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Christian Dürr
FDP
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Frage von Helmut B. •

Frage an Christian Dürr von Helmut B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dürr, ich hätte gerne von Ihnen eine persönliche Antwort, wie Ihre Sichtweise zum Thema ist. Mit freundlichem Gruß H. B.

Rupert Scholz, war Staatsrechtsprofessor in Berlin und Bundesverteidigungsminister (CDU) in Bonn und erklärte bereits vor 2 Jahren: Führende Politiker argumentieren, sie müssten wegen des Grundgesetzes alle Flüchtlinge ins Land lassen. Das Gegenteil ist richtig, erklärt Verfassungsrechtler Rupert Scholz.
http://www.focus.de/politik/deutschland/wir-verteidigen-europas-werte-asylrecht-kennt-obergrenze_id_5016673.html

Die folgenden Punkte sind unter obigem Link ausführlich nachzulesen.
1. Asyl begründet keinen Anspruch auf Einwanderung 2. Jeder EU-Staat hat das Recht auf Grenzkontrollen 3. Der Staat muss nationale Identität schützen 4. Das Asylrecht steht nicht über anderen Grundrechten 5. Das Asylrecht kennt verfassungsrechtliche Schranken 6. Der Bundestag kann Asyl-Obergrenzen einziehen 7. Wer Regeln bricht, hat keinen Anspruch auf Asyl 8. Familiennachzug lässt sich rechtlich stoppen 9. Deutschland kann Flüchtlinge zurückschicken 10. Die geplanten Transitzonen sind mit der Verfassung vereinbar

Der ehemalige Verfassungsrichter Udo Di Fabio sagt:
https://www.welt.de/debatte/kommentare/article146079219/Staat-heisst-auch-Herrschaft-ueber-die-Grenzen.html
Ein Hinweis zur Genfer Flüchtlingskonvention! Das Dublin-Abkommen und Schengen basieren genau auf Art. 26 der Genfer Flüchtlingskonvention! Deshalb haben sowohl Orban als auch Merkel, als auch alle Staaten, die die Flüchtlinge weiterschleusten, gegen das von ihnen ratifizierte Recht der Genfer Flüchtlingskonvention verstoßen.

Links zum Grundgesetz § 16a und zur Genfer Flüchtlingskonvention https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_16a.html
http://www.bamf.de/SharedDocs/Glossareintraege/DE/G/genfer-fluechtlingskonvention.html?view=renderHelp[CatalogHelp]
http://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2017/02/DE_UNHCR-GFK-Pocket_2015.pdf

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr B.,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Kaum ein anderes Thema bewegt die Bevölkerung mehr, als das Thema Zuwanderung und Asyl. In den letzten zwei Jahren hat sich gerächt, dass wir zu lange tatenlos zugesehen haben. Bereits seit Jahrzehnten ist Deutschland ein Einwanderungsland. Doch bis heute ist es versäumt worden, einen konsistenten Rechtsrahmen zu schaffen, der eine geordnete Migration gewährleistet. Aufgrund fehlender Alternativen und mangelnder Übersichtlichkeit der rechtlichen Regeln wird von unterschiedlichen Gruppen vorwiegend das Asylrecht benutzt, um nach Deutschland zu gelangen. Seit Jahren, spätestens durch den massiven Zustrom von Kriegsflüchtlingen und anderen Migranten im Jahr 2015, ist das Asylsystem überfordert. Registrierungen wurden ausgesetzt, die Verfahren dauern zu lange, Entscheidungen sind oft fehlerhaft und die Gerichte sind personell überfordert. Zudem wurden massive Fehlanreize gesetzt. Nur dank großer Anstrengungen der Zivilgesellschaft und der Kommunen konnte Obdachlosigkeit verhindert werden.

Die grundsätzliche Akzeptanz für humanitäre Hilfe und Einwanderung ist in Gefahr geraten. Deutschland braucht eine gesteuerte Einwanderung von Fachkräften, um auch langfristig unseren Wohlstand zu erhalten. Wir müssen sogar um die nötigen Talente werben. Deutschland muss zudem auch weiterhin humanitäre Verantwortung übernehmen. Gleichzeitig darf die Gesellschaft nicht durch unkontrollierte Migration überfordert werden. Unter diesen Prämissen schlagen wir vor, die Asyl-, Flüchtlings- und Einwanderungspolitik neu zu ordnen und in der kommenden Legislaturperiode in Zusammenarbeit von Bund und Ländern einen Rechtsrahmen in Form eines einheitlichen Einwanderungsgesetzbuches zu erarbeiten.

Auf dem Weg dorthin halten wir bereits jetzt die folgenden Eckpunkte für zentral:

1. Zwischen Politisch Verfolgten, Kriegsflüchtlingen und potentiellen Einwanderern muss konsequent unterschieden werden.

1.1 Politisch Verfolgte im Sinne des Grundgesetzes und der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten wie bisher Asyl. Die Unterbringung der Asylbewerber erfolgt in Zentralen Unterbringungseinrichtungen, in denen sie zunächst ausschließlich Sachleistungen erhalten. Ziel ist es, das gesamte Asylverfahren in den Zentralen Unterbringungseinheiten durchzuführen. Danach werden anerkannte Asylbewerber auf die Kommunen verteilt und abgelehnte Bewerber zentral von den Ländern direkt aus den Einrichtungen in ihre Heimatländer zurückgeführt. In den Einrichtungen werden bereits Sprach- und Integrationskurse durchgeführt und eine Basisbeschulung der Kinder sichergestellt. Da die hierfür notwendigen Kapazitäten erst sukzessive aufgebaut werden können, werden zunächst nur Bewerber mit mittlerer und geringer Anerkennungschance bis zum Ende des Verfahrens in den Zentralen Einrichtungen untergebracht. Zur Beschleunigung der Verfahren sind die Länder Algerien, Marokko und Tunesien umgehend als sichere Herkunftsländer einzustufen.
1.2 Für Kriegsflüchtlinge wird ein eigener Rechtsstatus eingeführt, der Vorübergehende Humanitäre Schutz. Nach Identitätsfeststellung und Sicherheitsüberprüfung wird ein Aufenthaltsstatus gewährt, der mit Ende des Krieges erlischt. In der Regel erfolgt danach die umgehende Rückkehr ins Heimatland. Kriegsflüchtlinge erhalten die sofortige Arbeitserlaubnis ohne Beschränkungen sowie volle Integrationshilfen. Sie verbleiben bis zur Identitätsfeststellung und Sicherheitsüberprüfung in den Zentralen Unterbringungseinrichtungen und erhalten dort ausschließlich Sachleistungen. Der Familiennachzug wird beim Vorübergehenden Humanitären Schutz auf die Kernfamilie (Ehepartner, minderjährige Kinder) beschränkt und ebenfalls durch das Kriegsende befristet. Bis zur Neuordnung des Asyl, -Flüchtlings- und Einwanderungssystems kann der Familiennachzug bei denjenigen, die derzeit subsidiären Schutz erhalten, nur in dem Umfang ermöglicht werden, wie Kapazitäten durch verbessertes Rückkehrmanagement entstehen. Dabei sollen individuelle Härtefälle bevorzugt behandelt werden.
1.3 Potentielle dauerhafte Einwanderer muss sich Deutschland wie jedes andere Einwanderungsland selbst aussuchen. Um den Fachkräftemangel zu lindern, muss Deutschland im globalen Wettbewerb um die klügsten Köpfe erfolgreicher werden. Dafür brauchen wir effiziente Instrumente für eine gezielte Einwanderung in den Arbeitsmarkt. Dazu muss erstens die Blue Card reformiert werden. Wer einen Arbeitsvertrag in Deutschland mit einem branchenüblichen Einstiegsgehalt in einem qualifizierten Beruf abschließt, soll eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Zweitens brauchen wir ein neues Instrument: die Chancenkarte. Um geeignete Fachkräfte und Spezialisten zu gewinnen, wird für eine jährlich festzulegende Anzahl qualifizierter Einwanderer nach einem Punktesystem mit klaren Kriterien wie Alter, Sprache, berufliche Qualifikation und Bedarf des Arbeitsmarktes eine begrenzte Aufenthaltsgenehmigung für ein Jahr gewährt. In dieser Zeit können sich diese qualifizierten Bewerber in Deutschland auf dem Arbeitsmarkt bewerben. Um die Besten für unser Land zu gewinnen, brauchen wir eine verbesserte Aufnahmekultur für Fachkräfte. Dazu gehören die bundesweit einheitliche und unkomplizierte Anerkennung aller relevanten Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse, Möglichkeiten der modularen Zusatzqualifikation und die flächendeckende Einrichtung von Welcome-Centern in Zusammenarbeit von Ausländerbehörden, Bundesagentur für Arbeit und weiteren Akteuren. Teil einer besseren Aufnahmekultur ist auch ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht aus einem Guss, nach dem Vorbild erfolgreicher Einwanderungsländer. Deshalb soll die doppelte Staatsangehörigkeit grundsätzlich möglich sein, anders als bisher auch bei Einbürgerung. Arbeitsmarktbezogene Einwanderer müssen zu deutschen Staatsbürgern werden können, ohne ihre Wurzeln und etwa Eigentum in ihrem Herkunftsland aufgeben zu müssen. Voraussetzungen sind insbesondere gute Sprachkenntnisse, eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis seit mindestens vier Jahren, die eigene Sicherung des Lebensunterhaltes der Familie, Straflosigkeit, ein bestandener Einbürgerungstest und vor allem das uneingeschränkte Bekenntnis zur Rechtsordnung unseres Grundgesetzes. Die doppelte Staatsbürgerschaft soll zudem wie bisher auch durch Geburt in Deutschland erworben werden können, allerdings bis maximal durch die Enkel der Ersteingebürgerten. Dies schafft auch Kohärenz zur Regelung bei Auswanderern.
2. Zu einer geordneten Asyl-, Flüchtlings- und Einwanderungspolitik gehört auch die konsequente Rückführung abgelehnter Bewerber, die kein Bleiberecht in Deutschland haben. Derzeit sind viele Kommunen mit Abschiebungen überfordert. Daher sollte das Rückführungsmanagement sukzessive auf Länderebene zentralisiert werden. Um über die notwendigen Kapazitäten zu verfügen, sollten alle Länder eine bedarfsgerechte Anzahl an Abschiebehaftplätzen vorhalten. Dafür muss der Bund Mittel zur Verfügung stellen. Zudem sind Programme zur freiwilligen Ausreise weiter auszubauen. Wer Straftaten begeht oder durch Identitätstäuschung zusätzliche Leistungen erschleicht, verwirkt seinen Anspruch auf Asyl oder Vorübergehenden Humanitären Schutz und muss umgehend das Land verlassen, sofern ihm im Herkunftsstaat nicht unmittelbar Tod oder Folter drohen. Der Abschiebung von Kriminellen und Gefährdern muss oberste Priorität eingeräumt werden. Bestehende Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsländern müssen durchgesetzt und weitere – wo möglich und sinnvoll – abgeschlossen werden. In der Praxis funktionierende Rücknahmeübereinkommen sollten darüber hinaus bedeutsam für die auswärtigen Beziehungen und Voraussetzung für Entwicklungshilfe sein.
3. Asylbewerbern und Kriegsflüchtlingen, die sich von Anfang an gut integriert haben, straffrei sind und sich dauerhaft bedarfsgerecht selbst versorgen können, soll die Möglichkeit gegeben werden, den Status zu wechseln („Spurwechsel“) und zu dauerhaften Einwanderern werden zu können. In Bezug auf zahlreiche Altfälle besteht hier ein unmittelbarer Handlungsbedarf. Es ist weder humanitär vertretbar noch volkswirtschaftlich sinnvoll, gut integrierte Steuerzahler und ihre Familien abzuschieben. Dabei muss aber darauf geachtet werden, dass es perspektivisch nicht zu einer Privilegierung gegenüber denjenigen kommt, die sich um eine qualifizierte Einwanderung aus dem Ausland bewerben, um keine neuen Fehlanreize zur Nutzung des Asylsystems ohne rechtlich anerkannten Fluchtgrund auszulösen. Einen „Kriterienrabatt“ gegenüber der reformierten Blue-Card oder der Chancenkarte darf es jenseits der Altfälle beim Spurwechsel nicht geben.
4. Grundvoraussetzung für eine geordnete Asyl-, Flüchtlings- und Einwanderungspolitik ist ein registrierter Zugang nach Deutschland. Um einen massiven Zuzug von nicht registrierten Migranten wie 2015 zu verhindern, muss zukünftig in einer vergleichbaren Situation im Rahmen des Schengen-Abkommens die nationale Grenze umfassend kontrolliert werden. Dazu ist die Bundespolizei entsprechend zu ertüchtigen.
5. Neben einer Neuordnung der deutschen Asyl-, Flüchtlings- und Einwanderungspolitik braucht es auch eine Reform europäischer Migrationspolitik. Die Bundesregierung muss diese Herausforderung dauerhaft zu einem Kernthema in der Europäischen Union machen und darf nicht länger auf Initiativen des neuen französischen Präsidenten warten. Die Grenzen der EU müssen durch einen gemeinsamen europäischen Grenzschutz gesichert werden. Dazu muss FRONTEX ausgebaut und mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet werden. Die Mittelmeerroute darf nicht länger eine Lotterie zwischen Tod und Einwanderung nach Europa bleiben. Schlepper müssen bekämpft und Seenotrettung sichergestellt werden. Allerdings müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, um Schiffbrüchige nach ihrer Rettung in sicheren Aufnahmezentren in den nordafrikanischen Ländern unterzubringen. Diese Aufnahmezentren sollten unter dem Dach des UNHCR eingerichtet werden. Von dort aus muss dann eine Antragstellung für Asylsuchende, Kriegsflüchtlinge und potentielle Einwanderer möglich sein, um auf diesem Weg legal, registriert und ohne Lebensgefahr nach Europa zu gelangen. Das Dublin-Abkommen muss grundsätzlich reformiert werden. Die Lasten, die mit der Aufnahme von Flüchtlingen verbunden sind, müssen innerhalb der EU fair verteilt werden. Dabei müssen Länder, die sich nicht oder nicht ausreichend an der Aufnahme von Politisch Verfolgten oder Kriegsflüchtlingen beteiligen, den aufnehmenden Ländern weite Teile ihrer Kosten erstatten und sich mit eigenem Personal aktiv am europäischen Grenzschutz beteiligen. Bis zum In-Kraft-Treten neuer Dublin-Regeln muss Dublin III angewandt werden. Allerdings muss die Bundesregierung schon jetzt darauf bestehen, dass die 6-Monats-Frist entfällt und die Rücküberstellung nicht unzulässig von den zur Aufnahme verpflichteten Ländern verzögert werden kann. Dies würde das Asylsystem in Deutschland erheblich entlasten.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Christian Dürr

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