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Carola Reimann
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Frage von Veit A. •

Frage an Carola Reimann von Veit A. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Dr. Reimann,

kürzlich las ich, dass das Gesetz zur Gendiagnostik wegen "Meinungsverschiedenheiten" innerhalb der großen Koalition scheitern könnte und Sie als gesundheitspolitische Sprecherin der SPD dazu der "Rheinischen Post" gesagt haben, Sie befürworten es, Gentests an Kindern im Mutterleib (Pränataldiagnostik) zu erlauben, die mögliche Krankheitsrisiken im späteren Leben – also lange nach der Geburt - vorhersagen. Die CDU will dagegen nach derselben Meldung solche Gentests verbieten (Rheinische Post: Gendiagnostikgesetz droht zu scheitern, 14.02.2009, www.presseportal.de/pm/30621/1352801/rheinische_post). Stimmt diese Meldung?

Sind Sie tatsächlich der Meinung, was ich kaum glauben kann, dass zukünftig auch Gentests auf Veranlagungen für Krankheiten wie Brustkrebs oder Alzheimer oder Parkinson (soweit die mit genetischen Veranlagungen zusammenhängen) schon vor der Geburt möglich sein sollen, und so eventuell eine (Spät-) Abtreibung motiviert wird, damit ein Kind mit diesem Risiko (also nur einer bestimmten Wahrscheinlichkeit!) gar nicht erst nicht zur Welt kommt?

Sind Sie der Meinung, dass Kinder mit "schlechten Genen" für solche späten Erkrankungen vermieden werden können und sollen (jedenfalls deren Geburt), wenn die Eltern das nach dem vorgeburtlichen Gentest entscheiden?

Was würden Sie zu Menschen sagen, die mit solchen genetischen Veranlagungen bereits geboren sind? Und sollten Träger solcher Gene die Möglichkeiten der modernen Pränataldiagnostik in Anspruch nehmen, damit sie nur Kinder zu Welt bringen, die von diesen Veranlagungen nicht betroffen sind?

Wie sehen Sie die Gefahr, dass die Gesellschaft gegenüber Eltern, die solche Risiken an ihre Kinder vererben könnten, mit der Erwartung herantritt, dass sie legale vorgeburtliche Gentests wahrnehmen und betroffene Embryonen abtreiben, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen "habt Ihr das denn nicht vorher wissen können" ?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Albert,

vielen Dank für Ihre Anfrage im Internetportal abgeordnetenwatch.de. Ich bin sehr froh, dass Sie mir durch Ihr Schreiben die Möglichkeit geben, häufig auftretende Missverständnisse bezüglich des Gendiagnostikgesetzes zu klären.

Sie beziehen sich in Ihrem Schreiben auf den Artikel „Gendiagnostikgesetz droht zu scheitern“ aus der Rheinischen Post vom 14.02.2009. In diesem wird durch ein Zitat von mir deutlich, was ich an dieser Stelle noch einmal betonen möchte: bei einer pränatalen Untersuchung eines Fötus oder Embryos können lediglich wenige Risiken wie z.B. Prostatakrebs, Brustkrebs und Chorea Huntington ermittelt werden. Es kann also keine Untersuchung auf beliebige Krankheitsrisiken stattfinden, wie teilweise behauptet wird. Der Begriff pränatale Diagnostik (PND) umfasst entgegen Ihrer Annahme nicht nur genetische Untersuchungen an Embryos und Föten im Mutterleib, sondern verschiedene Verfahren der vorgeburtlichen Diagnostik. Mit ihrer Hilfe sollen Risikoschwangerschaften und -geburten frühzeitig erkannt sowie Gefahren für Leben und Gesundheit von Mutter und Kind abgewendet werden.

Zu den Techniken der pränatalen Diagnostik gehören nicht nur Methoden, die nach Entnahme und Vermehrung fetalen Gewebes eine genetische Untersuchung des Ungeborenen ermöglichen, sondern auch bildgebende Verfahren wie der Ultraschall.

Anzumerken ist, dass es derzeit k e i n e spezialgesetzlichen Reglungen für vorgeburtliche Untersuchungen gibt. Mit dem Entwurf eines Gendiagnostikgesetzes werden erstmals strenge Anforderungen an die Durchführung von vorgeburtlichen Untersuchungen angelegt. Hierzu gehören die Aufklärung der schwangeren Frau und eine genetische Beratung durch qualifizierte Ärzte vor und nach einer genetischen Untersuchung. Darüber hinaus ist der Arzt verpflichtet, auf die unabhängige qualifizierte psychosoziale Beratung nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz hinzuweisen. Mit diesem Beratungskonzept wird dem Schutz des ungeborenen Kindes und dem Selbstbestimmungsrecht der Frau umfassend Rechnung getragen. Dies gilt auch in der Fachwelt als substantielle Verbesserung.

Aus diesen Gründen lässt der Regierungsentwurf für ein Gendiagnostikgesetz unter den genannten engen Voraussetzungen vorgeburtliche Untersuchungen auf spätmanifestierende Erkrankungen zu.

Nur so kann gesichert werden, auch das wurde in der Anhörung zum Gesetzentwurf von den Sachverständigen bestätigt, dass Einzelfallentscheidungen weiterhin möglich bleiben, beispielsweise in Familien, in denen Frauen und Mütter an erblichem Brustkrebs früh versterben. Gerade in diesen Fällen kann das Wissen dem Entstehen einer unzumutbaren Konfliktlage für die schwangere Frau effektiv entgegenwirken.

Zudem gibt es noch weitere Einwände gegen ein Verbot, das die CDU jetzt plötzlich fordert, obwohl wir uns auf gemeinsame Eckpunkte und einen gemeinsamen Gesetzentwurf, auch unter Berücksichtigung solcher Fragestellungen, geeinigt hatten. So gibt es schwere verfassungsrechtliche Bedenken, denn ein Verbot würde das Recht auf Wissen der Schwangeren verletzen. Weiterhin ist eine sichere Abgrenzung „spätmanifestierender Erkrankungen“ nicht möglich. Hinzu kommt, dass der den spätmanifestierenden Erkrankungen zugeordnete Begriff „Erwachsenenalter“ zu unbestimmt ist. Daher ist die Normierung eines solchen Verbots letztendlich schwierig.

Aus den oben genannten Gründen bin ich der Meinung, dass es kein Verbot dieser Tests geben sollte.

Den von Ihnen unterstellten Automatismus zwischen der Kenntnis einer möglichen spätmanifestierenden Erkrankung und der daraufhin erfolgenden (leichtfertigen) Abtreibung gibt es nicht. Das bestätigten jüngst auch die Sachverständigen anlässlich der Anhörung zum Gendiagnostikgesetz.

Auch die von Seiten der CDU/CSU befragten Experten konnten in der Anhörung nur bestätigen, dass in der jetzigen Praxis vorgeburtliche Untersuchungen auf spätmanifestierende Erkrankungen nur äußerst selten nachgefragt und nach genetischer Beratung noch seltener durchgeführt werden.

Mich empört, dass in dieser Debatte Frauen unterstellt wird, leichtfertig die Schwangerschaft zu beenden und den körperlich wie seelisch äußerst belastenden Prozess des Schwangerschaftsabbruchs einfach „mal schnell“ veranlassen. Die Realität sieht anders aus.

Gegen Ihre Annahme eines Automatismus sprechen zudem die strengen Kriterien, nach denen ein Abbruch nur erfolgen darf. Nach § 218a, Absatz 2, Strafgesetzbuch ist ein Abbruch einer Schwangerschaft nur dann zulässig, „wenn der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann.“ Eine eugenische Indikation wurde 1995 vom Gesetzgeber abgeschafft. Weiterhin ist ein Schwangerschaftsabbruch nach § 218a, Absatz 3, Strafgesetzbuch erlaubt, wenn die Schwangerschaft auf eine Vergewaltigung zurückzuführen ist.

Wie oben bereits ausführlich dargelegt, bin ich der Überzeugung, dass Menschen nach eingehender Beratung und Aufklärung in der Lage sind, solche Entscheidungen zu treffen. Einen paternalistischer Ansatz, der Menschen bevormunden will, lehne ich ab. Zudem ist es gerade bei sich spätmanifestierenden Erkrankungen angesichts des anhaltenden medizinischen Fortschritts denkbar, dass bis zum Ausbruch der Erkrankung Therapieoptionen möglich werden. Letztlich muss die Entscheidung über einen Gentest aber bei den Eltern bleiben, die nach eingehender und ausführlicher Beratung eine durchdachte Entscheidung treffen. Natürlich haben diese - auch das sieht das Gendiagnostikgesetz vor- die Möglichkeit, einen Gentest gänzlich abzulehnen.

In meinen Augen trägt der Entwurf des Gendiagnostikgesetzes den geäußerten ethischen Bedenken durch enge rechtliche Vorgaben und vor allem durch das Beratungskonzept sogar besser als bisher Rechnung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Carola Reimann MdB