Frage an Carsten Träger von Heidi D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Träger,
mit entsetzen sehe ich, dass Erwachsene, Kinder und Babys im Mittelmeer einfach ertrinken, weil keine Rettungsschiffe bzw. Ärzte ohne Grenzen mehr rausfahren dürfen.
Was will die SPD dagegen unternehmen? Es kann ja wohl nicht sein, dass Herr Seehofer als verlängerter Arm von Frau Merkel fungiert und wir zusehen wie die Menschen massenweise sterben.
Ich erwarte von der SPD, dass sie etwas unternimmt, dass das nicht so bleibt und dass wir auch keine Lager an Außengrenzen schaffen, die Menschen kasernieren. Dann können wir gleich wie Trump eine Mauer bauen und das hatten wir schon mal.
Ich finde es moralisch höchst verwerflich und menschlich die unterste Schublade, wie da mit Menschen umgegangen wird. Ich frage mich wo ich lebe? Wir hatten hohe moralischen Ansprüche in Deutschland, wo sind diese geblieben?
Das ist nicht mein Deutschland, das ist nicht mein Europa, da möchte ich nicht leben. Heute die Immigranten, morgen die Alten und übermorgen die Behinderten... Ist es wieder so weit?
Tun Sie etwas dagegen bevor es zu spät ist! Vor allem tun Sie es schnell, dass weitere Tode verhindert werden.
Sehr geehrte Frau D.,
ich gebe Ihnen in Ihrer Einschätzung vollkommen Recht. Am Ende einer nervenzehrenden, völlig überflüssigen Auseinandersetzung traf es unser Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz auf den Punkt: „Das Sommertheater ist vorbei“. Es gibt sicher viele andere Formulierungen – Posse, Scheindebatte, Kindergarten – die das unwürdige Schauspiel beschreiben, das die Union in den vergangenen Wochen aufgeführt hat. Vor allem die CSU missbrauchte den politischen Diskurs für ein schier unglaubliches, vom Wahlkampf in Bayern motiviertes Auftreten. Aus Angst, Stimmen an die AfD zu verlieren, bemühten die Christsozialen in den vergangenen gut drei Wochen Sprachbilder und Schreckensszenarien, die auch von Alexander Gauland oder Alice Weidel hätten stammen können.
Seehofer, Dobrindt, Söder — drei Männer auf nationalistischen Irrwegen. Mit der Wirklichkeit, mit seriöser Regierungsarbeit und den drängenden Themen, die die Politik im Blick haben muss, hat dieser nationalistisch motivierte Alleingang überhaupt nichts zu tun. In Zeiten des Erstarken des Populismus in ganz Europa geht es um Deutschland und um die europäische Einheit. Der Richtungsstreit in der Union nichts anderes als die deutsche Version eines Phänomens, das in fast ganz Europa zu beobachten ist: Die Spaltung des konservativen Lagers in einen rechtsnationalen Teil und einen liberaleren, wertkonservativen Teil.
Der SPD geht es um ein europäisches Miteinander, um Lösungen für alle, von allen getragen. Es wird mit der SPD in einer Bundesregierung keine geschlossenen Lager geben. Wir weisen auch keine Menschen an unserer Grenze ab. Wir verhandeln mit unseren europäischen Nachbarn über Lösungen. Es darf keinen Dominoeffekt der Zurückweisung geben, wir sprechen über Menschen und nicht über nackte Zahlen. Zumal im Moment fast keine Flüchtlinge kommen, das ganze Schauspiel betrifft derzeit wohl fünf Menschen pro Tag an der Grenze zu Österreich. Dazu kommt unser dringendes Anliegen für ein Einwanderungsgesetz, das der Bundesinnenminister bis zum Herbst nun im ersten Entwurf vorlegen soll.
Apropos Innenminister: Allen voran Horst Seehofer hat mit seinem Rücktritt vom Rücktritt und den nächtlichen Krisensitzungen viel kaputt gemacht. Bei dem kindischen Hick-Hack um einen Masterplan, den zuerst keiner kannte und den der Bundesinnenminister dann als Vorsitzender der CSU veröffentlichte. Seehofer benutzt zusammen mit seiner CSU populistische, rechte Vokabeln wie Asyltourismus und macht sie salonfähig. Unverständlich, warum Bundeskanzlerin Angela Merkel bis dato an ihm festhält, wo er doch mit ihr angeblich nicht mehr zusammen arbeiten kann. Der negative Höhepunkt: Seehofers Credo, er lasse sich nicht von der Person entlassen, die er ins Amt gehoben hätte. Das ist ein unfassbares Bild von Demokratie, eine Beleidigung der Bürgerinnen und Bürger, die sich engagieren und von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Untragbare Zustände auch, dass persönliche Animositäten zwischen einer Bundeskanzlerin und einem ihrer Minister eine Regierung blockieren.
Bitter ist dabei: Nach der Einigung kündigte Seehofer an, dass bei negativen Verhandlungen mit den europäischen Partnern sein Plan von nationalen Maßnahmen erneut aufs Tapet kommen werde. Der Lerneffekt beim Bundesinnenminister ist gleich Null. Oder, um es mit unserem Generalsekretär auszudrücken: „Kleiner Tipp: Wenn du im Loch sitzt, hör auf zu buddeln“, twitterte Lars Klingbeil auf den Punkt. Anders gesagt: Entweder versteht der Vorsitzende der CSU endlich, was es bedeutet, in einer Regierung zu arbeiten, die für Deutschland und Europa seriös den Koalitionsvertrag abarbeitet. Oder Horst Seehofer kann seinen Hut nehmen und den Platz frei machen für jemanden, dem es nicht nur um sein Ego geht. Sondern um Deutschland und seine Zukunft und die Wettbewerbsfähigkeit in Europa.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Carsten Träger