Frage an Carsten Schatz von Oliver M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schatz,
haben Sie zunächst vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort.
Ich muß aber im zentralen Punkt doch nochmal nachhaken.
Die Beitragsnummer ist ja - und das ist m.E. das zentrale Problem - eben nicht an eine Wohnung sondern an eine Person gebunden. So wird diese Nr. ja bei einem Umzug von der Person weiterverwendet, verbleibende oder neue Bewohner der alten Wohnung bekommen eine neue Nummer (allein dieser Umstand kann ja bei häufigen Bewohnerwechseln z.B. in WGs zu einem heillosen Chaos führen).
Bewohner einer Wohnung sind verpflichtet sich bei der umbenannten GEZ anzumelden und ggfs. die Beitragsnummer eines bereits zahlenden Mitbewohners anzugeben. Und genau das ist der Knackpunkt und hier muß ich nochmal ganz deutlich an Sie als einen der Verantwortlichen der diesem Umstand per Zustimmungsgesetz zur Gültigkeit verholfen hat nachfragen:
Welche rechtliche Handhabe hat denn nun ein Bewohner, diese Nummer von einem Mitbewohner zu erfahren um sie pflichtgemäß weiterzuleiten? Es geht im Übrigen nicht um meinen konkreten Fall aber daß es in einer WG mal Krach gibt wäre ja nun kein allzu seltener Fall - da ist keineswegs vorauszusetzen daß Mitbewohner immer kooperativ sind.
Es wird hier ein (nicht-zahlungspflichtiger) Mitbewohner per Gesetz verpflichtet, personenbezogene Daten Dritter (nämlich des bereits zahlenden Mitbewohners) an eine staatliche Stelle weiterzuleiten; da muß doch folglich auch gesetzlich geregelt sein daß er diese Daten überhaupt erheben darf und einen verbindlichen Anspruch darauf hat. An welcher Stelle hat die Gesetzgebung, die Sie ja an dieser Stelle mitverantworten diese Datenerhebung sowie den Anspruch auf Beitragsnummer und "weitere Daten" (siehe meine initiale Frage) eines Mitbewohners geregelt?
Vielen Dank erneut für Ihre vorherige Antwort und mit freundlichen Grüßen,
O. M.
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre vertiefende Frage.
Erlauben Sie mir bitte eingangs den Hinweis, dass ich als europapolitischer Sprecher und Mitglied im Ausschuss für Euro, Bund und Medien selbstverständlich auch für medienpolitische Entscheidungen verantwortlich bin, insofern diese gemeinsam im Ausschuss getroffen werden. Zudem ist der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) am 1. Januar 2013 in Kraft getreten. Zu diesem Zeitpunkt war ich kein Abgeordneter. Insofern bin ich, ohne damit den Vertrag als solchen zu werten, nicht, wie Sie schreiben, Verantwortlicher, „der diesem Umstand per Zustimmungsgesetz zur Gültigkeit verholfen hat“.
Selbstverständlich antworte ich Ihnen unabhängig davon gerne auf Ihre Nachfrage noch einmal abschließend und hoffentlich zu ihrer Zufriedenheit. Für längere Diskussionen scheint mir abgeordnetenwatch ohnehin nicht das geeignete Forum zu sein.
Zum Thema: Die aufgeworfene Frage berührt einige rechtliche Grundlagen, der der Klarstellung bedürfen.
Die erste Grundlage, die klargestellt werden muss, ist, dass Schuldner*in jeglicher Geldforderung immer nur eine (natürliche) Person sein kann. So ist es auch ausdrücklich in § 2 Abs. 1 RBStV geregelt. Insofern müssen Personen als Beitragschulder*innen herhalten. Eine Anknüpfung an die Wohnung erfolgt aus Sicht des öffentlich-rechtlichen Gebührengläubigers nur über die Bande des Gebührentatbestands "Wohnung".
Die zweite hier spannende Frage wurde früher unter dem Stichwort "Grundsatz der Direkterhebung" behandelt. Im Bundesdatenschutzgesetz-alt war vorgesehen, dass personenbezogene Daten immer bei der betroffenen Person erhoben werden müssen, wenn keine besonderen Gründe für eine abweichende Handhabung sprechen. In diesem Fall lägen aber solche besonderen Gründe vor. Wäre der hier nachfragende Mitbewohner nicht gehalten, zum Nachweis seiner Beitragsfreiheit die Beitragskontonummer des Zahlenden zu übermitteln, müsste bei dem Zahlenden erhoben werden, wer mit ihm in einer Wohnung wohnt, also für wen er die Beitragsschuld begleicht. In beiden Varianten müssen personenbezogene Daten über Bande, also nicht beim Betroffenen selbst, erhoben werden. Bei einem Vergleich der beiden Vorgänge schätze ich den Eingriff durch die Übermittlung der Mitbewohnernamen durch den Beitragszahler höher ein als die Übermittlung der Beitragskontonummer durch den Nichtzahlenden. Bei der zweiten und aktuell gängigen Variante bliebe dem Betroffenen auch noch die Wahl, seine Wohnverhältnisse gegenüber der Gebühreneinzugszentrale verschlossen zu halten - auch wenn er dadurch selber beitragspflichtig wird. (Das kann ihm aber auch passieren wenn der Hauptschuldner nicht zahlt und sie - je nach genauer Gestaltung des Mietverhältnisses – als Gesamtschulder herangezogen werden, § 2 Abs. 3 RBStV.)
Die Grundlage einer Abrechnung anhand von Wohnungen hätte für den Datenschutz und auch sonst unangenehme Nebenwirkungen. Zunächst wäre es notwendig, dass alle Wohnungen oder wohnungsähnliche Behausungen zentral erfasst und abschließend erfasst sein müssten. Dann würde in dieser Wohnungsliste (dann datenbanktechnisch zwingend nach diesem Merkmal
durchsuchbar) erfasst, wer in diesen Wohnungen jeweils wohnt. Bei einer personenbezogenen Erfassung entfällt dies.
Als letzte, wesentliche Frage bleibt die nach einer Anspruchsgrundlage (oder Rechtsgrundlage für die Datenübermittlung) des Mitbewohners auf Mitteilung der Beitragskontonummer gegen den Zahlenden. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten, die jeweils auf eine Nebenpflicht aus einen anderen Rechtsverhältnis oder notfalls aus Treu und Glauben und diesem Rechtsverhältnis hinauslaufen. Grundsätzlich sind die Mitbewohner untereinander mietrechtlich oder als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zivilrechtlich miteinander verbunden. Hauptinhalt dieses Verhältnisses
ist das Bewohnen und gemeinschaftliche Bezahlen der gemeinsamen Wohnung. Öffentlich rechtlich sind sie als Gesamtschuldner der Rundfunkbeitragsschuld verbunden (s.o.) Aus beiden Verhältnissen ergibt sich die Nebenpflicht jedes Beteiligten, das Verhältnis für die anderen
Beteiligten erträglich zu gestalten und sich wohlgesonnen gegeneinander zu verhalten. Teil dieser Nebenpflicht ist eben auch die Weitergabe der Beitragskontonummer, die notwendig ist, damit die Beitragsschuld tatsächlich nur einmal entsteht.
Ich hoffe sehr, dass meine Antworten ihnen weitergeholfen haben. Nicht immer erhält man die Auskunft, die man sich gewünscht hat oder die man für richtig hält. Das geht mir oft genug genauso. Doch die rechtliche Grundlagen, nach denen sie gefragt hatten, bestehen.
Vielen Dank für Ihr Interesse.
Mit freundlichen Grüßen
Carsten Schatz