Sind Sie, wie Werner Graf, für die Freigabe von Cannabis und weiteren Drogen oder dagegen. Bitte eine eindeutige Antwort.
Sehr geehrter Herr I.
Ja, ich unterstütze die Regulierung von Cannabis und die Entkriminalisierung (nicht Legalisierung!) von weiteren Drogen. Dass Drogen Auswirkungen auf Körper und Psyche haben, ist unbestritten. Allerdings ist die Frage, welche Schlüsse die Politik daraus ziehen sollte, denn die Verbotspolitik der letzten Jahrzehnte ist gescheitert: trotz des Verbotes konsumieren hunderttausende Menschen in Deutschland Substanzen.
Ich möchte hierzu ein wenig ausführen, denn die Frage ist mir zu ernst. Nur mit einer Schlagzeile zu beantworten wird dem Thema nicht gerecht.
Jeder dritte junge Erwachsene hat mindestens einmal Cannabis konsumiert. Indem wir Menschen ermöglichen, mit ausreichend Wissen und einer gesunden Selbsteinschätzung zu konsumieren, schützen wir sie viel effektiver, als wenn wir es schlicht verbieten würden. Das aktuelle Verkaufs- und Besitzverbot führt dazu, dass Menschen, die Cannabis konsumieren wollen, oft welches kaufen müssen, von dem sie nicht genau wissen, was eigentlich drin ist. Das führt zu noch größeren gesundheitlichen Risiken. Eine kontrollierte Freigabe würde das ändern.
Wir - und ich - wollen eine kontrollierte Freigabe von Cannabis, um Menschen einen selbstbestimmteren und sichereren Umgang mit Cannabis zu ermöglichen. Damit senken wir die gesundheitlichen Risiken des Konsums, da Konsument*innen immer informiert sein können, was sie kaufen. Menschen, die Suchtprobleme im Umgang mit Cannabis haben, können wir so auch besser erreichen und damit auch besser helfen.
Außerdem können wir so effektiveren Jugendschutz sicherstellen, denn der Dealer fragt eben nicht unbedingt nach dem Ausweis oder klärt über Umgang und Risiken auf. Und wir entlasten damit Polizei und Justiz, die sich nicht mehr mit oft aufwendigen und unnötigen Verfahren im Bezug auf Cannabis-Konsum beschäftigen müssen, die alleine Deutschland jedes Jahr über 200 Millionen Euro kosten und bei der Bekämpfung, beispielsweise des organisierten Drogenhandels besser eingesetzt wären.
Ebenfalls befürworte ich eine Entkriminalisierung (nicht Legalisierung!) von weiteren Substanzen. Die Zahl der Drogentoten im Zusammenhang mit illegalen Drogen erreichte mit über 1.800 in Deutschland 2021 den höchsten Wert seit der letzten 20 Jahre. Die Entkriminalisierung könnte hier zu einer Kehrtwende führen, nämlich zur Verringerung von Drogentoten und zu besserem Zugang zur Hilfe.
Ein Beispiel hierfür ist Portugal. Dort wurde 2001 der Konsum aller Drogen leglasiert, der Handel und Besitz über den Eigenbedarf hinaus bleibt strafbar. Statt der Polizei, sind also Suchthilfe und psychologische Einrichtungen für Suchtkranke Menschen verantwortlich. Im Ergebnis ist in Portugal die Zahl der Drogentoten wegen einer Überdosis von 369 im Jahr 1999 auf 30 im Jahr 2016 gesunken. HIV-Infektionen durch unsterile Spritzen sind von 907 auf 18 von 2000 bis 2017 gefallen. Von 100.000 Heroinabhängigen zum Höhepunkt der Drogenkrise sind nach 20 Jahren Liberalisierung noch weniger als ein Drittel übrig. Der Rückgang im Konsum macht sich auch bei Jungen Menschen bemerkbar: Gemessen am europäischen Durchschnitt rauchen junge Menschen nur halb so viel Cannabis und konsumieren fünfmal weniger Kokain.
Daher befürworte ich eine faktenbasierte Drogenpolitik, die den Gesundheits-, Jugend- und Verbraucher*innenschutz stärkt.
Mit freundlichen Grüßen
Catrin Wahlen