Frage an Christian Kühn von Claus Roderich M. bezüglich Wirtschaft
Warum wird nicht gleich über eine Geschlechterquote gesprochen? Was ist, wenn in einigen Jahren bei einer Firma Männer unterrepräsentiert sind? Das könnte schneller kommen, als man denkt!
Eine "Frauenquote" würde doch nur das bestehende System der Mehrberechtigung der Frauen ausbauen. Ich bin der Meinung, dass die Gleichberechtigung zuerst (!) hergestellt werden muss, bevor über Gleichstellung geredet wird. Und die Männer werden in vielen Bereichen des Rechts ungleich behandelt, z.B. bekommt das Kind unverheirateter Paare automatisch den Namen der Mutter. Wieso?
Wenn also jetzt schon Quoten Veränderungen künstlich erzeugen sollen, dann sollte man auf jeden (!) Fall gleich zu einer Geschlechterquote übergehen; eine Frauenquote wäre ein Rückschritt und ein Kniefall vor den Feministinnen.
Die Arbeitswelt und die Welt der Familie hängen zusammen, über die Menschen natürlich. Überlegen Sie einmal: Wozu sollte eine Managerin noch heiraten? Den Namen ihres Mannes annehmen? Bekommt sie dann Kinder, sind es beim bestehenden Recht ihre Kinder. Solche Verhältnisse heißen Matriarchat!
Ich finde daher, dass in der Gleichstellungsdebatte nicht nur einseitig die Welt der Arbeit behandelt werden darf - das muss ganzheitlich betrachtet werden. Und da ist es wichtig, auch die Belange der Männer zu berücksichtigen. Das ist die Zukunft!
Sehr geehrter Herr Mattmüller,
ich will eine geschlechtergerechte Gesellschaft, die ein selbstbestimmtes und solidarisches Leben ermöglicht. Geschlechtergerechte Politik muss den Lebenslagen von Frauen, Männern sowie Trans- und Intersexuellen Rechnung tragen und damit der Vielfalt des Lebens. GRÜNE Politik ist feministisch und emanzipatorisch, sie löst Geschlechterrollen auf und erlaubt allen Menschen mehr individuelle Gestaltungsfreiheit. Eine moderne Gleichstellungspolitik muss die Vielfalt von Lebensformen und unterschiedliche Lebensverläufe im Blick haben. Staatliche Rahmenbedingungen können so Individualität fördern.
Die Wiege der Gleichberechtigung ist wie so oft die Bildung und Erziehung. Hier fallen die Würfel. Viel ist in den letzten Jahren von der Bildungsmisere der Jungen geschrieben und gesprochen worden und manches ist richtig. Jungen fallen häufiger als „Verlierer“ aus dem Bildungssystem. Deshalb braucht es eine emanzipatorische Erziehung und eine individuelle Förderung, die die Stärken von Jungen und Mädchen gleichermaßen wertschätzt und fördert. Oft fehlen Jungen positive Rollenbilder einer anderen, neuen Männlichkeit. Längst wissen wir, dass mit zunehmender Gleichberechtigung das Patriarchat umso härter zurückschlägt: mit Gewalt, medialem Sexismus oder Schein-Bastionen der Männlichkeit in Sport und Musik.
Aber immer mehr Männer erkennen, dass traditionelle Männerrollen auch negative Seiten für sie haben, und wollen zum Beispiel nicht mehr nur Alleinverdiener oder Haupternährer der Familie sein, sondern wünschen sich auch eine aktive Vaterschaft. Dabei finden sie aber - genau wie Frauen - Rahmenbedingungen vor, die traditionelles Rollenverhalten fördern.
Die Pluralität von Lebenssituationen, von der Patchwork- bis zur Regenbogenfamilie, erfordert neue Regelungen im Familienrecht. Wir engagieren uns für eine moderne Familienrechtspolitik. Wenn Paare, die gemeinsame Kinder haben, sich trennen, stehen sie vor der Herausforderung, eine für alle Seiten gute Lösung zu finden. Wichtige Fragen sind hier, wo Eltern und Kinder zukünftig wohnen, wie der Umgang zwischen Eltern und Kindern gut gestaltet wird oder in welcher Höhe Unterhaltszahlungen geleistet werden. Hier gilt es unter anderem zu prüfen, ob und welche gesetzlichen Maßnahmen wir brauchen, um der sogenannten "Umgangsvereitelung" vorzubeugen. Hinzukommen muss das gesellschaftliche Bewusstsein, dass es für Kinder grundlegend ist, einen möglichst guten Kontakt zu beiden Elternteilen zu halten.
Auch wenn Sie Recht haben und wir Gleichberechtigung ganzheitlich betrachten müssen, steht doch fest: Deutschland hat immer noch erhebliche Defizite in Sachen Gleichstellung - gerade auch in der Privatwirtschaft. Diverse Selbstverpflichtungen der Unternehmen blieben ohne größeren Einfluss auf den Frauenanteil in den Führungsgremien. Es ist deshalb an der Zeit, den fachlichen, organisatorischen und kreativen Potenzialen beider Geschlechter gleichberechtigte Chancen im Wirtschaftsprozess zu schaffen. Gesetzliche Quoten für Aufsichtsräte und Vorstände sind für mich ein notwendiges Mittel, um die Männerdominanz in den Führungsetagen zu durchbrechen und zu mehr Qualität und Diversität zu kommen.
Solange wir in einer Gesellschaft leben, in der Frauen systematisch benachteiligt werden, solange werden wir auch Frauenquoten brauchen. „Geschlechterquoten“ würden meiner Ansicht nach die fortdauernden Benachteiligungen zementieren.
Mit freundlichen Grüßen
Chris Kühn