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Frage von Christian W. •

Frage an Carola Reimann von Christian W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Dr. Reimann,

der heutigen Presse entnehme ich die Nachricht, dass auf Beschluss des Bundesinnenministers die als "rechtsextremistisch" eingestufte HDJ verboten wurde. So sehr ich die politische Auseinandersetzung mit dem Thema nicht scheue, so sehr frage ich mich, wie ein "Verbot" offenbar quasi per Erlass gegen eine Vereinigung durch mehr oder weniger eine eine einzelne Person veranlasst werden kann. Und dies offenbar ohne öffentliches Gerichtsverfahren.

Sollte dies so sein, so weckt dies in mir ein starkes Unbehagen. Ich würde erwarten, dass Verbote nur in einem rechtsstaatlichen Gerichtsverfahren ausgesprochen werden dürften.

Ich freue mich auf eine Antwort.

Mit freundlichen Grüßen,
Christian Witt

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Witt,

vielen Dank für Ihre kritischen Anmerkungen bezüglich des HDJ-Verbots. Gerne beziehe ich zu diesem Thema Stellung.

Bundesinnenminister Schäuble hat, wie Sie richtig festgestellt haben, den Verein „Heimattreue Deutsche Jugend - Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V.“ am 31. März 2009 verboten. Dieses Vorgehen beruht auf der untolerierbaren Zielsetzung des Vereins, eine „neonazistische Elite“ heranzubilden. Im Rahmen vorgeblicher unpolitischer Freizeitangebote wird ideologisch auf Kinder und Jugendliche eingewirkt, völkische, rassistische, nationalistische und nationalsozialistische Ansichten zu verbreiten.

Das Verbot hat der Bundesinnenminister durch Erlass einer Rechtsverordnung ausgesprochen. Schon seit Oktober 2008 läuft ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die „HDJ“.

Die gesetzliche Grundlage für das Verbot ergibt sich aus § 3 VereinsG. Dort heißt es zunächst in Abs 1 S. 1:
§ 3 Verbot

(1) 1 Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot).

Das Innenministerium sieht in seiner Begründung des Verbots diese Anforderungen für die „HDJ“ als erfüllt an. Auch hat es eine Verfügung in Form einer Rechtsverordnung gegeben. Bezüglich der zuständigen Verbotsbehörde heißt es in Abs 2 Nr. 2 weiter:

(2) Verbotsbehörde ist

1. (…)

2. der Bundesminister des Innern für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.

Die Zuständigkeit des Bundesinnenministers ergibt sich für ein Verbot der „HDJ“ daraus, dass sie länderübergreifende Untergliederungen besitzt.

Damit sind alle Anforderungen des VereinsG für ein Verbot eines Vereins wie der „HDJ“ erfüllt.

Der in § 3 VereinsG festgelegte Eingriff in die Vereinigungsfreiheit findet seine Legitimation wiederum in Art. 9 Abs 2 GG.

Für das Verbot durch den Innenminister bestand daher eine Rechtsgrundlage.

Sie haben dazu kritisch angemerkt, hier könne „mehr oder weniger eine einzelne Person“ das Verbot aussprechen und dass Sie auf ein „rechtsstaatliches Gerichtsverfahren“ hoffen würden.
Es ist diesbezüglich festzuhalten, dass die oberste Rechtsprechung über Jahrzehnte hinweg § 3 VereinsG ausgelegt hat, d.h. feste Vorgaben für ein rechtmäßiges Verbot eines Vereins durch die Exekutive, hier durch eine Rechtsverordnung des Innenministers, festgelegt hat. Der Innenminister hat sich also an festen Vorgaben zu orientieren und wird deshalb ein Verbot nur aufgrund sicherer Erkenntnisse aussprechen. Diese wurden im Rahmen des seit Oktober 2008 laufenden Ermittlungsverfahrens gegen die „HDJ“ durch Beschlagnahmung belastenden Materials erlangt.

Zudem wird die Rechtmäßigkeit des Verbots durch ein Anfechtungsrecht des betroffenen Vereins sichergestellt. Die „HDJ“ kann also die Maßnahme von Herrn Schäuble binnen eines Monats nach Aussprache des Verbots beim Bundesverwaltungsgericht anfechten. Dadurch wird für den betroffenen Verein ein rechtsstaatliches Verfahren gewährleistet.

Dass politische Parteien im Gegensatz zu Vereinen nur durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden dürfen, liegt an deren weitaus größerer Bedeutung für den Verfassungsstaat. Es besitzen aber auch Vereine wie die „HDJ“ das Recht auf die oberste Rechtsprechung (s.o.).

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Carola Reimann MdB