Frage an Carsten Schatz von Klaus M. bezüglich Verkehr
Wie stehen Sie zu dem "Straßenausbaubeitragsgesetz"?
Sehr geehrter Herr Klaus Mennel,
vielen Dank für ihre Anfrage.
Ich teile in dieser Frage die Position meiner Partei DIE LINKE. Berlin in unserem Wahlprogramm zur Abgeordnetenhauswahl Berlin. DIE LINKE. Berlin hat 2006 das Straßenausbaubeitragsgesetz mit dem Koalitionspartner SPD beschlossen. Hintergrund war die Haushaltsnotlage Berlins und die Möglichkeit, über das Erheben von Straßenausbaubeiträgen Einnahmen für das Land Berlin zu erzielen, die auch in allen anderen Bundesländern (mit der einzigen Ausnahme Baden-Württemberg) erhoben werden. Hätten wir den Straßenausbaubeitrag nicht erhoben, hätte das Bundesverfassungsgericht monieren können, dass das Land Berlin als einziges Bundesland mit Haushaltsnotlage auf diese Einnahme verzichtet.
Angesichts dieser Ausgangslage haben wir uns für das bundesweit anliegerfreundlichste Gesetz entschieden. Bei allen Maßnahmen müssen die Betroffenen schriftlich und - so hatten wir es vorgesehen - möglichst in einer Anliegerversammlung informiert werden. Es sollen Varianten des Ausbaus zur Wahl stehen. Zusätzlich wird die Bezirksverordnetenversammlung einbezogen; sie muss der Ausbaumaßnahme zustimmen.
Trotz dieser weitreichenden gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligung der beitragspflichtigen Bürgerinnen und Bürger müssen wir heute feststellen, dass das Gesetz in den Bezirken sehr unterschiedlich umgesetzt wird. Einige Bezirke - wie der Bezirk Pankow - nehmen die Bürgerbeteiligung sehr ernst, während es andere mit ihren Bezirksämtern z.B. nicht für nötig halten, Anliegerversammlungen durchzuführen. Auch die Anwendungsverordnung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung konnte kein einheitliches Vorgehen in den zwölf Bezirken herbeiführen.
Nicht akzeptabel ist, dass Straßen ausgebaut werden und als beitragspflichtig gelten, obwohl jahrzehntelang eine Instandhaltung und Instandsetzung unterlassen wurde. Genau das auszuschließen, spielte für uns in der Auseinandersetzung um den Wortlaut des Gesetzes eine ganz besondere Rolle. Genau so fragwürdig ist es, wenn Anlieger zur Kasse gebeten werden, obwohl eine Straße im öffentlichen Interesse gebaut wird und die Anlieger - wie die des Kirchhainer Damms - außer mehr Lärm und Straßenverkehr rein gar nichts vom Ausbau haben. Auch, dass Anlieger an Baumaßnahmen der Berliner Wasserbetriebe beteiligt werden, obwohl sie bereits Wassergebühren entrichten und die Arbeiten zu keiner Verbesserung der Straße führen, halten wir für nicht tragbar.
Nach fünf Jahren müssen wir konstatieren: Das Gesetz hat den Praxistest nicht bestanden. Zwar wurde die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger handhabbarer und transparenter. Zwar haben wir dafür gesorgt, dass die Anlieger seit einem Jahr von den Kosten der Straßenbeleuchtung berlinweit verschont sind. Und dank der Linksfraktion in der BVV kam Marzahn z.B. ganz ohne Beiträge aus. Doch das reicht unterm Strich nicht aus.
Wir finden: Wenn sich eine Entscheidung im Nachhinein als falsch erweist, muss gehandelt werden. Wir korrigieren deshalb unsere Position von vor fünf Jahren und setzen uns für die Abschaffung des Straßenausbaubeitragsgesetzes ein. Wir sagen:
- Erhalt und Straßenausbau müssen als kommunale Gemeinschaftsaufgabe bewältigt werden. Straßenentwässerung und Beleuchtung gehören zu diesem Paket.
- Ausbau- und Erschließungsmaßnahmen müssen nachvollziehbar voneinander abgegrenzt werden.
- Und: Wir müssen nach ausgleichenden Regelungen für die bisher vom Straßenausbaubeitragsgesetz Betroffenen suchen, wenn dieses Gesetz außer Kraft gesetzt wird.
Herzliche Grüße
Ihr Carsten Schatz
Auch wenn Sie meine Antwort nicht überzeugt hat, bitte ich Sie: Gehen Sie wählen! Wählen Sie demokratisch! Erschweren wir durch hohe Beteiligung Nazis und Rechtspopulisten den Einzug in die Parlamente!