Frage an Christel Hahn von Jens M. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrte Frau Hahn,
das Wahlrecht für die Wahl zum Europäischen Parlament ist zwar auch nach dem Direktwahlakt weiterhin weitgehend Sache der Mitgliedsstaaten. Trotzdem denke ich, daß diese Frage hierhin gehört.
In vielen Bundesländern haben die Bürger inzwischen bei den Wahlen zu den kommunalen Gremien und den Landtagen die Möglichkeit, nicht nur starre Listen anzukreuzen, sondern weitergehenden Einfluß auf die Zusammensetzung des Gremiums zu nehmen. Bei den Wahlen zum (Bundestag und) Europäischen Parlament gibt es diese Möglichkeit nicht.
Wie stehen Sie dazu, solche Elemente einzuführen, also zum Beispiel Mehrmandatswahlkreise mit beliebiger Stimmenverteilung? Da es hier eh keine Direktmandate gibt, wäre auch Kumulieren und Panaschieren auf Landeslisten eine Option.
Denken Sie, daß solch ein stärkerer Einfluß zu einer größeren Identifikation der Wähler mit dem Parlament führen würde? Wäre das ein geeignetes Mittel um dem Vorwurf (!) des Parteienfilzes zu begegnen? Wie stehen Sie allgemein zu solchen Wahlrechtselementen?
Mit freundlichen Grüßen
Jens Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
den Verfahren, nach denen derzeit gewählt wird, stehe ich sehr kritisch gegenüber und ich unterstütze Veränderungen, die dafür sorgen, dass die Gestaltungskraft vom Bürger ausgeht.
Zu ihrer Frage: Am sinnvollsten finde ich Modelle, in denen der Bürger mehr als eine Stimme zu vergeben hat, da die Welt komplexer ist als "Ja/Nein". Veränderungsbedürftig ist auch die 5%-Hürde, da sie dazu führt, dass die etablierten Parteien die Stimmen derjenigen, die ihre Stimme nicht verschenken wollen, bekommen. "Kumulieren" und "Panaschieren" kenne ich als Baden-Württembergerin und finde ich gut.
Aber: Es ist unbedingt notwendig, auf die spezielle Problematik der Europawahl einzugehen und nicht nur (gute) existierende Vorschläge dort auch anzubringen, da das schönste Wahlverfahren nichts nützt, wenn das gewählte Parlement mehr oder weniger nur eine Alibi-Funktion hat und von den Eliten zuviel Demokratie als zu gefährlich für Europa angesehen wird. Dazu kurz die wichtigsten Punkte:
- einheitliches europäisches Wahlrecht: nach einer Petition von Newropeans ( http://www.gopetition.com/petitions/democratic-european-elections.html ) sollte die Hälfte der Abgeordneten über europäische Listen und die andere Hälfte über nationale Listen gewählt werden. Außerdem fordern wir europäische Parteien (wie Newropeans).
- zentrale Stellung für das Parlament in der EU: volles Gesetzesinitiativrecht, Wahl und Kontrolle einer europäischen Regierung durch das Parlament
- transeuropäische Volksabstimmungen für neue Verträge und Erweiterungen
- Subsidarität: Gesetze und Vorschriften müssen da gemacht werden, wo es sinnvoll ist, vieles gehört gar nicht nach Europa, Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung durch die Bürger.
Des weiteren möchte ich noch ergänzen, dass ich die Gestaltungsmöglichkeit der Bürger bezüglich der Inhalte für noch wichtiger als die Verbesserung der Auswahl der Personen halte. Deshalb sind transeuropäische Volksabstimmungen eine der wichtigsten Forderungen von Newropeans und wir arbeiten gerade Vorschläge für direkte und partizipatorische Demokratie aus. Hier möchte ich ein Modell zur Diskussion stellen: über ein Losverfahren werden Bürger ausgeählt, die dann zusammenkommen, ein Problem durcharbeiten und ein Gesetz dazu entwickeln.
Und noch zum Schluß: Newropeans versteht sich als Entwicklungslabor für neue Formen der Gestaltung durch die Bürger und praktiziert deshalb selbst eine sehr entwickelte Form der E-Demokratie.
Mit freundlichen Grüßen
Christel Hahn