Frage an Cathrin Henke von Michael W. bezüglich Familie
Ihre Partei lehnt im Bundestag das Betreuungsgeld ab, bezeichnet es als „Herdprämie“.
Halten Sie Menschen ohne Studium für nicht befähigt, ihre eigenen Kinder selbst erziehen zu können?
Ist der Vorwand, nur staatliche Kinderbetreuung und Erziehung finanziell zu fördern und damit zu honorieren, nicht eine Entmündigung der Bürgerinnen und Bürger?
Sind Väter und Mütter überhaupt fähig, mit ihrem fehlenden Wissen bei der Kindererziehung, dennoch Wahlentscheidungen treffen zu können?
Für Mütter mit Kind, deren Einkommen nur ca. 1200 Euro netto mtl. beträgt, ist eine Beschäftigung, nach Abzug aller beruflich bedingten Ausgaben, nicht immer lukrativ und rentabel. Vor allem wegen der hohen Fahrtkosten.
Warum wehren Sie sich gegen das Betreuungsgeld?
Viele Menschen nehmen lange Arbeitswege in Kauf. Paare wohnen oft in der Mitte der jeweiligen Arbeitsplätze, können nicht einfach dem Arbeitsplatz entgegen ziehen. Der Kauf von Wohneigentum, als private Altersvorsorge, spricht hier auch gegen. Soll deshalb Paaren, die beide berufstätig sind, künftig eine Kinderbetreuung mit Schichtdienst angeboten werden, damit beide dadurch einer 40- Stunden- Woche nachgehen können?
Steckt hinter dem System, nur staatliche Kinderbetreuung und Erziehung zu fördern, familiäre hingegen nicht, mehr als reine DDR-Propaganda?
Nicht immer verbergen sich bei Familien, deren monatliches Einkommen unter 2.000 Euro liegt, Familien aus Problemmilieus.
Gerade im ländlichen Raum. Wir sind hier nicht Berlin- Neuköln oder Neuperlach Süd.
Halten Sie es dennoch grundsätzlich für nötig, dass Kindergärtnerinnen und Hortpersonal für mehr Bildung bei den Kindern sorgen?
Dass der Staat die Kinder mehr auf das Leben vorbereiten kann, als die eigenen Eltern?
Sehr geehrter Herr Wengler,
wenn wir GRÜNEN das Betreuungsgeld ablehnen und statt dessen den dringend notwendigen Ausbau von qualitativ guten Kinderbetreuungseinrichtungen bevorzugen, heißt das nicht, dass wir die familiäre Erziehung als Erziehung zweiten Ranges ansehen. Externe Kinderbetreuung funktioniert nicht gegen, sondern nur in Ergänzung zur familiären Betreuung. Die Eltern sind und bleiben die wichtigsten Bezugspersonen und haben die Verantwortung für ihre Kinder!
Ich bin selber Mutter von drei Kindern, die heute zwischen 17 und 22 Jahren alt sind. Ich habe nach der Geburt der Kinder jeweils pausiert, habe aber immer versucht meine Ausbildung abzuschließen und im Beruf zu bleiben. Als Rechtsanwältin hätte ich mir eine sehr lange Kinderpause nicht leisten können und mein Beruf hat mir immer Spaß gemacht. Ich kenne viele Kolleginnen, die nach einigen Jahren Pause als Juristinnen keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt hatten. War ich deswegen in Ihren Augen eine Rabenmutter? Mein Mann und ich haben immer dafür gesorgt, dass unsere Kinder bestmöglichst versorgt sind. Auch wenn ich zwischenzeitlich eine Tagesmutter hatte oder meine Kinder in der verlängerten Kindergartengruppe waren, waren wir immer die Eltern und die Hauptbezugspersonen für unsere Kinder. Dabei hatten wir aber glückliche Rahmenbedingungen, viele Eltern haben diese guten Rahmenbedingungen nicht. Natürlich habe wir immer wieder abwägen müssen, wie wir unsere Berufstätgkeit organisieren, ohne dass unsere Kinder darunter leiden. Das war oft nicht einfach!
Ich glaube, Sie sollten auch einmal darüber nachdenken, wie es in den Familien früher aussah und was sich inzwischen verändert hat. Früher mussten Hausfrauen und Mütter noch ganz andere Arbeiten leisten wie heute, ohne Waschmaschine oder Trockner, Spülmaschine, mit Stoffwindeln, ohne Gefriertruhe, dafür mit Einmachen und Einkochen. In den meisten Familien gabe es mehrere Kinder. Heute liegt der Durchschnitt bei 1,3 Kindern pro Familie, wir gelten mit drei Kindern bereits als kinderreich (!). Gleichzeitig hören wir von den Schulen, dass der Anteil der Kinder, die verhaltensauffällig sind, immer stärker zunimmt. Dabei haben heute Eltern mehr Zeit für ihre Kinder als früher.
Wir GRÜNEN möchten keine staatlichen Erziehungseinrichtungen wie in der DDR, was Sie in einer ihrer Frage anklingen lassen. Wir wollen gute Kinderbetreuungseinrichtungen, die den Eltern die Wahl lassen, ob und auch wie lange sie ihr Kind dort betreuuen lassen wollen. Der Ausbau von Ganztagesbetreuunge bedeutet nicht, - wie manchmal kritisch unterstellt wird - für alle Kinder den Zwang, ganztags in eine Einrichtung zu gehen. Gerade weil wir an die Kompetenz der Eltern glauben, sind wir überzeugt, dass die Eltern die richtige Wahl für ihr Kind treffen werden. Der Staat muss aber ein entsprechendes Angebot bereithalten, um so erst einmal die Wahlmöglichkeit zu schaffen. Und davon sind wir gerade auch in Bayern noch weit entfernt. Deshalb möchten wir, dass die vorhandenen Finanzmittel für den Ausbau der Kindertagesstätten verwendet werden und nicht für ein Betreuungsgeld.
Ich bin überzeugt, dass von den besseren Betreuungsmöglichkeiten alle profitieren werden, die Kinder, die Mütter und Väter, und auch die Wirtschaftsunternehmen, die seit Jahren anmahnen, dass Fachkräfte fehlen.
Kinder haben in den Kindertagesstätten Möglichkeiten mit Gleichaltrigen zu spielen, sich in eine Gruppe einzufügen und viele soziale Kompetenzen zu lernen. Etwas, was früher in der Großfamilie und auf dem Dorf noch möglich war, heute in einer Kleinfamilien aber viel schwerer zu vermitteln ist. Für viele Kinder bieten die Kindertagesstätten oftmals die einzige Chance, regelmäßig und intensiv mit Gleichaltrigen zusammen zu sein. Für Frauen besteht so die Möglichkeit ihren Beruf weiter auszuüben. Viele Frauen möchten das, zumindest in Teilzeit, viele Frauen müssen aber auch arbeiten gehen. Bitte schauen sie sich doch mal das neue Unterhaltsrecht an. Danach wird von den Frauen erwartet, dass sie wieder arbeiten gehen, wenn das Kind drei Jahre alt ist.
Abschließend möchte ich noch auf ihre letzen beiden Fragen eingehen:
- "Halten Sie es dennoch grundsätzlich für nötig, dass Kindergärtnerinnen und Hortpersonal für mehr Bildung bei den Kindern sorgen?"
und
- "Dass der Staat die Kinder mehr auf das Leben vorbereiten kann, als die eigenen Eltern?"
Meine Antwort hierzu:
Kindergärtnerinnen und Hortpersonal können selbstverständlich für mehr Bildung bei den Kindern sorgen. Ob ich das für grundsätzlich nötig halte, ist dabei nicht entscheidend. Ich habe es immer als zusätzliche Chance und Anregung für meine Kinder gesehen und erlebt. Warum soll ich meinen Kindern diese Angebot vorenthalten, vorausgesetzt natürlich, sie fühlen sich im Kindergarten wohl und es geht ihnen dort gut.
Der Staat kann die Kinder nicht mehr auf das Leben vorbereiten als die eigenen Eltern. Aber die Eltern können es auch nicht ohne die Gesellschaft, ohne das Umfeld. Ein afrikanisches Sprichwort lautet "Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen".
Mit freundlichen Grüßen
Cathrin Henke