Frage an Carola Reimann von Hanns S. bezüglich Soziale Sicherung
Werte Frau Reimann!
Im DLF war zu hören, dass Sie dafür sind, Heroinsüchtige mit Stoff auf Kosten der Gesetzlichen Krankenkassen (finanziert durch die Pflichtversicherten, nicht die Steuerzahler) zu versorgen? Wie erklären Sie den SPD-Wählern, dass es kein geld mehr für Zahnersatz gibt, alte Menschen ohne Ersparnisse daher nur noch Suppe schlürfen dürfen, dass es kein Geld mehr für Brillen gibt, was ebenfalls soziale Ausgrenzung armer Menschen gibt, dass dann aber das Geld der seit Jahrzehnten Pflichtversicherten für diejenigen herausgeworfen wird, die einfach auf Kosten der Kranken "High" sein wollen? Wollen Sie mit diesem Zynismus Wahlkampf machen? Wieso zahlen wir nicht allein für Entzug, lassen die Stoffbeschaffung aber den Süchtigen organisieren? Wenn es dabei um Vermeidung von Beschaffungskriminalität und Prostitution geht, wieso ist das dann keine allgemeine Staatsaufgaabe, sondern eine Last, die einseitig den Pflichtversicherten der GKV auferlegt werden muss? Ist das die Politik der SPD?
Sehr geehrter Herr Schmidt,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Diamorphin-Behandlung von Heroinsüchtigen.
Im Rahmen des Gesetzesentwurfes zur diamorphingestützten Substitutionsbehandlung geht es nicht darum, Heroinsüchtigen ihren „Stoff“ zu finanzieren, sondern Schwerstabhängige mit dem künstlich hergestellten Diamorphin langfristig aus der Abhängigkeit zu befreien. Bundesweit könnte so rund 2000 Menschen mit Diamorphin zurück ins Leben geholfen werden. Arzneimittelstudien haben bewiesen, dass die Diamorphinbehandlung für diese Gruppe von Süchtigen zu signifikant größeren Effekten als die Methadonbehandlung führte, da der Beikonsum anderer Drogen abnahm und sich der Gesundheitszustand insgesamt verbesserte. Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf wollen wir die Diamorphinbehandlung in Deutschland als zusätzliche Option zur Behandlung schwerstkranker Opiatabhängiger einführen und in das Regelsystem der gesundheitlichen Versorgung integrieren.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Diamorphinbehandlung nur für Schwerstopiatabhängige angewendet werden soll, die nach den herkömmlichen Methoden nicht erfolgreich therapierbar sind. Insofern kommt die Diamorphinbehandlung nur für einen beschränkten Personenkreis in Betracht: die Betroffenen müssen mindestens 23 Jahre alt, seit fünf oder mehr Jahren abhängig sein und zudem bereits zwei erfolglose Therapien absolviert haben. Dazu kommt, dass die Behandlung nur in bestimmten Einrichtungen vorgenommen werden darf, die besondere Anforderungen erfüllen müssen, insbesondere im Hinblick auf die Sicherheit. Weitere Maßnahmen wie ein Sondervertriebsweg und eine entsprechende Qualifikation für die Ärzte sind ebenfalls vorgesehen. Der Entwurf trägt also den Bedürfnissen der Schwerstabhängigen Rechnung und enthält zugleich die notwendigen strengen Sonderregelungen, die wir beim Umgang mit dieser besonderen Substanz brauchen.
Bei den Betroffenen handelt es sich um langjährig schwerstabhängige Menschen in äußerst kritischem Gesundheitszustand. Durch die jahrelange Heroinabhängigkeit ist ihr Körper schwer gezeichnet. Für sie ist die Behandlung mit Diamorphin die letzte Therapieoption, eine allerletzte Chance in ein geregeltes Leben zurück. In Modellprojekten in sieben Großstädten wurde die Diamorphinabgabe unter ärztlicher Aufsicht erprobt: die Abhängigen bekommen drei Mal täglich zu bestimmten Zeiten und auch nur, wenn sie nüchtern sind, eine Dosis Diamorphin gespritzt. Dadurch gewöhnen sich die Süchtigen wieder an einen geregelten Arbeitsablauf. Ein wichtiger Punkt dabei ist zudem, dass sie sich für die Beschaffung nicht mehr prostituieren oder kriminell werden müssen. Wir wollen die Betroffenen aus diesen widrigen Umständen befreien und daher finde ich es nicht in Ordnung, lediglich für den Entzug zu zahlen, und die Stoffbeschaffung den Süchtigen zu überlassen.
Die Kosten für die Behandlung mit Diamorphin soll in die Regelversorgung der Gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen werden. Diamorphin soll als Arzneimittel nur für die Substitutionsbehandlung als verschreibungspflichtig eingestuft werden, da es sich als wirksames Medikament erwiesen hat. Da es sich bei Drogensucht um eine Krankheit handelt, werden die Behandlungskosten wie bei jeder anderen Krankheit auch von der Gesetzlichen Krankenversicherung getragen. Das grundlegende Prinzip der GKV ist Solidarität der Gesunden mit den Kranken. Daher finde ich es richtig, dass den Suchtkranken die Möglichkeit auf diese Behandlung eröffnet wird. Sie haben wie alle anderen Versicherten ebenfalls einen Anspruch auf eine wirksame Therapie.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Carola Reimann