Frage an Carola Reimann von Christoph K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Dr. Reimann,
mit dem neuen „Gendiagnostikgesetz“ ist die umstrittene Forderung wahr gemacht, Vaterschaftstests, für die keine Zustimmung der Mutter vorliegt, unter Strafe zu stellen, statt es bei der bisher straflosen Rechtswidrigkeit zu belassen. Dabei ist unbestritten, dass die heimlichen Vaterschaftstests meistens dem Kind und dem Familienklima nutzen, weil in 80% der Fälle der Zweifler der echte Vater ist. Durch das Gendiagnostikgesetz werden Väter - in Familienangelegenheiten eh schon diskriminiert - kriminalisiert. Ein Testtourismus in liberale Länder ist zu befürchten. Ich bin sehr enttäuscht über diese Regelung. Es ist ein Schlag ins Gesicht für alle jungen Männer mit Kinderwunsch. Versicherungsunternehmen und Behörden bekommen im Gendiagnostikgesetz individuell zugeschnittene Schlupflöcher. Gentests dürfen von Versicherungen - ab einer Leistung von 300.000 Euro - verlangt werden. Asylbewerber müssen unter Umständen Gentests vorlegen, wenn sie einen Verwandten nachholen.
Wieso werden zweifelnden Vätern Strafen angedroht, in anderen Bereichen aber Ausnahmen zugelassen?
Bitte erklären Sie mir die Gründe für die Entscheidung gegen selbstbestimmte Vaterschaftstests?
Ich bitte Sie, diese Position nochmal zu überdenken.
Für viele Wähler wird die Entscheidung für oder gegen Strafen für selbstbestimmte Vaterschaftstests ein Gradmesser für die kommende Bundestagswahl sein.
Mit freundlichen Grüßen
C. Kulm
Sehr geehrter Herr Kulm,
vielen Dank für Ihr Schreiben über „abgeordnetenwatch.de“.
Die Regelungen, die wir für die heimlichen Vaterschaftstests im Gendiagnostikgesetz gefunden haben, halte ich für richtig und ausgewogen. Laut Gendiagnostikgesetz sind genetische Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung eines Kindes nur dann zulässig, wenn die Personen, von denen eine genetische Probe untersucht werden soll, in die Untersuchung eingewilligt haben. Damit sind heimliche Vaterschaftstest nicht zulässig. Dies entspricht auch der kürzlich beschlossenen Rechtslage. Die Vornahme oder Veranlassung einer „heimlichen“ Abstammungsuntersuchung wird als Ordnungswidrigkeit geahndet. Bezüglich des Bußgeldrahmens ist aber eine Abstufung vorgesehen, die den Vater, die Mutter und das Kind privilegiert. Der Bußgeldrahmen beträgt hier bis zu 5 000 Euro. Für alle anderen Personen, die eine Untersuchung ohne Einwilligung der betroffenen Personen veranlassen, gilt demgegenüber ein Bußgeldrahmen von bis zu 50 000 Euro.
Selbstverständlich haben alle Familienmitglieder ein Recht darauf, die leibliche Abstammung zu kennen. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung unter Federführung von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries bereits vergangenes Jahr das Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren auf den Weg gebracht. Es wurde im Februar 2008 vom Bundestag verabschiedet. Damit gibt es die Möglichkeit zu einem so genannten Verfahren zur Klärung der Abstammung. Das heißt, dass Vater, Mutter und Kind jeweils gegenüber den anderen beiden Familienangehörigen einen Anspruch auf Klärung der Abstammung haben. Das heißt, die Betroffenen müssen in die genetische Abstammungsuntersuchung einwilligen und die Entnahme der erforderlichen Proben dulden. Damit stehen auch zweifelnden Vätern Instrumente zur Klärung der Vaterschaft zur Verfügung, die geregelt ablaufen, ohne dass damit automatisch familiäre Bande zerstört werden.
Keine Lösung ist es, die Frage der Abstammung mit Hilfe von heimlichen Gen-Tests zu beantworten. Genetische Daten sind hoch sensible und persönliche Informationen, die es zu schützen gilt. Das gilt natürlich auch für die Informationen, die durch eine Untersuchung von Haare oder Speichel bei Kindern gewonnen werden. Tut man dies heimlich, so stellt dies einen schwerwiegenden Verstoß gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht dar. Auch das Bundesverfassungsgericht hat dies in der Vergangenheit bereits klar herausgestellt.
In Ihrem Schreiben gehen Sie auch auf die jetzt beschlossenen Regelungen zu genetischen Untersuchungen im Versicherungsbereich und beim Familiennachzug ein. Hier ist anzumerken, dass Gentests in diesen Bereichen nur in Sonderfällen gestattet sind. Versicherungen dürfen zur Vermeidung von Missbrauch nur bei sehr hohen Summen von mehr als 300.000 Euro die Ergebnisse bereits vorgenommener genetischer Untersuchungen verlangen. Im Falle des Familiennachzugs kommen genetische Abstammungsuntersuchungen nur dann zum Einsatz, wenn keine bzw. unzuverlässige Papiere und Nachweise aus den Herkunftsländern vorliegen.
Ich denke, wir haben mit dem Gendiagnostikgesetz ein gut ausbalanciertes Regelwerk vorgelegt, welches einerseits die Chancen genetischer Untersuchungen für den Einzelnen wahrt – mit einem starken Fokus auf des informationelle Selbstbestimmungsrecht, das aber auf der anderen Seite ausreichend Schutz vor Missbrauch sensibler Gesundheitsdaten bietet. Aus diesem Grund habe ich dem Gesetz zugestimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Carola Reimann MdB