Frage an Carola Reimann von Adolf V. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Dr. Reimann,
in zunehmendem Maße werden Kinder mit Unterhaltszahlungen für ihre pflegebedürftigen Eltern in Pflegeheimen belastet, deren Renten zusammen mit den Leistungen der Pflegekassen selten ausreichen, um die hohen Heimkosten zu decken.
Die "Eintreibung" des Elternunterhalts durch die Sozialhilfeträger führt zu sehr viel Ungerechtigkeit. Es verwundert insofern nicht, dass viele Unterhaltsberechnungen falsch sind und vom Familiengericht korrigiert werden.
Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Rechtslage zum Elternunterhalt sehr unklar ist. Vielmehr unterliegen sie dem Zwang, für ihre Dienstherren möglichst hohe Einnahmen aus dem Elternunterhalt zu erzielen.
Trotz des hohen Verwaltungsaufwands nahmen die Sozialhilfeträger laut Sozialhilfestatistik des Stat. Bundesamts im Jahre 2004 nur etwa 1,25% ihrer Ausgaben über den Elternunterhalt ein. Letztlich finanzieren die Elternunterhaltspflichtigen allenfalls den Verwaltungsaufwand, es kommt aber kein Cent tatsächlich bei den pflegebedürftigen Eltern an.
Warum kommt die Allgemeinheit nur für die Pflegekosten von bedürftigen Kinderlosen und von Eltern auf, die wegen eigener Verfehlungen keinen Unterhalt von ihren Kindern fordern können?
Warum bestraft man gute Eltern, die leistungsfähige Kinder für die Gesellschaft herangezogen haben, mit der Unterhaltspflicht ihrer Kinder?
Ist das familienfreundlich?
Motiviert das zu Leistung?
Wie ist Ihre Meinung hierzu?
Sehr geehrter Herr Voltmer,
für Ihre E-Mail vom 4. März 2007 über das Internetportal „Abgeordnetenwatch“ danke ich Ihnen. Sie sprechen darin den so genannten Elternunterhalt an.
Wie sie richtig erwähnen, stellt sich die Frage des Elternunterhalts insbesondere dann, wenn die Eltern auf die Pflege in einem Heim angewiesen sind und Rente, Pflegeversicherung und sonstige Einkünfte nicht zur Begleichung der monatlichen Heimkosten ausreichen. In der Regel übernimmt dann das Sozialamt den entstehenden Differenzbetrag.
Allerdings sind Verwandte in gerader Linie nach § 1601 BGB einander zum Unterhalt verpflichtet, also auch Kinder für ihre Eltern. Das Sozialamt kann daher die Kinder in Zahlungsregress nehmen. Doch nicht immer müssen die Kinder Elternunterhalt zahlen. Dies hängt vom Einkommen und Vermögen, das man angespart hat, ab. Nicht jedem ist es zuzumuten, neben den vielen finanziellen Verpflichtungen, auch noch Elternunterhalt zu bezahlen. Aus diesem Grund existieren Freibeträge, die sich in der Regel an der so genannten „Düsseldorfer Tabelle“ orientieren. Hierbei wird natürlich auch berücksichtigt, ob es sich hierbei um Alleinstehende oder Verheiratete handelt und ob die Betroffenen selbst Kinder haben. In diesem Fall sind die Freibeträge höher. Begrenzungen gibt es auch bei der Heranziehung von Vermögen. Einige Vermögenswerte, wie beispielsweise das eigene Haus, sind tabu. Dazu gehört auch die Altersvorsorge, welche nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes dem Elternunterhalt vorgeht.
Ich halte diese Begrenzungen für richtig – niemanden soll mehr zugemutet werden, als er zu leisten im Stande ist. Dass durch die dadurch notwendige individuelle Überprüfung der Leistungsfähigkeit ein relativ hoher Verwaltungsaufwand entsteht, lässt sich leider nicht immer vermeiden. Dies ist auch bei den anderen Prüfungen der Leistungsfähigkeit oder der Bedürftigkeit in unserem Sozialsystem der Fall. Allerdings kenne ich keine Zahlen, die belegen, dass die Einnahmen aus dem Elternunterhalt lediglich den Verwaltungsaufwand decken.
Keineswegs sollen mit dem Elternunterhalt Eltern oder Kinder bestraft werden. Sie sollen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit einen Betrag leisten, der wie schon erwähnt, begrenzt ist. Niemand muss dabei befürchten, dass durch den Elternunterhalt die eigene Lebensplanung zerstört wird.
Nicht nachvollziehen kann ich den von Ihnen dargestellten monokausalen Zusammenhang von Erziehung und späterer finanziellen Leistungsfähigkeit der Kinder. Ob Kinder später einmal ein hohes Einkommen haben, ist nicht nur auf einen Faktor zurückzuführen. Insofern stellt die Erziehungsleistung der Eltern kein alleiniges Kriterium dar. Sie würden doch sicher auch nicht behaupten wollen, dass Menschen, die harte körperliche Arbeit verrichten und dafür leider nur gering entlohnt werden, schlecht erzogen wurden. Hier kann keineswegs von „eigenen Verfehlungen“ gesprochen werden. Ich finde es daher absolut richtig, dass sie keinen Elternunterhalt zahlen und an dieser Stelle die Solidargemeinschaft einspringt.
Dass jeder entsprechend seiner Leistungsfähigkeit seinen Beitrag leistet, ist meiner Überzeugung nach weder leistungs- oder familienfeindlich, sondern trägt zum sozialen Frieden in unserem Land bei.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Carola Reimann MdB