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Frage von Rolf S. •

Frage an Carola Reimann von Rolf S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Dr. Reimann,

wie stehen Sie zu der Frage des Beitritts der Türkei in die EU?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Siedentopf,

planmäßig beginnen im Oktober 2005 die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Diese Verhandlungen sind ein Prozess mit offenem Ausgang. Auf dem EU-Gipfel im Dezember 2004 wurden die wichtigsten Eckpunkte für die Verhandlungen mit der Türkei festgelegt. Perspektivisch ist das Ziel der Verhandlungen auf jeden Fall der Beitritt, doch müssen dafür die Kopenhagener Kriterien erfüllt werden. Darin geht es unter anderem um institutionelle Stabilität, demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, Wahrung der Menschenrechte, Achtung und Schutz von Minderheiten und eine funktionsfähige Marktwirtschaft. Der Fortschritt der Beitragsverhandlungen wird in den nächsten Jahren vom Tempo der weiteren Reformen in der Türkei und ihrer Implementierung abhängen.

Der geplante EU-Beitritt der Türkei ist in der Öffentlichkeit umstritten. Doch wird häufig vergessen, dass nicht nur die Türkei vom Beitritt profitieren könnte, auch die EU selbst hat Interessen, die für den Beitritt sprechen. Zum Beispiel kommt der Türkei große Bedeutung durch die geografische Lage zu. In der Krisenzone mit den Konflikten im Irak und im Nahen Osten, mit den Herausforderungen durch die Atompolitik im Iran und den regionalen Aktivitäten Syriens gilt die Türkei als Stabilitätsanker. Wichtig sind dabei die großen Einflusschancen auf die türkischsprachigen Länder Zentralasiens. Die Aufnahme von Verhandlungen mit der Türkei kann ebenso eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den Terrorismus der Netzwerke Osama Bin Ladens spielen. Mit der Entscheidung einer großen islamischen Gemeinschaft wie der Türkei den europäischen Weg zu gehen, schwinden die Hoffnungen des radikalen Islamismus auf eine dauerhafte Pauschalkonfrontation Westen –Islam.
Auch als Wirtschaftspartner und Absatzmarkt ist die Türkei für die EU von hohem Interesse. Schon heute profitieren die EU und Deutschland von den intensivierten Wirtschaftsbeziehungen seit der Zollunion. Deutschland ist seit Jahren der wichtigste Handelspartner der Türkei, die ihrerseits 50% ihres Außenhandels mit der EU abwickelt. In Deutschland gibt es mehr als 40.000 deutsche Unternehmen, die zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Der geplante Verhandlungsbeginn mit der Türkei ist nicht gleichbedeutend mit dem Beitritt. Von der Entscheidung in Kopenhagen bis zur Aufnahme der 10 neuen Mitglieder am 1. Mai 2004 hat es 11 Jahre gedauert. Die Türkei rechnet mit einer Verhandlungsdauer von mindestens 10 Jahren, Ministerpräsident Erdogan spricht selbst vom Jahr 2019. In dieser Zeit wird nicht nur die Türkei nicht mehr die Türkei von heute sein, auch die EU wird sich verändert haben.

Wenn Sie weitere Informationen möchten oder Fragen haben, können Sie sich gern wieder an mich wenden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Carola Reimann, MdB