Frage an Carsten Körber von Jörg S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Hallo,
werden Sie für ein 3.Hilfspaket Stimmen?
Sehr geehrter Herr Schwarz,
nach Abwägung aller Fakten habe ich heute Mittag, durchaus nicht ohne Bedenken, dem Antrag der Bundesregierung, Verhandlungen zu einem dritten Hilfspaket für Griechenland aufnehmen zu dürfen, zugestimmt. Bundeskanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble haben sich mit unseren europäischen Partnern auf das bislang weitreichendste Programm verständigt. Es gibt klare Bedingungen, von Griechenland zu erfüllende fest definierte Reformschritte, und einen fixen Zeitplan. Geld wird es nur tranchenweise geben und auch nur dann, wenn bestimmte Schritte zur festgelegten Zeit erfüllt sind. Passiert das nicht, so kann es auch kein Geld geben. Außerdem konnte sich Deutschland mit der Forderung durchsetzen, dass der IWF an Bord bleibt. Im Übrigen meine ich, dass wir wegen Griechenland den Bruch mit unseren wichtigsten Partnern in der Eurozone, Frankreich und Italien, nicht riskieren sollten, dafür ist Europa zu wichtig. Technisch ging es im heute beschlossenen Antrag erstmal nur um das reine Verhandlungsmandat für die Bundesregierung. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt auch noch völlig offen, ob die dann folgenden Verhandlungen mit Griechenland überhaupt positiv abgeschlossen werden. Erst dann wird der Deutsche Bundestag erneut über das dann erzielte Ergebnis abstimmen. Das wird aber wohl nicht vor Ende August der Fall sein. Grundsätzlich darf aber nicht der Eindruck entstehen, dass wir hier in Deutschland die griechischen Probleme lösen können. Das müssen die Griechen schon selbst machen. Und deshalb werden wir an die Freigabe neuer Gelder vorab exakt definierte Bedingungen knüpfen.
Nur erlauben Sie mir, einige Gedanken zu äußern, die bei allem, was in diesen Tagen zur Griechenlandhilfe geschrieben und gesprochen wird, auch in die Gesamtüberlegung einbezogen werden sollten:
Der Bau des Europäischen Hauses samt Währungsunion ist kein abgeschlossener Prozess. Ganz im Gegenteil befinden wir uns noch inmitten des Integrationsprozesses. Viele Bereiche, gerade auch im Fiskalischen und Monetären, sind noch nicht in einem gesamteuropäischen Sinne so harmonisiert, dass wir stets zu befriedigenden Ergebnissen gelangen. Von demokratietheoretischen Fragestellungen einmal ganz abzusehen. Das haben wir in den letzten Jahren der globalen Finanz- und Bankenkrise und auch seit Beginn der Griechenlandkrise vor 5 Jahren schmerzhaft erlebt. Ohne Frage lässt sich in einer solchen Krisensituation schwerlich und mit absoluter Sicherheit beurteilen, mit welchen Rezepten reagiert werden muss, um Ereignisse wie die eklatanten Zinsaufwertungen für einige Euro-Länder innerhalb der Eurozone permanent unter Kontrolle zu bringen oder Zahlungsausfälle wie jetzt bei Griechenland zu verhindern. Jedoch haben sich die europäischen Länder immer wieder zusammenraufen können und haben bspw. mit dem ESFS und dem ESM sowie der Bankeneinlage Instrumente vereinbart, die den Euroraum viel stabiler vor Spekulationen gemacht haben, als er es noch vor 5 Jahren war, als die Krise in Griechenland anfing. Das war und ist gut für alles Länder, die den Euro als Währung teilen, auch für Deutschland.
Dieses gemeinsame, abgestimmte Vorgehen der EU- und Euro-Länder, das naturgemäß einen Kompromiss als Ergebnis nach sich ziehen muss, macht Mut. Sicher, wir fliegen einmal mehr „auf Sicht“, wenn wir nun Griechenland unter strengsten Auflagen eine weitere Chance für die Konsolidierung ihrer Wirtschaft und zur Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit verschaffen. Aber letztlich geschieht dies vor dem Hintergrund – und dies wird leider viel zu selten hervorgehoben – der enormen Vorteile, die auch und besonders uns Deutsche diese Europäische Union bisher gebracht hat: Die deutsche Wirtschaft profitiert seit Jahren überdurchschnittlich von Warenverkehrs-, Arbeitnehmer- und Dienstleistungsfreiheit sowie der einheitlichen Währung im Euroraum. Unsere Unternehmen konnten Produkte im Wert von 2 Billionen Euro allein in die Euro-Zonenländer absetzen: innerhalb der letzten 5 Jahren, wohlgemerkt, also gerade einmal über den Verlauf der Griechenlandkrise. Würde man diese Prognose auch die kommenden drei Jahre hochrechnen, käme man auf eine Exportsumme von 1,2 Billionen Euro. Diesen 1.200 Milliarden stehen im Vergleich rd. 23 Milliarden Euro gegenüber, für die Deutschland in einem möglichen dritten Griechenlandpaket von 86 Milliarden – der deutsche Anteil beträgt 27 Prozent – ggf. haften müsste.
Viel gewichtiger aber ist der Aspekt, dass wir seit 70 Jahren friedlich in dieser EU miteinander leben. Es erscheint selbstverständlich, ist es aber wohl nicht, wie der Blick einige hundert Kilometer östlicher, in die Ukraine oder nach Syrien, zeigt.
Dies alles muss man, meine ich, ehrlicherweise bei der Diskussion um steuerfinanzierte Hilfszahlungen auch immer im Kopf haben. Niemand weiß, wie teuer – fiskalisch und politisch – ein Austritt eines Euro-Landes sein würde. Ohne Griechenland bspw. sprechen wir über eine andere EU und einen anderen Euro-Raum, das muss uns klar sein.
Es wird nun darauf ankommen – unbeschadet der Krise in Griechenland – zu überlegen, welchen Weg wir weitergehen wollen: Den Euro durch weitere Vertragsanpassungen unter Aufgabe nationaler Souveränität auf neue Füße zu stellen, also die Finanz- und politische Union stärker voranzutreiben, oder aber im Rahmen des bestehen Vertragswerkes und der Mechanismen kleinere Änderungen vorzunehmen. Hierauf müssen wir stärker unser Augenmerk lenken.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meinen Ausführungen weiterhelfen!
Mit freundlichen Grüßen aus Berlin
Carsten Körber