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Carsten Kühl
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Frage von Christopher G. •

Frage an Carsten Kühl von Christopher G. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Hallo Herr Dr. Kühl,

was ist Ihre Position zum bedingungslosen Grundeinkommen?
Wie beabsichtigen Sie zu handeln, um den Digitalen Wandel in Deutschland zu gestalten/kanalisieren?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr G.,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Die SPD lehnt ein bedingungsloses Grundeinkommen ab. Es entwertet die Leistung der arbeitenden Menschen. Das Grundeinkommen schließt Menschen von der Teilhabe an Arbeit und gesellschaftlichem Zusammenhalt aus. Uns kommt es vielmehr darauf an, die hohe Qualifikation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland angesichts des digitalen Umbruchs in der Arbeitswelt maximal zu erhalten.
Dafür wollen wir eine Qualifizierungsgarantie und ein Chancenkonto für Erwerbstätige einführen. Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen ein persönliches Chancenkonto erhalten, das mit einem staatlichen Startguthaben ausgestattet ist. Es kann eingesetzt werden für die Finanzierung von Weiterbildung und Qualifizierung, die über reine Erhaltungsqualifikationen hinausgehen, denn dafür müssen die Unternehmen Verantwortung tragen. Man kann es zudem nutzen für Gründungen und den Übergang in die Selbstständigkeit.

Zur Digitalisierung: Dies ist natürlich ein sehr breites Thema und berührt zahlreiche politische Aspekte. Erlauben Sie mir, nachfolgend einige Punkte aufzuführen, die mir in diesem Zusammenhang wichtig erscheinen.

Es ist eine politische Aufgabe, die Digitalisierung unserer Arbeitswelt zu gestalten. Arbeiten 4.0 heißt für uns: Gesetzliche Rahmenbedingungen, tarifvertragliche Regelungen und betriebliche Ausgestaltung müssen ineinandergreifen, um die Chancen zu nutzen. Mehr selbstbestimmte Arbeitszeitgestaltung ist ein zentrales Ziel, um mehr Vereinbarkeit von Arbeit und Leben zu ermöglichen. Beschäftigte sollen mehr Wahlmöglichkeiten bei ihrer Arbeitszeit und für ihren Arbeitsort erhalten, sofern betriebliche Belange dem nicht entgegenstehen. Wir wollen daher, in enger Abstimmung mit Gewerkschaften und Unternehmen, ein Wahlarbeitszeitgesetz auf den Weg bringen, in dem Rechtsansprüche der Beschäftigten, finanzielle Unterstützung in bestimmten Lebensphasen und Anreize für die Aushandlung betrieblicher Wahlarbeitskonzepte miteinander verzahnt sind.
Zudem wollen wir Langzeitkonten für Beschäftigte und Betriebe attraktiver machen. Wenn viel Arbeit anfällt, muss es möglich sein, zusätzlich geleistete Arbeitszeiten anzusparen. In ruhigeren Phasen oder wenn mehr Zeit für die Familie gebraucht wird, kann dann weniger gearbeitet werden. Wir wollen daher prüfen, ob und wie Langzeitkonten betriebsübergreifend organisiert werden können. Digitalisierung ermöglicht mehr Flexibilität und bessere Chancen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das Wahlarbeitszeitgesetz soll auch einen rechtlichen Rahmen für mobile Arbeit schaffen. Dabei ist es unser Ziel, dass die Tarifparteien Vereinbarungen dazu treffen. Arbeitgeber sollen begründen müssen, wenn der Wunsch nach mobiler Arbeit abgelehnt wird.
Auch in einer digitalisierten Arbeitswelt sind Ruhezeiten weiter nötig! Wir werden eine Klarstellung des Rechts auf Nicht-Erreichbarkeit schaffen, um Belastungen, die sich mit orts- und zeitflexibler Arbeit verbinden, zu begrenzen.

Die SPD ist die treibende Kraft, dass der Bund endlich mehr Verantwortung in der Bildungspolitik übernimmt und insbesondere auch eine Digitalisierungsoffensive für die Schulen initiiert. Egal wo gelernt wird: Schulen müssen aus unserer Sicht strahlen – die Gebäude, aber auch ihre Ausstattung. Wir wollen deshalb mit einem Schulmodernisierungsprogramm des Bundes für gut ausgerüstete Klassenzimmer, barrierefreie Gebäude und moderne Ausstattung, auch mit digitaler Technik sorgen. Auch die Ausstattung der Berufsschulen ist im Rahmen eines Berufsschulpakts zu verbessern. Kompetenzen im Umgang, Einsatz, Gestaltung und in der Nutzung digitaler Medien und Technik sind wichtig. Deshalb wollen wir gemeinsam mit den Ländern neue Bildungsstandards für alle Bildungsbereiche und Schulstufen entwickeln. Schülerinnen und Schüler sollen digitale Kompetenzen fächerübergreifend erwerben.
Auch die Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte wollen wir entsprechend weiterentwickeln, denn Lehrerinnen und Lehrer müssen sich immer wieder auf neue Herausforderungen einstellen – auf die kulturelle Vielfalt und die Vielfalt von Lebensmodellen an ihrer Schule, auf das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung, auf ganztägigen Unterricht oder auf neue Entwicklungen in der digitalen Bildung. Die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern werden wir deshalb fortsetzen und weiterentwickeln.

Wir brauchen schnelles Internet für alle und müssen Deutschland fit machen für die Gigabitgesellschaft: Im Jahr 2025 wollen wir in Deutschland eine der modernsten digitalen Infrastrukturen haben. Der Zugang zum schnellen Netz ist Bestandteil der Daseinsvorsorge, sichert die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Egal ob in den Metropolen, in Kleinstädten oder auf dem Land: wir müssen die Voraussetzungen für leistungsfähige und sichere digitale Gigabitinfrastruktur schaffen.
Die vereinbarte flächendeckende Versorgung mit einer Datengeschwindigkeit von mindestens 50 Megabit pro Sekunde bis 2018 kann nur ein erster Zwischenschritt sein. Wir haben bereits in den letzten Jahren über 4 Milliarden Euro Fördermittel von Bund und Ländern aktiviert, die zusätzliche private Investitionen auslösen und nun nach und nach verbaut werden. Auch beim mobilen Breitband werden hohe Versorgungsauflagen in der Fläche greifen. Dies alles sind wichtige Zwischenschritte, um schnelles Internet in allen Regionen zu verwirklichen. Unser Ziel sind jedoch Gigabitnetze. Bis 2025 sollen mehr als 90 Prozent aller Gebäude daran angeschlossen sein. Voraussetzung hierfür ist, dass vor allem auf Glasfaseranbindung gesetzt werden muss. Die hierfür notwendigen Investitionen werden wir fördern.
Die Entwicklung der 5. Generation der mobilen Datenübertragung (5G-Standard) werden wir weiter vorantreiben. Dafür müssen auch die Antennenstandorte mit Glasfaser erschlossen werden. Die Mobilfunktechnologie schafft weitere notwendige Bandbreiten.
Offene WLAN-Hotspots sind außerdem ein wichtiger Bestandteil einer modernen digitalen Infrastruktur und leisten ebenfalls einen wichtigen Beitrag zum Abbau der digitalen Spaltung. Wir haben in dieser Legislaturperiode erfolgreich die Rechtsgrundlage dafür geschaffen, dass Betreiber von offenem WLAN kein Haftungsrisiko mehr eingehen müssen. Wir haben noch vor Ende der Legislaturperiode im Bundestag mit einer weiteren gesetzlichen Klarstellung die nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes neu aufgeworfenen Fragen behoben und weitere Rechtssicherheit für WLAN-Hotspots schaffen.

Die meisten Behördengänge sollen sich in Zukunft auch online erledigen lassen. Daher wollen wir für eine schnelle Umsetzung der Digitalisierung in der Verwaltung sorgen. Diese sorgt einerseits für mehr Benutzerfreundlichkeit für die Bürgerinnen und Bürger. Andererseits kann die Verwaltung selbst durch die Digitalisierung effizienter und fehlerfreier arbeiten. Eine moderne und effiziente Verwaltung wird möglichst viele Dienstleistungen aus einer Hand anbieten. Wir wollen, dass Nutzerinnen und Nutzer sich einfach und sicher mit einer Zugangsberechtigung für alle Verwaltungsdienstleistungen identifizieren können. Niemand soll seine Daten mehrfach übermitteln müssen. Den jeweiligen Bearbeitungsstand der Verwaltung sollen Antragsteller jederzeit nachvollziehen können. Mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Bund, Ländern, Kommunen und den Sozialversicherungen werden wir dafür sorgen, dass weitestgehend alle Prozesse und Dienstleistungen in den nächsten fünf Jahren auf einem Deutschlandportal für Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen verfügbar sind.
Die Digitalisierung verändert, wie wir leben und arbeiten, sie verändert auch, wie wir lernen. Bildung in und für die digitale Welt umfasst alle Bildungsbereiche und hat die digitale Selbstbestimmung und digitale Selbständigkeit zum Ziel. Digitale Selbständigkeit meint, dass jeder Bürger und jede Bürgerin in der Lage sein soll, alle Möglichkeiten der digitalen Gesellschaft möglichst selbständig nutzen und sich zugleich vor damit verbundenen Risiken möglichst gut schützen zu können. Digitale Selbstständigkeit betrifft alle Generationen. Die Volkshochschulen spielen dabei eine wichtige Rolle in der Erwachsenenbildung. Wir schaffen Angebote für ältere Menschen, damit sie die Möglichkeiten der digitalen Gesellschaft besser nutzen können und unterstützen flächendeckende und miteinander vernetze Angebote, die die Potenziale der Digitalisierung nutzen zu können, damit ältere Menschen lange aktiv sein können.

Die fortgesetzte Digitalisierung des Gesundheitswesens ist eine der zentralen Herausforderungen auch für die 19. Wahlperiode. Wir haben mit dem E-Heath-Gesetz im Jahr 2015 die Rahmenbedingungen für eine nunmehr zügige Umsetzung der Telematikinfrastruktur und einen Ausbau telemedizinischer Angebote geschaffen. Unser Ziel ist ein einheitliches Kommunikationsnetz von Leistungserbringern, Kassen und Patientinnen und Patienten auf höchstem Sicherheitsniveau, das seinesgleichen sucht. Am Ende der bisher im E-Health-Gesetz beschriebenen Entwicklung wird eine elektronische Patientenakte stehen, die es mit Zustimmung des Patienten erlaubt, Diagnose- und Versorgungsdaten behandelnden Leistungserbringern zur Verfügung zu stellen. Das wird die Versorgung nicht weniger als revolutionieren und dabei helfen, fortgesetzt hocheffiziente Strukturen zu schaffen.
Die GesundheitspolitikerInnen der SPD-Bundestagsfraktion der 18.WP haben bereits bei der Verabschiedung des E-Health Gesetzes betont, dass dies nur ein erster Schritt sein kann, um die Digitalisierung im Gesundheitswesen patientenorientiert zu gestalten. Wir gehen vielmehr davon aus, das uns die Veränderungen im Zuge der Digitalisierung über die nächsten Jahre und Legislaturperioden begleiten werden. Wir werden uns neben der Telematikinfrastruktur auch neuen Herausforderungen widmen müssen. Beispielsweise dem Umgang mit neuen Anwendungen in der Versorgung - insbesondere Smartphone-Apps. Hier muss klar erkennbar werden, was nützt und auch sinnvoll für den Patienten ist.
Mit dem E-Health Gesetz haben wir die Grundlage für die ersten telemedizinischen Anwendungen und ihre Vergütung geschaffen. Die sich abzeichnende Masse an Möglichkeiten telemedizinischer Anwendungen lässt uns zuversichtlich sein, dass das Angebot sehr schnell wachsen wird. Was in einem solch dynamischen Prozess Eingang in die Versorgung finden wird, ist abzuwarten. Wir sind davon überzeugt, dass gerade telemedizinische Anwendungen - insbesondere Monitoring - einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherung in Stadt und Land und den Möglichkeiten zum Verbleib der Häuslichkeit liefern wird. Sie können sicher sein, dass wir die Entwicklung genauestens im Auge haben.

Moderne Medien sind inzwischen wichtige Elemente eines kulturellen Gedächtnisses: Kultureinrichtungen, z.B. Museen, stellen ihre Sammlungen ins Netz und werben zunehmend im Internet für ihre Einrichtungen. Die digitale Präsenz wird für sie immer wichtiger. Die SPD wird die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die Kultureinrichtungen in die digitale Zukunft geführt werden. Dazu gehören koordinierte Ansätze für die Langzeitverfügbarkeit, für individuell zugeschnittene digitale Strategien und insbesondere auch die konsequente Nutzung digitaler Möglichkeiten für die Produktion und Vermittlung kultureller Inhalte. Zentral für uns ist zudem die Mehrsprachigkeit digitaler Angebote, um den Herausforderungen der Integration, aber auch des Kulturtourismus, gerecht zu werden. Wir wollen die Deutsche Digitale Bibliothek stärken und zu einer eigenständigen Institution ausbauen, um die Aufgabe der Langzeitverfügbarkeit sowie die Schaffung gemeinsamer Standards im Bereich der Formate und Metadaten zu ermöglichen. Wir sehen die Digitalisierung als Hebel für eine niedrigschwellige Kulturvermittlung. Deshalb halten wir alle bundesgeförderten Häuser dazu an, ihre Angebote per Streaming verfügbar zu machen und werden geeignete Unterstützung dafür geben. Für eine angemessene Vergütung der Urheberinnen und Urheber sowie Rechteinhaberinnen und -inhaber muss dabei Sorge getragen werden. Vom Bund geförderte Inhalte müssen – wo rechtlich möglich – als Open Data unter Creative Commons-Lizenzen zur Weiternutzung zur Verfügung stehen.
Elektronische Veröffentlichungen wie E-Books und Online-Zeitungen wollen wir auf dieselbe Mehrwertsteuer-Stufe stellen wie ihr analoges Pendant.

Die Digitalisierung ist eine Aufgabe, die schon längst quer durch alle Politikfelder geht. Wir brauchen eine stärkere Bündelung und Koordinierung der Digitalpolitik, Digitalpolitik muss zur Chefsache werden. Die Digitalpolitik muss daher auch auf Ebene der Bundesregierung endlich eine Stabsaufgabe im Kanzleramt werden. Zudem werden wir ein Digitalkabinett einrichten, das unter Leitung des Bundeskanzlers die Digitalpolitik umfassend und effektiv koordiniert.

Sollten Sie noch weitere Fragen, Ideen oder Anregungen haben, können Sie sich gerne wieder bei mir melden.

Mit freundlichen Grüßen
Carsten Kühl