitglieder des Rundfunkrates setzen sich dabei aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen und Organisationen zusammen, z. B. den Gewerkschaften, Frauenverbänden oder Kirchen. Der Rundfunkrat soll einen Querschnitt der Bevölkerung abbilden. An der Zusammensetzung des Rundfunkrates kann man bereits erkennen, dass es nicht um politische Einflussnahme geht, sondern um die Vertretung der gesellschaftlich-pluralistischen Interessen. Jegliche Einflussnahme findet dabei Ihre Schranke in der grundgesetzlich garantierten Pressefreiheit des Art. 5 I GG.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Lange