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Christel Happach-Kasan
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Frage von Benjamin B. •

Frage an Christel Happach-Kasan von Benjamin B. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrte Frau Happach-Kasan,

kürzlich bezeichneten Sie in einer Pressemitteilung ( http://www.pressrelations.de/new/standard/result_main.cfm?aktion=jour_pm&r=405162 ) die genveränderte BASF-Stärkekartoffel Amflora als "sicher". Zu Ihrer Begründung habe ich folgende Fragen:

Wie kommen Sie zu der Annahme, dass Kanamycin und Neomycin „sehr geringe Bedeutung als Antibiotikum“ haben, wo doch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) diese Antibiotika als „besonders wichtige antibakterielle Substanzen“ einstuft?

Worauf stützt sich Ihre Behauptung, dass der Anbau von Pflanzen mit dem Antibiotika-Resistenzgen nptII „nicht zur Verbreitung der Resistenz bei Bakterien bei[trägt], da das Gen in der Natur bereits vorhanden ist“? Selbst zwei EFSA-Wissenschaftler haben erklärt, dass ein horizontaler Gentransfer auf Krankheitserreger nicht ausgeschlossen werden kann. Der EFSA-Wissenschaftler Dr. Ivar Vågsholm etwa hat im Juni 2009 festgestellt: “given the magnitude and multitude of exposures from the foreseen use of GM plants with antibiotic resistance marker genes […] the cumulative probability of transfer could range from unlikely to high.”

Mit freundlichen Grüßen,
Benjamin Borgerding

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Borgerding,

vielen Dank für Ihre Anfrage zur Stärkekartoffel Amflora und der Bewertung der Verwendung des Antibiotika-Resistenzgens nptII. Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit in Deutschland (ZKBS) kommen getrennt voneinander zu der Bewertung, dass der Anbau der Stärkekartoffel Amflora nicht zur Verbreitung des Antibiotika-Resistenzgens beiträgt. Die medizinische Wirksamkeit der beiden Antibiotika wird nicht beeinträchtigt.

Die ersten gentechnisch veränderten Sorten wurden unter Verwendung von Antibiotika-Resistenzgenen gezüchtet. Diese Gene waren erforderlich, um die Pflanzen selektieren zu können, bei denen der Einbau des neuen Gens gelungen war. Sie sind als sogenannte Markergene genutzt worden. Dem Nährmedium wurden die entsprechenden Antibiotika zugegeben und nur diejenigen Pflanzen überlebten, welche die Resistenzmarkergene enthielten. Inzwischen wurden neue Methoden zur Selektion der Pflanzen entwickelt, so dass bei neueren Züchtungen auf die Verwendung von Antibiotika-Resistenzgenen verzichtet werden kann.

Die Nutzung derartiger Markergene im Labor und bei transgenen Pflanzen wurde von Beginn an immer wieder auf Ihre Sicherheit und das Risiko für Mensch und Umwelt untersucht und bewertet. Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit in Deutschland (ZKBS) haben beispielsweise das von Ihnen angesprochene Resistenzgen nptII wiederholt untersucht und als unbedenklich eingestuft (1).

Die Bewertung, dass das nptII-Antibiotika-Resistenzgen unbedenklich und die Stärkekartoffel Amflora folglich sicher ist, ergibt sich aus folgenden Tatsachen:

Alle Antibiotika-Resistenzgene wurden aus natürlichen Bakterienstämmen isoliert, die überall im Boden oder im Verdauungstrakt von Mensch und Tier vorkommen. Im Darm von Menschen und Tieren, im Boden, im Wasser leben Milliarden von Bakterien. Wir nehmen täglich Millionen von Bakterien auf, die Resistenzgene gegen unterschiedliche Antibiotika tragen, ohne Schaden zu nehmen. Der Verzehr von Nahrungsmitteln, die derartige Resistenzgene tragen ist also völlig ungefährlich für den Konsumenten.

Die Wahrscheinlichkeit eines Gentransfers von einem Bodenbakterium auf ein anderes ist extrem gering. Noch geringer ist die Wahrscheinlichkeit eines Gentransfers von einer gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen auf Bakterien, (sogenannter horizontaler Gentransfer). Er ist nicht unmöglich aber praktisch ausgeschlossen. Das nptIIGen ist in der Natur weit verbreitet. Der Anbau von Pflanzen, die dieses Gen enthalten, trägt nicht zu seiner Verbreitung bei. Um einen Vergleich zu wagen: Es ist, als würde man ein Kilo Salz in die Nordsee schütten, die Biologie des Meeres würde dadurch nicht verändert.

Es ist mir bekannt, dass zwei Mitglieder der EFSA Kommission zu diesem Thema eine andere Meinung vertreten haben. Aber Ihre Einwände wurden von der EFSA-Kommission nochmals überprüft. Die eindeutige Mehrheit aller Mitglieder hat erklärt, dass nach derzeitigem Forschungs- und Wissensstand keine weitergehende Aufklärung notwendig und das extrem geringe Risiko bekannt sei (2).

Generell werden Resistenzgene für die Risikobewertung in drei Gruppen eingeteilt: Gruppe I enthält Resistenzgene, die in Boden-/Enterobakterien weit verbreitet sind und deren betroffene Antibiotika keine oder sehr geringe therapeutische Relevanz besitzen, Gruppe II enthält jene, die in Mikroorganismen verbreitet sind und die Antibiotika nur noch in Teilbereichen der klinischen, veterinärmedizinischen Therapie Anwendung finden und schließlich Gruppe III mit betroffenen Antibiotika, die in der humanen Therapie von hoher Relevanz sind.

Das Resistenzgen nptII, und die hiervon betroffenen Aminoglycosid-Antibiotika Kanamycin, Neomycin, Gentamicin oder Geneticin, fällt in die Gruppe I. Die von Ihnen angesprochenen Reserveantibiotika Kanamycin und Neomycin werden äußerst selten und vorwiegend äußerlich in der Therapie eingesetzt, da sie erhebliche Nebenwirkungen haben und Gehörschäden sowie Nierenschädigungen hervorrufen können.

Zwar wird Kanamycin bei der WHO, neben Amikacin und Capreomycin, als mögliches Reserveantibiotikum zur Bekämpfung der Tuberkulose (TB) angesehen, aber nicht als sehr wichtig eingestuft. Der Erreger der Tuberkulose (Mycobacterium tuberculosis) kann zudem, anders als andere Bakterien, auf natürliche Weise keine fremde DNS aufnehmen, ein Gentransfer ist also praktisch ausgeschlossen (1).

Die Tuberkulose ist weltweit gesehen nicht besiegt. Die Anzahl der TB-Fälle in Deutschland liegt nach Angaben des Robert-Koch-Institutes bei etwa 5,5 Fällen je 100.000 Einwohner, nominal bei etwa 4.600 Fällen. Die Quote ist seit Jahren rückläufig. Etwa 40% der Erkrankten kommen aus Risikogebieten wie Osteuropa nach Deutschland. Die Anzahl der multiresistenten Fälle ist in Deutschland rückläufig und im Jahr 2008 waren lediglich neun Fälle (!) gegen die fünf in der Bekämpfung der Tuberkulose angewandten Antibiotika resistent (3). Laut WHO sind hauptsächlich die Länder der ehemaligen Sowjetunion mit größeren Erkrankungszahlen und häufig auftretender Multiresistenz belastet (4). Im Gebiet der EU und ihrer direkten Nachbarn sind dies die baltischen Länder, Bulgarien sowie Weißrussland, Russland und die Ukraine. Multiresistente Fälle treten in Deutschland bei Patienten aus der ehemaligen GUS viermal so häufig auf wie bei Menschen, die ursprünglich aus Deutschland stammen (3).

Das Problem multiresistenter Keime darf nicht unterschätzt werden. Die Hauptursache für die besorgniserregende, weltweite Zunahme von Resistenzen liegt jedoch eindeutig im übermäßigen und teilweise äußerst fragwürdigen Gebrauch von Antibiotika bei der Behandlung von Patienten und in der Tierzucht. Auch ich finde es sehr bedenklich, dass eine Reihe von Erregern bereits mehrfache Resistenzen gegen unterschiedliche Antibiotika zeigt. Es ist allerdings nach wissenschaftlicher und medizinischer Auffassung wesentlich wichtiger, die Resistenzbildung und Verbreitung von multiresistenten Keimen in Medizin, Tiermedizin und Landwirtschaft zu bekämpfen, als sich über mehrfach widerlegte Horrorszenarien wie der Resistenzverbreitung durch gv Pflanzen wie der Amflora zu sorgen.

Mit freundlichen Grüßen
Christel Happach-Kasan

(1) Stellungnahme der ZKBS: Az.: 6790-10-62 vom Juli 2008 und Juli 1999: http://www.bvl.bund.de/cln_007/nn_494194/DE/06__Gentechnik/093__ZKBS/01__Allg__Stellungnahmen/04__pflanzen/zkbs__pflanzen__antibiotika__resistenzgene__in__pflanzen__2008__kurzfassung.html__nnn=true
(2) Stellungnahme der EFSA: http://www.efsa.europa.eu/en/scdocs/scdoc/1108.htm
(3) Bericht des RKI: www.rki.de/cln_160/nn_274324/DE/Content/InfAZ/T/Tuberkulose/Download/TB2008.html
(4) Strategie der WHO zur Tb-Bekämpfung in Osteuropa: http://www.euro.who.int/document/e91049.pdf?language