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Christel Happach-Kasan
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Frage von Sylvia S. •

Frage an Christel Happach-Kasan von Sylvia S. bezüglich Gesundheit

Erneut möchte ich Sie bei einer Gesundheitsfrage um Hilfe bitten:
Wir planen, mit unseren Kindern (8 und 11 Jahre) in den Herbstferien nach Süddeutschland zu fahren. Da wir auch wandern gehen, habe ich Bedenken wegen evtl. Zeckenbisse. Wir ziehen eine Impfung gegen Borreliose in Erwägung. Gibt es homöopatische Alternativen?

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Schnakenbek,

ich danke Ihnen für Ihre Frage. Für die medizinische Einzelberatung bitte ich Sie, Ihren Hausarzt aufzusuchen.

Es ist richtig, sich gerade bei einer Reise nach Süddeutschland Gedanken um Zeckenbisse zu machen. Man sollte Zeckenbissen vorbeugen, da Zecken Krankheiten übertragen können. Zur Vorbeugung vor Zeckenbissen sollte man bei Waldspaziergängen insbesondere in den Risikogebieten lange Hosen und langärmelige Kleidung tragen.

Das Robert-Koch-Institut informiert darüber, in welchen Regionen die Zecken Überträger von Borreliose und noch wichtiger von FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) sind. Es gibt ein starkes Nord-Süd-Gefälle. In Süddeutschland ist die Wahrscheinlichkeit, sich über einen Zeckenbiss mit Borreliose oder FSME zu infizieren sehr viel höher als in Norddeutschland.
http://www.infografikdienst.com/data_images/low/170-fsme.jpg

FSME ist eine meldepflichtige Krankheit. Das RKI empfiehlt die Impfung gegen FSME bei Reisen in die Risikogebiete wie Bayern, Baden-Württemberg, Südhessen und insbesondere Österreich. Gegen Borreliose gibt es dagegen keine Impfung. Borreliose-Bakterien befinden sich im Darm von Zecken. Sie infizieren nur dann, wenn die Zecke sehr lange am Körper bleibt. Daher ist es sinnvoll, sofort nach einem Spaziergang die Haut nach Zecken abzusuchen und sie abzusammeln. http://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/B/Borreliose/Fsme_Borreliose.pdf

Zur Impfung gegen FSME gibt es keine homöopathischen Alternativen.

Die Homöopathie basiert auf zwei Dogmen, die der Begründer der Homöopathie, Samuel Hahnemann (1755 - 1843) erstmals 1796 in einem Aufsatz beschrieb: „Gleiches mit gleichem zu behandeln“ und der „Potenzierung“, einer ritualisierten Verdünnung der Wirkstoffe. Diese beiden Säulen des Verfahrens beruhen auf Selbstversuchen und auch Fremdversuchen des Begründers Hahnemann. Bewirkt ein Stoff z.B. bei einem gesunden Menschen Fieber, so ist er nach homöopathischem Dogma zugleich ein Heilmittel gegen Fieber bei Kranken. Für die von Hahnemann aufgestellten Dogmen gibt es keinerlei belastbare Belege: Über 200 medizinische Studien konnten bisher keine Wirksamkeit für homöopathische Stoffe belegen, die über den Placebo-Effekt hinausgehen.

Zur Zeit Hahnemanns wussten die Menschen nichts von Atomen und Molekülen. Man vermutete in so genannten „Monaden“ die kleinsten Einheiten der Dinge. Die homöopathische Verdünnungspraxis führt dazu, dass so weit verdünnt wird, dass der verdünnte Stoff in den Abfüllungen gar nicht mehr vorhanden ist.

Der Placebo-Effekt ergibt sich aus der vertrauensvollen Beziehung zwischen Arzt und Patient. Er tritt auf, wenn ein Patient der Behandlung durch den Arzt vertraut - unabhängig davon, ob das gegebene Medikament den für seine Krankheit richtigen Wirkstoff enthält oder ein Scheinmedikament wie Mehl oder eben homöopathische Kügelchen. Deswegen werden für die Neuzulassung von Medikamenten Doppelblindstudien verlangt: Die Wirksamkeit einer Methode oder eines Wirkstoffes ist nur dann gegeben, wenn die Behandlung mit dem Wirkstoff den Placebo-Effekt eines Scheinmedikaments übersteigt.

Gesichertes Wissen über die Entstehung und Verbreitung von Infektionskrankheiten wurde erst ein Jahrhundert später geschaffen und ist insbesondere mit der Arbeit von Robert Koch verbunden, nach dem das Robert-Koch-Institut benannt ist. Impfungen gehören zu den wichtigsten und wirksamsten präventiven Maßnahmen, die in der Medizin zur Verfügung stehen. Erst durch konsequente Impfungen haben viele der so genannten Kinderkrankheiten wie Masern oder Kinderlähmung bei uns ihren Schrecken verloren.

Homöopathie ist keine harmlose Methode, die -wenn sie auch wirkungslos ist- so doch wenigstens keinen Schaden anrichtet. Wenn beispielsweise Impfungen mit Verweis auf „homöopathische Alternativen“ unterbleiben, kann dies sehr ernsthafte Folgen haben. So wird in England über eine junge Frau berichtet, die auf Anraten eines Homöopathen sich vor einer Togo-Reise nicht gegen Tropenkrankheiten impfen ließ und schwer erkrankte.

Als Mitglied im Bundestagsausschuss für Verbraucherschutz werfen sich auch einige Fragen nach den gesetzlichen Rahmenbedingungen auf. So unterliegen homöopathische Zubereitungen weder der Medikamenten- noch der Lebensmittelaufsicht. Allein die Erwähnung in der homöopathischen Literatur vergangener Jahrhunderte reicht aus, um auf die Packung zu drucken: „Traditionell angewendet bei....“. Man muss schon sehr genau lesen um zu bemerken, dass eine Wirksamkeit damit nicht behauptet wird. Bei Lebensmitteln gibt es dagegen strenge Vorschriften, wann mit der Kennzeichnung „gesund“ ein Lebensmittel beworben werden darf.

In Deutschland werden mehr homöopathische Präparate gekauft als in anderen europäischen Ländern. Die Ausgaben betragen 400 Millionen € und ihr Anteil beträgt 8% der nicht verschreibungspflichtigen Medikamente. Darin spiegelt sich der vergleichsweise hohe Wohlstand wider. Möglicherweise ist auch unser geschichtlicher Hintergrund von Bedeutung. Die Nationalsozialisten setzten zunächst große Hoffnungen auf die Homöopathie, als Ersatz für die „verjudete“ Schulmedizin, wie der SPIEGEL aus Unterlagen zitiert. Erst interne Studien, die eine völlige Wirkungslosigkeit zeigten, führten zu einer geräuschlosen Beendigung der Kampagne. Die entsprechenden Ergebnisse wurden in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts vom Bundesgesundheitsamt gesichtet.

Mit freundlichen Grüßen
Christel Happach-Kasan