Frage an Christian Carstensen von Nils M. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Carstensen,
Abgesehen von Begrenzungen bei Bonuszahlungen und Prämien, welche Maßnahmen sieht die SPD vor um zukünftige Finanzkrisen wie diese zu vermeiden oder zumindest die Auswirkungen für Deutschland zu reduzieren? Im Programm wird davon gesprochen, den Banken neue Regeln aufzuerlegen. Was ist hier konkret geplant? Wie kann z.B. zukünftig verhindert werden dass eine Bank wie die Hypo Real Estate vom Staat gestützt werden muss weil ansonsten der ganze deutsche Bankensektor zusammenbricht? In der Finanzkrise sind noch größere Institute enstanden (die Commerzbank übernimmt die Dresdner, die Deutsche Bank plant eine Übernahme der Postbank), was passiert nun wenn eine dieser Megabanken in Schieflage gerät? Ultimativ trägt für diese "systemrelevanten" Banken immer der Steuerzahler das Risiko, wäre es dann nicht konsequent diese (provokativ gefragt) direkt zu verstaatlichen?
Leider zeigt sich dass der Staat auch nicht der bessere Banker ist, in Deutschland waren es vor allem die Landesbanken die in Schwierigkeiten gerieten. Wie sehen die Pläne für die Landesbanken aus, diese sind ja nicht erst seit der Finanzkrise größtenteils sehr schlecht aufgestellt.
mit freundlichem Gruß
Nils Meyer
Sehr geehrter Herr Meyer,
seit der spektakulären Lehman-Insolvenz am 15. September 2008 sind viele Maßnahmen ergriffen worden, um Konsequenzen aus der größten Finanz- und Wirtschaftskrise seit 80 Jahren zu ziehen. Die SPD hatte die Risiken, die die Spekulation auf den Finanzmärkten für die Weltwirtschaft und Deutschland bedeuteten, früh erkannt und zum Thema gemacht. Bereits im November 2007 setzte der SPD-Parteivorstand eine Arbeitsgruppe zum Thema „Mehr Transparenz und Stabilität auf den Finanzmärkten“ unter der Leitung von Peer Steinbrück ein. Die Projektgruppe legte ihren Abschlussbericht im Oktober 2008 - kurz nach Zusammenbruch von Lehmann vor. Ergänzt wurden diese Vorschläge durch ein Grundsatzpapier, das Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück im Februar 2009 vorlegten („Finanzmärkte grundlegend neu ordnen - Unsere Finanzmarktgrundsätze“). Viele ihrer Vorschläge fanden Eingang in die nationalen wie internationalen Beschlüsse. Unsere Devise lautet: Kein Markt, kein Produkt, kein Akteur, keine Territorium und kein Staat darf in Zukunft unbeaufsichtigt bleiben. Sie haben natürlich Recht, dass noch einiges zu tun ist, weitere konkrete Schritte müssen auch auf internationaler Ebene getroffen werden. Gerade in diesen Tagen bietet sich auf dem Gipfel der G20-Staaten vom 24. bis 25. September die Chance den Weg für eine nachhaltigere Wirtschaft und für klare Regeln auf den Finanzmärkten zu vereinbaren.
Was muß noch getan werden? Die SPD hat hierzu sechs konkrete Vorschläge unterbreitet:
1. Die Finanzmärkte müssen an den Lasten der Krise beteiligt werden. Darum haben Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück die Einführung einer internationalen Finanztransaktionssteuer vorgeschlagen. Sie soll alle Finanzmarkttransaktionen mit einem Steuersatz zwischen 0,01 und 0,05 Prozent belegen. Nach groben Schätzungen könnten sich für Deutschland so Einnahmen zwischen 10 und 20 Mrd. Euro pro Jahr ergeben. Dies ist realistisch machbar, wenn es gelingt, die Finanztransaktionssteuer auf G20-Ebene einzuführen. Die G20-Staaten verantworten nämlich auf ihren Börsen und Handelsplätzen 92 Prozent des Welt-Aktienhandels und 76 Prozent des Welt-Anleihenhandels. Sollte es nicht möglich sein, sich auf G20- oder EU-Ebene auf eine Finanztransaktionssteuer zu verständigen, wollen wir kurzfristig in Deutschland eine Börsenumsatzsteuer nach britischem Vorbild einführen.
2. Unser Land braucht gerechte Löhne und Stärkung der Binnennachfrage: Unsere Wirtschaft wird stabiler und weniger verwundbar sein, wenn wir die Kaufkraft im eigenen Land stärken. Mit einem flächendeckenden Mindestlohn möchte die SPD eine Grenze nach unten ziehen. Gleichzeitig werden wir Maßnahmen ergreifen, um gleichen Lohn für gleiche Arbeit für Frauen und Männer, aber auch für Leiharbeitnehmer, durchzusetzen. Zudem müssen wir dafür sorgen, dass Beschäftigte am Produktivitätsfortschritt beteiligt werden - auch durch eine Stärkung der Flächentarifverträge.
3. Eine wirklich wirksame Begrenzung von Managergehältern ist notwendig:
CDU und CSU waren nur zu kleinen Schritten bereit, um die Vergütungsstrukturen in den Unternehmen auf mehr Langfristigkeit auszurichten. Den Vorschlag der SPD, Vorstandsvergütungen und -abfindungen oberhalb von einer Million Euro nur noch zur Hälfte steuerlich geltend machen zu können, haben CDU und CSU verhindert. Auch eine Begrenzung von Bonuszahlungen auf das Dreifache des Fixgehaltes war mit der Union nicht zu machen.
4. Es bedarf der Einführung eines Finanz-TÜV: Untrennbar mit der Lehmann-Insolvenz sind auch die geschädigten Kleinanleger, die Lehmann-Zertifikate oft ohne ausreichende Aufklärung gekauft hatten, verbunden. Zum besseren Schutz der Verbraucher wollen wir einen Finanz-TÜV einrichten, der Risiken und Auswirkungen von Finanzprodukten dokumentiert und überprüft.
5. Die Spekulation mit Unternehmen und Arbeitsplätzen muß unterbunden werden: Die Einflussnahme auf Unternehmen sollte nicht im kurzfristigen Profitinteresse erfolgen. Das volle Stimmrecht für Aktionäre auf Hauptversammlungen sollte daher an eine Mindesthaltedauer der Aktien von einem Jahr geknüpft werden. Darüber hinaus will die SPD Regeln gegen die zu starke Überschuldung von Unternehmen durch Hedge-Fonds und Private-Equity-Fonds. Im Aktienrecht wollen wir festschreiben, dass Unternehmen nicht nur den Aktionären, sondern auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie dem Gemeinwohl verpflichtet sind.
6. Hedge-Fonds und Private Equity-Fonds müssen wirkungsvoll reguliert werden: Insbesondere Hedge-Fonds haben die Krise verschärft - die Bank Bear Stearns konnte auf Grund des Zusammenbruchs von „inhouse“ Hedge-Fonds nur durch staatliche Intervention gerettet werden. Hier benötigen wir wirkungsvolle Regulierung - zumindest - auf EU-Ebene.
Ich bin der Meinung, dass dies sehr konkrete und wirkungsvolle Instrumente sind, die uns eine weitere Finanzmarktkrise in Zukunft ersparen werden. Den Abschlußbericht Projektgruppe des SPD Parteivorstands „Mehr Transparenz und Stabilität auf den Finanzmärkten“ füge ich meiner Antwort bei.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Carstensen