Frage an Christel Happach-Kasan von Dr. Claus G. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Happach-Kasan,
In über 170 Ländern ist die Bestechung von Parlamentsabgeordneten strafbar. Warum haben Sie gegen schärfere Regeln gegen Abgeordnetenbestechung gestimmt?
Sehr geehrter Herr Gossler,
ich danke Ihnen für Ihr Interesse an meiner Haltung zu dieser Frage.
Korruption darf in einem demokratischen Rechtsstaat keinen Platz haben und muss bekämpft werden. Ich bin froh, dass bei uns in Deutschland Korruption von der Gesellschaft geächtet wird und wir deshalb auch im internationalen Vergleich zu den Ländern mit geringer Korruption gehören.
Weil Abgeordnete keine Beamten sind, sondern eine eigene rechtliche Kategorie bilden und andere Pflichten haben, bedarf es einer eigenständigen gesetzlichen Grundlage für Abgeordnete. Abgeordnete, die Ihren Einfluss und ihre Stimme verkaufen, können sich nicht auf die „Freiheit des Mandates“ berufen, denn sie folgen nicht mehr ihrem Wissen und Gewissen, sondern den Interessen Dritter. In Deutschland ist das in §108e StGB geregelt:
„Wer es unternimmt, für eine Wahl oder Abstimmung im Europäischen Parlament oder in einer Volksvertretung des Bundes, der Länder, Gemeinden oder Gemeindeverbände eine Stimme zu kaufen oder zu verkaufen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Nach diesem Gesetz ist bisher ein Kreistagsabgeordneter verurteilt worden (2007).
2003 ist das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die Korruption (UNCAC) verabschiedet worden. Dies ist laut wikipedia „der erste weltweit völkerrechtlich bindende Vertrag zur Bekämpfung der Korruption. Er verpflichtet die Vertragsparteien zur Bestrafung verschiedener Formen der Korruption gegenüber Amtsträgern und zur internationalen Zusammenarbeit. Das Übereinkommen ist von 165 Staaten ratifiziert worden (Stand Dezember 2012); die größten Staaten (nach Einwohnerzahl), die durch das Übereinkommen bislang nicht gebunden sind, sind Japan, Deutschland, Sudan, Nordkorea und Syrien.“
Der Korruptionswahrnehmungsindex wurde 1995 von Johann Graf Lambsdorff begründet. Er vergleicht das Ausmaß der Korruption in den verschiedenen Ländern aufgrund nachvollziehbarer Fakten. Dieser Index wurde von Transparency International übernommen. 2012 lag Deutschland beim Korruptionswahrnehmungsindex von 178 Ländern auf Platz 13, hat somit eine deutlich geringere Korruption als viele der Staaten, die UNCAC ratifiziert haben. Die meisten der Länder, die das Abkommen ratifiziert haben, stehen beim Korruptionswahrnehmungsindex hinter Deutschland, zum Teil ganz am Ende.
Es ist also durchaus zu fragen, ob die Ratifizierung des Abkommens wirklich geeignet ist, die Korruption im Land zu bekämpfen. In der überwiegenden Mehrheit der Länder ist dies erkennbar nicht der Fall.
Um das Abkommen zu ratifizieren, wird von Deutschland eine Verschärfung der gesetzlichen Regelungen verlangt. Bisher ist es nicht gelungen im Bundestag darüber eine Einigung zu erzielen.
Die bisherige gesetzliche Regelung wird allgemein so verstanden, dass im Wesentlichen das Verhalten bei der Schlussabstimmung im Plenum eine Straftat begründen kann. Theoretisch könnte ein bestochener Mandatsträger also einen Gesetzentwurf auf den Weg bringen, bliebe aber straffrei, wenn er der Abstimmung fern bliebe. Das ist unbefriedigend. Zudem ist Bestechung eine Straftat, die von zwei Tätern begangen wird: dem der besticht und dem, der bestochen wird, aber es gibt kein greifbares Opfer. Solange beide Täter schweigen, ist der Nachweis der Bestechung schwierig.
Weder die rot-grüne noch die große Koalition haben das Problem gelöst, als sie dafür eine Mehrheit hatten.
Nun, in der Opposition, haben SPD, Grüne und Linke drei verschiedene Gesetzesentwürfe eingebracht, wohl wissend, das es für keinen dieser Vorschläge eine Mehrheit im Bundestag gibt. Man tritt den Kollegen nicht zu nahe, wenn man den Grund im aufziehenden Wahlkampf vermutet. Tatsächlich verbessern die Gesetzentwürfe die Korruptionsbekämpfung nur marginal, weil sie zum Teil unvollständig, zum Teil unpräzise sind.
Ich bin davon überzeugt, dass nur eine kreative und über Fraktionsgrenzen hinweg erarbeitete Lösung uns wirklich weiterbringt. Insbesondere ist es sinnlos, einen kleinen zahnlosen Tiger – den haben wir jetzt - durch einen großen zahnlosen Tiger zu ersetzen: Wenn die Täter nicht ermittelt werden können, nutzt auch eine hohe Strafandrohung nichts.
Am 27. April 1972 stimmte der Deutsche Bundestag über das Misstrauensvotum gegen Willy Brand ab. Mindestens eine Stimme, die des Abgeordneten Julius Steiner (CDU), war für 50.000 DM gekauft, was er selbst im Juni 1973 einräumte. Sicher ist, dass er einen solchen Betrag von der Stasi erhielt, ob er zusätzlich beim SPD-Geschäftsführer Karl Wienand „doppelt kassiert“ hat, konnte nie geklärt werden. Dieser war in zahlreiche Skandale verwickelt und wurde in der Kölner Spendenaffäre, in der es um Planung und Bau einer Müllverbrennungsanlage ging, rechtskräftig verurteilt.
Im Jahre 2001 wurden Ermittlungen gegen Ex-Kanzler Helmut Kohl im Rahmen der CDU-Spendenaffäre wegen des Verdachts der Untreue gegen Zahlung von DM 300.000 nach §153 StGB eingestellt. Ob den unbekannten Spenden korrumpierende Absichten zugrunde lagen, konnte nie untersucht werden, weil Kohl die Spender nicht offenbarte. Das Beispiel macht deutlich, dass die Transparenz von Geldflüssen an Bundestagsabgeordnete eine erhebliche Bedeutung hat.
Das bedeutet, dass Transparenz bei Geldflüssen hergestellt werden muss. Das ist eine schwierige, aber nach meiner Einschätzung lösbare Aufgabe. Es gilt, einerseits verdächtige Zahlungen zu untersuchen, ohne andererseits die Rechte bestimmter Berufsgruppen zu verletzen, die aufgrund gesetzlicher Regelungen ein Zeugnisverweigerungsrecht und besondere Verschwiegenheitspflichten haben, wie z.B. Anwälte und andere Berufe dieser Art. Denkbar wären z. B. vertrauliche Kontrollmitteilungen der Finanzämter an den Bundestagspräsidenten, der diese auf Zulässigkeit untersuchen könnte. Die vorliegenden Gesetzesentwürfe enthalten keinerlei brauchbare Instrumente, die geforderten Gesetze auch umzusetzen. Sie sind für die Galerie bestimmt, nicht für den Alltagsgebrauch.
Tranparency International schlägt vor, der Bundestag solle sich einen Verhaltenskodex geben, der den Begriff und die Schwelle zur Bestechung näher bestimmt. Ich unterstütze diese Idee. Die Frage, ob eine Einladung zum Essen schon Bestechung ist, sollte man nicht in die Auslegungshoheit von Richtern geben, sondern klare Festlegungen machen. Die vorliegenden Gesetzesentwürfe lassen die Frage, wo die Bestechung anfängt, unbeantwortet.
Die Linkspartei zum Beispiel will Parteispenden kriminalisieren, wenn sie ein „Dankeschön“ für frühere Abstimmungen sein könnten. Doch was bedeutet das in der Praxis? Das heißt doch, ein Spender ohne Verdacht der Korruption nur noch für Parteien spenden kann, deren Entscheidungen ihm gerade nicht gefallen.
Die Verwendung solcher unbestimmter Begriffe öffnet der Denunziation Tür und Tor. Ein Gewerkschaftssekretär, der nach seiner MdB Zeit eine Gehaltserhöhung bei Verdi bekommt, ist der korrupt? Der Vorwurf der Korruption wiegt schwer, deshalb muss verlangt werden, dass die Grenzen glasklar gezogen werden. Man kann nicht einerseits Parteispenden als Instrument staatsfreier Parteifinanzierung steuerlich fördern, um sie mit dem nächsten Gesetz in die Grauzone der Strafbarkeit zu rücken.
Beides muss aufeinander abgestimmt sein.
Der mühsamen Arbeit, hier einen Konsens zu finden, wird sich der Bundestag unterziehen müssen. Es ist auch im Interesse der Abgeordneten, pauschalen Verdächtigungen und haltlosen Vorwürfen mit wirklich überzeugenden Argumenten entgegentreten zu können. Dafür sollte sich der Bundestag noch einmal besinnen und in der nächsten Wahlperiode eine Lösung anbieten, die transparent, durchsetzbar und mit anderen Gesetzen abgestimmt ist. Denn eines ist deutlich, Deutschland ist weit weniger korrupt, als manches Land, dass zwar, wie z.B. Italien oder aktuell Spanien, UN-konforme Gesetze hat, diese aber nicht lebt.
Transparency International stellt regelmäßig eine Rangliste der Korruption auf. In dieser „Hitparade“ der Bestechung belegt Deutschland seit Jahren gute Plätze hauchdünn hinter der absoluten Spitzenklasse. Wesentliche Korruptionsfälle mit deutscher Beteiligung weisen meist Tatorte im Ausland auf: Ausländische Regierungen oder Unternehmen haben immer wieder „nützliche Zuwendungen“ deutscher Unternehmen erhalten. In früheren Jahrzehnten war das sogar legal, die Bestechungszahlungen wurden vom Finanzamt als Betriebsaufwand anerkannt.
Diese Zeiten sind seit 1998 vorbei. 1998 wurde das „Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung“ beschlossen. Bestechungen stehen unter Strafe, doch die Kultur hat sich noch nicht überall geändert, wie der aktuelle Fall eines Stahlkonzerns zeigt. Deutschland als starkes Exportland ist auf allen Märkten der Welt aktiv. Wir tragen deshalb eine große Verantwortung, Bestechungshandlungen in Drittstaaten zu bekämpfen.
Ich teile die Auffassung von Transparency International, dass Transparenz, also das sichtbar werden von Geldflüssen und Vorteilen, am besten gegen Korruption schützt. Vorbeugen ist besser als heilen! Für einen Politiker bedeutet in Deutschland der Nachweis oder schon der pure Anschein der Korruption das politische Todesurteil. Wir leben in einem Land, in dem Korruption gesellschaftlich geächtet ist.
Zur Gewährleistung von Transparenz ist der Schutz der Pressefreiheit von besonderer Bedeutung. Ich weiß diesen bei unserer Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in den besten Händen. Eine staatsfreie vierte Gewalt wirkt vorbeugend, Gesetze greifen erst, wenn die Tat schon begangen wurde.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Christel Happach-Kasan