Frage an Christian Dahm von Andrea S. bezüglich Finanzen
An Ihrem SPD-Stand in Herford erhielt ich einen Flyer der Jusos. Diese setzen sich demnach dafür ein, dass der Spitzensteuersatz auf 49 % erhöht wird, eine Vermögenssteuer und Finanztransaktionssteuer eingeführt werden. Dem Internet entnahm ich, dass Rot-Grün unter Kanzler Schröder von 2001 bis 2005 den Spitzensteuersatz in drei Stufen von 51 auf 42 % gesenkt hat. Wie passt das zusammen?
Sehr geehrte Frau S.,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage, die ich hiermit gerne beantworten möchte:
Die Bewertung der Verhältnismäßigkeit eines Spitzensteuersatzes - aber auch von Besteuerung im Allgemeinen - muss immer vor dem Hintergrund der aktuellen sozio-ökonomischen Situation einer Volkswirtschaft betrachtet werden.
Deutschland hatte zur Zeit der von Ihnen angesprochenen Reformen eine relativ hohe Arbeitslosenquote und die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik sah sich in Frage gestellt. Durch die Senkung des Spitzensteuersatzes unter Gerhard Schröder erhoffte man sich ein besseres Klima für Unternehmen zu schaffen und so das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, bzw. die Schaffung von Arbeitsplätzen zu begünstigen.
Allerdings hat die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik den Nachteil, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergehen kann. Da wir uns in Deutschland nun in einer Situation wiederfinden, in der insgesamt äußerst positive Rahmenbedingungen für Unternehmen bestehen, möchten wir diesem Effekt entgegenwirken und eine gerechtere Wohlstandsverteilung fördern.
Diese Wirtschaftspolitik mag zunächst widersprüchlich erscheinen; das liegt an einem Phänomen, das in der Wirtschaftswissenschaft als magisches Viereck beschrieben wird:
Es stellt ein volkswirtschaftliches System mit vier Zielen (Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand außenwirtschaftliches Gleichgewicht stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum) dar, die niemals gleichzeitig vollständig erreichbar sind. Diese können um weitere Ziele erweitert werden - so z. B. ausgeglichene öffentliche Haushalte und gerechte Einkommensverteilung.
Keiner der genannten Aspekte kann dauerhaft vernachlässigt werden, ohne dass die Wirtschaft und die Menschen die von ihr Leben, erheblich in Mitleidenschaft gezogen werden. Darum muss der Staat finanzpolitische Maßnahmen stetig überprüfen und anpassen.
Gleichwohl möchte ich nicht verheimlichen, dass die Senkung des Spitzensteuersatzes - auch innerhalb der SPD - nicht unumstritten war. Unser sozialdemokratisches Prinzip ‚starke Schultern tragen viel‘ ist darum in den vergangenen Jahren immer mehr zum Ausdruck gekommen.
Wir sind der Überzeugung, dass wir uns mit einem höheren Spitzensteuersatz der ab einem größeren Einkommen greifen soll als bisher, auf dem richtigen Weg befinden, ein ausgewogeneres Verhältnis in der Wohlstandsverteilung unserer Gesellschaft zu erzeugen, ohne dass dadurch Unternehmen vom Standort Deutschland vertrieben würden.
Ich hoffe Ihre Frage damit beantwortet zu haben. Sollten Sie Rückfragen haben, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Dahm