Cathrin Henke
Bündnis 90/Die Grünen
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Cathrin Henke zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Elke C. •

Frage an Cathrin Henke von Elke C. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Liebe Frau Henke,

da ich selbst eine betroffene Mutter bin, möchte ich Sie fragen, inwieweit das Thema des doppelten Abiturjahrgangs 2011 aktuell ist. 2011 werden voraussichtlich 60.000 Abiturienten in Bayern auf den Studien- bzw. Arbeitsmarkt drängen - doppelt so viele wie bisher. Das sind nur noch drei Jahre. Bis jetzt ist noch nicht einmal klar, wann das Abitur 2011 in der G9 geschrieben wird: Ist es Januar oder vielleicht doch erst der März 2011?
Was kann man dem Kultusministerium entgegenhalten? Wie sollen diese Abiturienten des G9 und des G8 einen Studienplatz "ergattern" bzw. einen Lehrplatz? Und was wird dann aus den Realschülern, gar nicht zu sprechen von den Hauptschülern? Die CSU hat es nicht geschafft, die G8 und G9 als Konzept vernünftig zu organisieren. Wir brauchen schnellstmöglich einen Weg aus dem angerichteten Chaos!

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Liebe Frau Cziczek,

ich kann Ihre Sorge als betroffene Mutter gut verstehen. Von der übstürzten Einführung des G 8 sind Sie und Ihre Familie, egal ob Ihr Kind den letzten G 9 Jahrgang oder den ersten G 8 Jahrgang besucht, seit Jahren besonders betroffen.

Inzwischen hat das Kultusministerien an den Schulen bekannt gegeben, dass folgende Termine für die Abiturprüfungen 2011 angedacht sind.

G 9 schriftliche Prüfungen 21.03. bis 01.04.2011
mündliche Prüfungen 04.04. bis 14.04.2011

G 8 schriftliche Prüfungen 16.05. bis 27.05.2011
mündlichen Prüfungen 30.05. bis 10.06.2011
Zeugnisübergabe nach den Pfingstferien

Da somit das letzte Halbjahr im G 9 um 6 Wochen verkürzt ist, soll der Lehrplan laut Kultusministerium entsprechend angepasst werden. Was das aber genau bedeutet und bis wann diese Frage geklärt ist, steht anscheinend noch nicht fest.

Im Moment stellen sich die Schulen auf diese Termine ein. Ob sie letztendlich aber nicht doch noch mal geändert werden, kann im Moment niemand sicher sagen. Zunächst gab es die Überlegung bzw Versprechung, dass der letzte G 9 Jahrgang die Abiturprüfung frühzeitig, d.h.im Januar 2011, ablegen solle, damit die Schüler bereits zum Sommersemester 2011 mit dem Studium beginnen könnten und dadurch eine Entzerrung entstehe. Es gibt aber kaum Studiengänge, bei denen ein Beginn zum Sommersemester möglich ist. Ein zusätzliches Angebot, Beginn zum Sommer- und Wintersemester in 2011 ist aber an den Unis nicht möglich. Die Hochschulen und Fachhochschulen sind bereits seit Jahren finanziell und personell zu schlecht ausgestattet. Sie sind deshalb weder bereit noch in der Lage, zusätzliche Angebote zu erstellen.

Der bayerische Ministerrat hat bereits im August 2007 beschlossen, dass bis 2011 über 38.000 zusätzliche Studienplätze geschaffen werden und hierfür 3.000 neue Stellen bereit gestellt werden sollen. Bereits ab dem Studienjahr 2008, d.h. ab diesem Jahr, sollten mehr Studienplätze zur Verfügung stehen. Dies sind leider aber wieder nur leere Versprechungen gewesen. Viele Vorlesungen, gerade in den Anfangssemestern, sind nach wie vor hoffnungslos überfüllt. Unsere älteste Tochter studiert seit drei Jahren in München. An ihrem Institut wurde zum kommenden Semester keine neue Stelle geschaffen, eher noch Angebote gekürzt. Unsere mittlere Tochter hat dieses Jahr Abitur gemacht und wir haben in den letzten Wochen auch in ihrem Freundeskreis miterlebt, wie schwierig es jetzt schon ist, einen Studien- oder Ausbildungsplatz zu erhalten. In vielen Studiengängen gibt es eigene Bewerbungsverfahren an den Hochschulen und Universitäten. Die Übersicht hier zu bewahren ist heute schon nicht einfach. Wie diese Bewerbungsverfahren funktionieren sollen, wenn doppelt so viele Abiturienten 2011 an die Unis wollen, ist mir völlig unklar.

Ich möchte Ihnen als Eltern keine Angst machen, aber ich denke, es mach auch keinen Sinn, die Augen vor der Realität zu verschließen. Ich sehe es auch so, wie Sie es in Ihrer Frage schreiben, dass es in 2011 ein großes Problem mit dem Doppeljahrgang geben wird, von dem alle Schulabgänger vom Abiturient bis zum Hauptschüler betroffen sein werden. Das Kultusministerium leugnet dies. Auf den Internetseiten des Kultusministeriums zur gymnasialen Oberstufe in Bayern finden Sie den Satz "Die Abiturienten des Doppeljahrgangs 2011 haben damit die gleichen Chancen auf Aufnahme eines Studiums wie Abiturienten anderer Jahrgänge." Dies ist für mich blanker Zynismus.

Das Problem ist nicht mehr zu lösen, es hätte schon längst an den Unis und Hochschulen etwas passieren müssen, sie hätten schon in den letzten Jahren besser ausgestattet werden müssen, um Zeit zu haben, sich auf den Doppeljahrgang einstellen zu können.

Es müssen aber jetzt Maßnahmen getroffen werden, damit die Situation zumindest gemildert wird. Zum einen müssen natürlich die Versprechungen, die Hochschulen finanziell besser auszustatten, endlich umgesetzt werden, damit auch tatsächlich mehr Studienplätze geschaffen werden können. Aus meiner Sicht, müsste auch der Jahrgang, der das Jahr vorher in 2010 die Abiturprüfung ablegt, frühzeitig Studien- und Berufsberatung erhalten, damit diese Abiturienten dann gleich mit dem Studium oder Ausbildung beginnen und nicht noch ein Jahr warten. Hier gibt es aber bisher keine speziellen Programme, stattdessen will das Kultusministerium nur dem letzten G 9 Jahrgang besondere Berufs- und Studienberatung zukommen lassen. Genauso wäre zu überlegen, ob die Abiturienten von 2010 nicht vom Wehr- und Zivildienst zurückgestellt werden, damit sie gleich mit Studium oder Ausbildung beginnen können und nicht auch noch in den Doppeljahrgang geraten. Diesbezüglich müssten aber entsprechende Gespräche auf höhere Ebene geführt werden. Ausserdem müsste beachtet werden, dass es dadurch nicht zu einer Unterbesetzung bei den Zivildienststellen kommen darf.

Das Kultusministerium und die CSU hat an in den letzten Jahren in der Bildungspolitik deutlich versagt. Vor allem ärgert es mich, dass Probleme nicht anerkennt und genannt werden, sondern immer wieder versucht wird, die Lage schön zu reden, egal ob bei Problemen um die Einführung des G 8, der Situation an den Hauptschulen oder beim Lehrermangel. Einer der größten Fehler ist, dass für den Bereich Schulen und Bildung zu wenig finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt wurden und an allen Ecken und Enden gespart wurde. Die Leidtragenden sind nicht nur unsere Kinder, sondern auch die Wirtschaftsunternehmen, die bereits seit Jahren fehlende Fachkräfte anmahnen.

Mit freundlichen Grüßen

Cathrin Henke