Frage an Christel Happach-Kasan von Sven M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Wie kann es sein daß die Öffentlich Rechtlichen Rundfunkanstalten für unverlangt eingestellte Inhalte in das Internet Gebühren von allen Nutzern des Netzes erheben können, egal, ob die Innhalte genutzt werden oder nicht? Was tun Sie um Ihre Wähler vor der GEZ- Internetabzocke zu schützen? In welchem Zeitraum wollen Sie dieses Ziel erreichen?
Sehr geehrter Herr Manzke,
in Deutschland wurden nach dem Zweiten Weltkrieg dem Vorbild der BBC (British Broadcasting Company) folgend die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gegründet. Sie haben den Auftrag, die Grundversorgung der Bevölkerung mit Informationen zu gewährleisten.
Die Bundesländer regeln im gemeinsamen Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag die Modalitäten der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die letzte Änderung ist am 1. Juni 2009 in Kraft getreten. In 2008 betrugen die Gebühreneinnahmen für Rundfunk und Fernsehen 7,26 Mill. €.
Rechtliche Grundlage für die Bereitstellung von Internetangeboten durch die Rundfunkanstalten ist der vierte Rundfunkänderungsstaatsvertrag aus dem Jahr 1998.
Demzufolge dürfen öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten „im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung Mediendienste (…) mit vorwiegend programmbezogenen Inhalten an(zu)bieten.“ Das bedeutet in der Praxis: über 50 Prozent der Online-Angebote müssen inhaltlich aus den in Radio oder Fernsehen ausgestrahlten Programm stammen. ARD und ZDF haben sich im Anhang des 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrags selbst verpflichtet, ihre Online-Aufwendungen auf 0,75 Prozent ihres Haushalts zu beschränken.
Die Höhe der Rundfunkgebühren wird von der "Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs" (KEF) festgestellt und von den Länderparlamenten beschlossen. Die typische Gebühr für Rundfunk und Fernsehen beträgt zurzeit 17,98 €. Aufgrund der Selbstbeschränkung von ARD und ZDF beträgt die Belastung eines Gebührenzahlers durch das Internetangebot derzeit etwa 10 Cent, das entspricht nicht einmal dem Wert einer Zigarette. Ich kann darin keine unverhältnismäßige "Abzocke" erkennen.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist verpflichtet, mit seinen Hörfunk- und Fernsehprogrammen alle Menschen, die in unserem Lande leben, zu erreichen und anzusprechen. Das entspricht seinem Grundversorgungsauftrag, der von Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes bestätigt wurde. Die vom gleichen Gericht ausgesprochene "Entwicklungsgarantie" erlaubt durchaus eine an der Grundversorgung orientierte Internetpräsenz.
Das europäische Statistikamt Eurostat hat ermittelt, dass 80 % der jungen Menschen unter 25 Jahren das Internet nutzen, und zwar deutlich intensiver als ihre Eltern. Der "Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest hat sich diese Gruppe genauer angesehen und festgestellt, dass 38 % von Ihnen sich überwiegend aus dem Internet über aktuelle Ereignisse informieren. Das Statistische Bundesamt dokumentiert in seiner Broschüre "Informationsgesellschaft in Deutschland - Ausgabe 2009", dass der Anteil der Haushalte mit Internetanschluss von 2002-2008 von 43 % auf 69 % angestiegen ist. Eine Vielzahl von Untersuchungen dokumentiert die Konvergenz von Fernsehen und Internet. Vor diesem Hintergrund können die öffentlich-rechtlichen Medien gerade die Zielgruppe der Jüngeren nur erreichen, wenn sie deren Mediennutzungsgewohnheiten berücksichtigen. Nach meiner Einschätzung haben sie dadurch sogar eine Verpflichtung, ein Internetangebot bereitzustellen.
An Wahlabenden wird die Bedeutung der Internetangebote der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten sehr deutlich. Unter Normalbedingungen erreicht www.tagesschau.de Platz 75 der deutschen Internetauftritte. Am Abend der letzten Bundestagswahl stand das Angebot auf Platz 2. Es ist eher dieser Erfolg, der zum Problem werden kann, denn natürlich wird mit den Angeboten kommerziellen Anbietern Konkurrenz gemacht. Hier eine sinnvolle Grenze zu ziehen, steht im Fokus der derzeitigen Mediendiskussion.
Gebühren allein deshalb in Frage zu stellen, weil man bestimmte Angebote nicht nutzt, führt nicht zum Ziel: Ich sehe Fernsehen per Kabel, finanziere aber terrestrische Sender mit; ich höre Deutschlandfunk sowie NDRinfo und NDRkultur, bezahle aber auch für N-Joy, den Jugendsender des Norddeutschen Rundfunks, dem ich mich zugegebener Weise entwachsen fühle. Eine Bezahlung je nach Nutzung ist technisch unmöglich und würde die öffentlich-rechtlichen Anstalten daran hindern, gehaltvolle Programme anzubieten, die nicht unbedingt massenwirksam sind.
Die FDP will die Abschaffung der Rundfunkgebühr in ihrer bisherigen Form und die Auflösung der Gebühreneinzugszentrale (GEZ). Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollte stattdessen durch eine allgemeine, Geräte unabhängige Medienabgabe finanziert werden, die von allen erwachsenen Bürgern mit eigenem steuerpflichtigem Einkommen getragen wird. Wir werden uns in dieser Wahlperiode dafür einsetzen, unsere Vorstellungen gemeinsam mit unserem Koalitionspartner durchzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Christel Happach-Kasan