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Cem Özdemir
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Frage von Stefanie S. •

Frage an Cem Özdemir von Stefanie S. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Özdemir,
ich bin eine Frau und arbeite in meinem Beruf, bezahle Steuern. Mir fällt in Deutschland eine zunehmende Zahl an jungen, arbeitslosen Männern auf, die sich radikalen und gewaltbereiten Gruppierungen anschließen. Da gibt es einerseits die salafistische Bewegung, aus denen sich sogar IS-Kriegsteilnehmer rekrutierten – andererseits auch Nazi-Gruppierungen, die Jagd auf Ausländer machen.
Sollte nicht mehr dafür getan werden, die jungen Männer auf die richtige Bahn zu bringen? Eventuell sollten sich Jobvermittler verstärkt darum kümmern, dass die radikalisierten jungen Männer sich sinnvoll beschäftigen - entweder in einem Beruf oder in einem sozialem Engagement (z.B. soziales Jahr).
Welche Konzepte haben Sie um das Abdriften junger Männer in die Radikalität abzuwenden?
Wie möchten Sie Frauen im Beruf vor Übergriffen schützen?
Dürfen deutsche IS-Kriegsteilnehmer ungehindert nach Deutschland zurückkehren - oder - werden die IS-Kriegsteilnehmer für ihre Kriegsverbrechen (z.B. Vergewaltigungen) belangt bzw. ausgeliefert?
mit besten Grüßen,
Schröder

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Schröder,

Intoleranz bis hin zur Gewalt ist absolut inakzeptabel, egal aus welcher ideologischen Richtung sie kommt. Da sind wir uns einig.

In der Tat ist der präventive Ansatz mit das wirksamste Mittel gegen Radikalisierung und Gewaltbereitschaft. Dieser setzt an, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist. Präventions- und Deradikalisierungsprogramme müssen deshalb ausgebaut und gestärkt werden. Wichtig sind auch Aussteigerprogramme wie beispielsweise die großartige Arbeit der Berliner Beratungsstelle „Hayat“.

Neben präventiven und deeskalierenden Ansätzen (dazu ein aktueller Antrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/034/1803417.pdf) muss auch ständig, ohne in Panik zu verfallen, überprüft werden, ob die Sicherheitsvorkehrungen in Deutschland der Gefahreneinschätzung Rechnung tragen. Dazu gehören auch intensive Ausreisekontrollen, um potentielle islamistische Kämpfer zu stoppen. Wir dürfen uns dabei aber weder durch Islamisten selbst noch durch überzogene Reaktionen von unseren freiheitlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Grundprinzipien abbringen lassen. Etwa durch anlasslose Massenüberwachungen wie die Vorratsdatenspeicherung.

Ebenso besorgniserregend sind rechtsextreme Gewalttäter. Die Mordanschläge der NSU und ihre Umstände sind bei Weitem noch nicht aufgeklärt. Bei den Sicherheits- und Ermittlungsbehörden haben sich erschreckende Defizite gezeigt, weitere Reformen sind bitter nötig. Aber auch beim Rechtsradikalismus gilt für mich, dass (neben der Arbeit der Strafverfolgungsbehörden) präventive Maßnahmen wichtig sind: http://www.gruene-bundestag.de/themen/rechtsterrorismus-nsu/weitere-aufklaerung-und-klare-konsequenzen_ID_4393521.html

Es entspricht meinem Menschenbild, dass niemand als Terrorist oder Gewalttäter geboren wird. Umgekehrt kann man zwar auch nicht alles auf die „Umstände“ schieben, in denen jemand aufgewachsen ist – aber nichtsdestotrotz müssen wir uns als Gesellschaft auch immer hinterfragen, ob wir unser bestmögliches tun, etwa bei der Erziehung zur Demokratie in Kitas, Kindergärten und Schulen.

Mit freundlichen Grüßen
Cem Özdemir

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