Frage an Christian Haase von Wolfgang D. bezüglich Senioren
Sehr geehrter Herr Haase,
in einer Antwort vom vergangenen Jahr führen Sie zum Thema "Betriebsrenten/Direktversicherung und doppelter Beitrag" aus, dass die Finanzierung langfristig gesichert sein müsse, wenn man die Halbierung des Beitrages umsetzt. Bedenken Sie bitte, dass wir Beitragszahler der GKV seit Jahren mit Ausgaben belastet werden, die vorher der Bund aus seinen Mitteln gezahlt hat. Es geht um die Krankenversicherung der ALG II Bezieher. Dieser Personenkreis belastet uns Beitragszahler seit mehreren Jahren jährlich mit rd. 10 Mrd. €. Ist es nicht Ihre Aufgabe dafür zu sorgen, dass der Bund dieses Geld an die Krankenkasse bezahlt? Dieses Finanzierungsthema ist übrigens auch im aktuellen Koalitionsvertrag festgehalten.
Im Handelsblatt vom 26.06.2019 wurde unter der Überschrift „Doppelverbeitragung - Union und SPD steuern auf Entlastung von Betriebsrentnern zu - von der „schweigenden Mehrheit in der CDU“ berichtet. Dazu wurde weiter ausgeführt:
„Allerdings sehen längst nicht alle Parlamentarier von CDU und CSU Handlungsbedarf bei der Doppelverbeitragung. In Unionskreisen ist von einer „schweigenden Mehrheit“ die Rede, die Linnemanns Position bei dem Thema nicht teile.“
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Auffassung Sie zu dem Thema vertreten.
Herzliche Grüße… W. D.
Sehr geehrter Herr D.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Die Mitgliederzahlen und Beitragseinnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung entwickeln sich positiv. Der Gesundheitsfonds und ein großer Teil der Krankenkassen konnten erhebliche Rücklagen aufbauen. Daher wollen wir diesen Spielraum nutzen, um die gesetzlich Krankenversicherten zu entlasten. Das haben wir, wie Sie richtigerweise schreiben, auch im Koalitionsvertrag fest vereinbart. Dort heißt es: Wir wollen die schrittweise Einführung von kostendeckenden Beiträgen zur Gesetzlichen Krankenversicherung für die Bezieher von ALG II aus Steuermitteln finanzieren. An dieser Vereinbarung werden wir festhalten. Bereits umgesetzt haben wir die Wiedereinführung der paritätischen Finanzierung. Ab Januar 2019 tragen Arbeitgeber wieder die Hälfte der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung. Das sorgt für Entlastungen in Höhe von rund 8 Milliarden Euro jährlich.
Zur sogenannten Doppelverbeitragung bei Direktversicherungen nehme ich gerne ausführlich Stellung, da ich häufig Anfragen zu diesem Thema erhalte. Zunächst gab es 2003 gute Gründe für das GKV-Modernisierungsgesetz, mit dem die Krankenkassenbeiträge auf Betriebsrenten eingeführt wurde: Erstens bestand das vorher praktizierte Geschäftsmodell der Direktversicherungen im Ausnutzen einer Regelungslücke. Denn zuvor waren Beiträge nur nach Eintritt des Versicherungsfalls zu zahlen. Wenn der Anspruch auf die Kapitalleistung vor Eintritt des Versicherungsfalls zugesichert wurde bzw. die einmalige Leistung von vorneherein als solche vereinbart worden war, mussten dagegen keine Beiträge bezahlt werden. Diese Regelungslücke haben damalige Versicherte genutzt, um GKV-Beiträge zu vermeiden. Diese Möglichkeit wurde abgeschafft, denn es ist nicht gerecht, dass alleine die Auszahlungsform darüber entscheidet, welche Beiträge zu zahlen sind.
Zweitens erfolgte diese Maßnahme vor dem Hintergrund, dass die eigenen Beitragszahlungen der Rentner nur noch 47 Prozent ihrer Leistungsausgaben in der Krankenversicherung abdeckten. Noch im Jahr 1973 bezahlten die westdeutschen Rentner ihre Leistungsaufwendungen der Krankenkassen zu rund 72 Prozent selbst. Diese zunehmende Finanzierungslücke mussten die anderen Beitragszahler auffangen. Trotz der Gesetzesänderungen ist die Deckungsquote der Rentner bis 2017 auf 43 Prozent weiter gesunken. Es war daher ein Gebot der Solidarität der Rentner mit den übrigen Erwerbstätigen, dass deren Belastung nicht noch weiter steigt. Auf die Generationengerechtigkeit haben sich auch das Bundessozialgericht und das Bundesverfassungsgericht berufen, als sie die Regelung für rechtens erklärten.
Aber ich will meine Meinung klar darstellen: Moralisch in Ordnung war diese nachträgliche Verbeitragung trotz ihrer juristischen Rechtmäßigkeit nicht. Das Vertrauen in die Entscheidung staatlicher Organe wurde massiv erschüttert. Der Staat hat die private Altersvorsorge aktiv beworben. Wenn man diesem Rat folgt und dann dafür „bestraft“ wird, geht das an die Substanz der Glaubwürdigkeit politischer Entscheidungen. Allein deshalb ist diese Maßnahme aus meiner Sicht inakzeptabel gewesen.
Es besteht also Handlungsbedarf. Die CDU hat sich wiederholt dafür ausgesprochen, die Direktversicherten zu entlasten. Die entsprechenden Anträge auf den Parteitagen 2015, 2016 und auch im Dezember 2018 wurden mit großer Mehrheit angenommen. Ich habe diese Anträge jedes Mal unterstützt. Knackpunkt ist natürlich die Finanzierung: Die Beitragseinnahmen der GKV aus den Versorgungsbezügen belaufen sich auf ca. 5,2 Mrd. Euro pro Jahr, wobei ein Großteil auf den Bereich der betrieblichen Altersvorsorge entfällt. Bei einer Abschaffung oder Minderung der Beitragspflicht für diesen Bereich müssten die damit verbundenen Mindereinahmen durch einen noch größeren Solidarbeitrag der übrigen Beitragszahler aufgefangen werden - oder durch einen Zuschuss aus den allgemeinen Steuereinnahmen.
Ein erster Referentenentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium hat es mangels ausreichender Finanzierung nicht durch das Bundeskabinett geschafft. In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind wir aber entschlossen, eine Entlastung herbeizuführen. Das sollte bei GKV-Rücklagen von über 20 Milliarden Euro möglich sein. Die Chancen, dass es in dieser Wahlperiode noch Änderungen gibt, stehen nach meiner Einschätzung gut.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Haase