Frage an Carsten Preuß von Thorsten W. bezüglich Soziale Sicherung
Was denken Sie über Tarifflucht, Pauschalverträge, unbezahlte Überstunden? Dazu eine Standardpassage aus dem (Pauschal)-Arbeitsvertrag meiner Firma. „Mit der Vergütung sind sämtliche Überstunden sowie Mehr-, Sonn- und Feiertagsarbeit abgegolten.“ Die geleisteten, unbez. Überstunden werden aber sehr wohl auf Projekte geschrieben. Die Kosten steigen, der variable Gehaltsanteil (20%!) des MA sinkt. Bei einigen Mitarbeitern geht es um einige hundert Überstunden. Ein Jahres- oder Lebensarbeitszeitkonto gibt es nicht, auch keinen Betriebsrat oder Tarif. Ein BR wurde vom privaten Gesellschafter unterbunden (Einzelgespräche).
Die Rente mit 67!!! Wer dass beschlossen hat sollte mal an der Basis in Industrie, Mittelstand, etc. arbeiten. Die Firmen reduzieren Kapazitäten. Die Effizienz steigt weil die MA unbezahlte Überstunden leisten! Bei der Errechnung der Arbeitsjahre sollten diese einfach mal berücksichtigt werden. Gewinner sind die Unternehmen, Firmeneigner etc.. Die AG werden weiterhin bei den Sozialbeiträgen entlastet (Asymmetrie der Beiträge AN/AG). Es wird seit Jahren geredet, passiert ist nichts. Die Rentensysteme in der Schweiz, Österreich oder Skandinavien sichern die Beschäftigten deutlich besser ab (Gap 20-30%). Warum werden nicht alle am System beteiligt, inkl. Beamte, Selbständige etc. -> Bürgerversicherung.
Die Riesterrente ist ein kompliziertes Konstrukt dass in erster Linie die Versicherungsunternehmen und Ihre Versicherungsvertreter reich gemacht hat. Durch die unsinnige Unterscheidung von mittel- und unmittelbarer Zulagenberechtigung wurden z.B. meiner Frau für zwei Jahre, mehrere Jahre später, sämtliche Zulagen (3 Kinder) aberkannt. Es gibt bei solchen Problemen keine neutrale Anlaufstelle. Niemand ist schuld, außer natürlich die Versicherten. Niemand ist zuständig: RV, Zulagenstelle-RV, BAFIN, Sozialministerium, die Astell-Gothaer natürlich erst recht nicht. Die kassiert nur. Laut Zulagenstelle kann der Fehler nicht mehr korrigiert werden.
Sehr geehrter Herr W.,
die Zitate aus Ihrem Arbeitsvertrag machen mich betroffen. Es ist tatsächlich so, das nur noch knapp jeder dritte Betrieb in West- und gerade einmal jeder fünfte Betrieb in Ostdeutschland tarifgebunden ist. Immer weniger Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen stützen das Tarifvertragssystem. Es verwundert, dass die Bundesregierung der Auffassung ist, dass eine Erosion des Systems der Branchen- bzw. Flächentarifverträge nicht zu beobachten ist. Das sehe ich ganz anders.
Die Arbeitgeber haben in weiten Teilen den sozialen Kompromiss aufgekündigt, und die Bundesregierung will von all dem nichts wissen. Der tarifpolitisch gut regulierte Kern wird immer kleiner und die tarifschwachen und -freien Zonen immer größer.
Das 2015 in Kraft getretene Tarifstärkungsgesetz von Ministerin Nahles springt zu kurz und muss weiterentwickelt werden. Wenn sich z.B. die Tarifparteien einig sind, darf es kein Vetorecht von anderen Arbeitgeberverbänden geben, wie das jetzt der Fall ist. Klar ist aber auch, dass nur starke Gewerkschaften den Arbeitgebern gute Arbeitsbedingungen und höhere Löhne abringen können.
Nur eine organisierte Belegschaft und Betriebsräte, die Mitbestimmung und Teilhabe einfordern, können die Spirale der Konkurrenz nach unten aufhalten. Um die Spaltung der Belegschaften zu stoppen, müssen Betriebsräte das Recht erhalten, in allen wirtschaftlichen Fragen effektiv mitzubestimmen. Der Einsatz von Leiharbeit und Werkverträgen ist in jedem Fall von der Zustimmung des Betriebsrates abhängig zu machen.
Zum Thema Rente: Die gesetzliche Rente muss den Lebensstandard im Alter wieder sichern und wirksam vor Armut schützen. Wir wollen eine Umkehr in der Rentenpolitik. Das Rentenniveau von 53 Prozent muss sofort wieder hergestellt werden. Das bedeutet: 122 Euro netto mehr im Monat für einen »Standardrentner«. Wir wollen eine Solidarische Mindestrente von 1.050 Euro netto im Monat. Ja, Sie haben recht mit der Kritik an der Rente mit 67. Wir wollen die Rente ab 65 abschlagsfrei, sowie mit 60 Jahren bei 40 Beitragsjahren.
Wir wollen, dass für alle Erwerbseinkommen Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt werden müssen. Auch Politikerinnen und Politiker, Selbstständige, Freiberuflerinnen und Freiberufler, Beamte und Beamtinnen und Manager und Managerinnen sollen Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Wir wollen zudem die Ostrenten vollständig angleichen, die Riesterrente abwickeln und gute Betriebsrenten als Ergänzung beibehalten. Zeiten der Erwerbslosigkeit, der Kindererziehung und Pflege müssen besser abgesichert werden, damit sie nicht zu Armutsrenten führen. Für jedes Kind wollen wir drei Entgeltpunkte – das sind zurzeit über 90 Euro sogenannter »Mütterrente« – auf dem Rentenkonto gutschreiben. Egal, ob ein Kind 1960 oder 2010, in Ost oder West geboren wurde.
Weitere Infos finden Sie auf meiner Homepage unter: http://www.carstenpreuss.de/index.php/aktuelles-uebersicht/statt-altersarmut-renten-rauf.html
Mit freundlichen Grüßen
Carsten Preuß