Frage an Christian Carstensen von Ernst Ullrich S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Carstensen,
angesichts der Finanzkrise, die sich zu einer Wirtschaftskrise entwickeln wird, ist leider außer emotionalen Äußerungen durch Politiker - Raffgier der Manager heißt es da z.B., wenig von Selbstkritik zu hören. Schließlich hat noch die SPD-Regierung unter Schröder doch etliche Gesetze und Vorschriften für die "Finanzwirtschaft" gelockert!
Ich möchte mich aber nicht über das, was Vergangenheit ist, erregen, sondern frage Sie, welche Maßnahmen zur Eindämmung finanzwirtschaftlicher Auswüchse vom Bundestag und EU konkret bisher beschlossen wurden und noch in der jetzigen Wahlperiode verabschiedet werden sollen. Außer dem sog. HRE-Gesetz, dass u.a. dafür sorgt, dass kein Anteilseigner am Bettelstab geht, kein (überflüssiger) Arbeitsplatz bei HRE abgebaut wird, weiß ich von keinem Vorhaben der jetzigen Regierung.
Zuletzt noch ein persönliches Wort an Sie: Ich war vor der letzten Bundestagswahl bei einem Wahlkampfauftritt in Bergstedt dabei als einziger Nichtgenosse von etwa 15 Teilnehmern. Letzten Mittwoch gab es eine politische Veranstaltung zum Thema bedingungslosen Grundeinkommen in Bergstedt, da waren ca. 50 Leute da. Das zeigt mir u.a. deutlich, warum die SPD auf einen 20% Sockel abgeschmolzen ist. Wie meinen Sie?
Mit freundlichen Grüßen,
Ernst Ullrich Schultz
Sehr geehrter Herr Schultz,
vielen Dank für Ihre Frage, welche gesetzgeberischen Maßnahmen zur Eindämmung finanzwirtschaftlicher Auswüchse bisher unternommen wurden neben dem HRE-Gesetz. Schön, dass Sie die Plattform ab und an benutzen, um Ihren Abgeordneten zu fragen – so soll es sein!
Ich kann Ihren Unmut gut verstehen, konnte man in den letzten Wochen doch den Eindruck gewinnen, dass Manager und sog. Finanzexperten nichts aus ihren Fehlern gelernt haben, und ein Zurückkehren zur Tagesordnung vor der Finanzmarktkrise angestrebt wird. Das ist mit der SPD natürlich nicht zu machen.
Neben dem HRE-Gesetz, dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz (Bankenrettungsschirm) und den beiden Konjunkturpaketen für die Bürger über 80 Milliarden Euro möchte ich Ihnen vor allem das Gesetz über die Angemessenheit von Vorstandsvergütungen nennen, das die SPD-Bundestagsfraktion in zähen Verhandlungen mit der Union durchsetzen konnte und am 18. Juni vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde.
Das Gesetz ist nicht nur eine notwendige Reaktion auf die Ursachen der weltweiten Finanzkrise. Es ist auch ein wichtiges Signal gegen die Explosion der Vorstandsgehälter, die sich seit langem von der allgemeinen Gehaltsentwicklung abgekoppelt haben. Als Grundlage dienten dabei Vorschläge, die die SPD bereits im Frühjahr 2008 – noch vor der Krise – erarbeitet hatte.
Kern des Gesetzes ist die Stärkung der Rolle und der Verantwortung der Aufsichtsräte für eine angemessene Vorstandsvergütung. Diese wird viel stärker als bisher Anreize für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg setzen.
Die Haftungsregeln werden sowohl für die Manager, als auch für die Aufsichtsräte verschärft. Das breite Versagen und die wilden Spekulationen der Manager, die in die Finanzkrise geführt haben, werden so zukünftig geahndet.
Ohne einen solchen Mentalitätswandel werden wir der gesellschaftspolitischen Dimension des Themas nicht gerecht. Wie die Finanzkrise ist auch die Explosion der Managergehälter kein Betriebsunfall, sondern ein schwerwiegendes ökonomisches und gesellschaftliches Strukturproblem. Wenn wir jetzt nicht zu einer wirklichen Umkehr kommen, sind künftig Krisen bereits programmiert.
Einen guten Überblick über die Maßnahmen gegen die Eindämmung finanzmarktwirtschaftlicher Auswüchse bietet das Bundesfinanzministerium unter http://www.bundesfinanzministerium.de
Dort finden Sie auch weitere Informationen über die Stärkung der Bankenaufsicht.
Das bedingungslose Grundeinkommen mag auf den ersten Blick sympathisch aussehen, scheint mir aber kaum finanzierbar und sein großes Versprechen, durch Einführung eines Grundeinkommens den von Ausgrenzung Betroffenen und Bedrohten einen Zugang „in“ die Gesellschaft zu eröffnen, ins Gegenteil zu kehren. Die Grundwertekommission beim Parteivorstand der SPD hat dazu im November 2008 eine beachtenswerte Stellungnahme verfasst, die Sie vielleicht schon kennen und hier noch einmal einsehen können: http://www.spd.de/de/pdf/2008_GWK_Grundeinkommen.pdf
Im Wahlkampf wird es sicherlich Gelegenheit geben, mit Ihnen direkt zu diskutieren. Mein nächstes Stadtteilgespräch in Bergstedt ist am 17. Juli, um 19:00 Uhr beim SV Bergstedt (Teekoppel 9). Kommen Sie gerne vorbei! Vielleicht sind dann ja diesmal mehr als 15 Personen anwesend.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Carstensen