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Carola Reimann
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Frage von Thomas E. •

Frage an Carola Reimann von Thomas E. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Reimann,

bestimmt kennen Sie das Ergebnis der Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa, daß etwas mehr als drei Viertel der Bundesbürger (77 Prozent) dagegen sind, dass die Bundesregierung der Bitte der NATO um Entsendung von Tornados zur militärischen Aufklärung in den stärker umkämpften Süden Afghanistans nachkommt.

Wie ist Ihre Position zur Frage der Entsendung von Tornados in den Süden Afghanistans? Welches ist die Beründung Ihrer Position?

Wie ist die Position Ihrer Partei zu dieser Frage?

Meine Position entnehmen Sie bitte bei Interesse der Seite http://www.lebenshaus-alb.de/magazin/aktionen/004222.html

Mit freundlichen Grüßen... Thomas Erbe

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Erbe,

vielen Dank für Anfrage vom 13. Februar über das Portal abgeordnetenwatch.de. In Ihrer Zuschrift erkundigen Sie sich nach meiner Position und nach meinem Abstimmungsverhalten zum Einsatz von RECCE-Tornados im Rahmen der ISAF-Operation in Afghanistan.

Im Rahmen des Konzepts der so genannten „Parlamentsarmee“ obliegt es den Abgeordneten des Deutschen Bundestages, über Auslandseinsätze der Bundeswehr zu befinden. Die Prüfung einer entsprechenden Anfrage gehört meines Erachtens zu den schwierigsten Entscheidungen, die ein Abgeordneter des Deutschen Bundestags zu treffen hat. Aus diesem Grund prüfe ich im Vorfeld dieser Entscheidungen den vorliegenden Sachverhalt sehr genau und wäge sorgfältig von Fall zu Fall ab. Dies können Sie beispielsweise an meinem Abstimmungsverhalten zum ISAF-Einsatz oder beim Kongoeinsatz ablesen.

Im Vorfeld dieser wichtigen Abstimmung wurde innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion sehr intensiv über dieses Problem debattiert. Erst vor kurzem gab es einen so genannten Themenabend der SPD-Bundestagsfraktion mit der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Heidemarie Wieczorek-Zeul, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Verteidigungsminister Franz-Josef Jung. Die Beteiligung der verschiedenen Ressorts an diesem Themenabend spiegelt den breiten Absatz des deutschen Engagements in Afghanistan wieder, bei dem es sich nicht um einen rein militärischen, sondern um einen zivil-militärischen (PRT [Provincial Reconstruction Team]-Konzept) Ansatz handelt. Das deutsche PRT-Konzept wurde im November letzten Jahres auf der NATO-Konferenz von den anderen Verbündeten anerkannt und auf dem jüngsten Außenminister-Treffen am 26. Januar 2007 bestätigt. Dieses Konzept soll nun auch in anderen Landesteilen Anwendung finden.

Auch die Ausgaben Deutschlands für den zivilen Aufbau in Afghanistan sprechen für sich. Nach der jüngsten Erhöhung gibt Deutschland rund 100 Millionen Euro für das zivile Engagement aus. Damit gehört Afghanistan zu den Schwerpunktländern deutscher Entwicklungshilfe. Dazu kommen noch weitere indirekte Hilfen durch internationale und europäische Gelder. Zudem werden künftig mehr deutsche Polizisten beim Aufbau der Polizeistrukturen in Afghanistan tätig sein. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung (Drs 16/4334) auf eine Anfrage der FDP-Fraktion hervor. Viele unserer Entwicklungs- und Außenpolitiker sind aufgrund ihrer Kenntnisse über die spezielle Situation in Afghanistan durchaus der Auffassung, dass eine militärische Komponente für den schwierigen Aufbauprozess derzeit leider unverzichtbar ist. Diese Sichtweise wird von führenden Mitarbeitern internationaler, nicht-militärischer Organisationen immer wieder unterstrichen.

Lassen Sie mich kurz etwas zum Charakter des geplanten RECCE-Tornado Einsatz sagen. Mit der Bereitstellung der sechs „RECCE-Tornados“ zur Luftaufklärung wird Deutschland einen Beitrag dazu leisten, dass vor allem der unsichere Süden des Landes über bessere Informationen über die aktuelle Gefährdungslage verfügt. Mehr Sicherheit und mehr Schutz liegt auch im Interesse des deutschen Kontingents in Nordafghanistan. Es bleibt bei den klar getrennten Mandaten und Aufgaben zwischen ISAF und dem Antiterrormandat OEF. Dies wird so auch für Einsätze der „RECCE“-Tornados gelten: Eine regelmäßige Weitergabe umfassender Aufklärungsergebnisse an Dritte ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Natürlich wird eine enge Koordinierung zwischen beiden Operationen angestrebt, ja ist ausdrücklich erwünscht. Aufklärungsergebnisse der Tornados werden aber nur dann weitergegeben, wenn dies zur Erfüllung / Unterstützung der ISAF-Operation oder zur Sicherheit von ISAF-Kräften erforderlich ist.

Auch die Forderung nach einem militärischen Abzug und der gleichzeitigen Umwidmung der so freiwerdenden Mittel für zivile Aufgaben stellt leider keine gangbare Lösung für die Probleme des Wiederaufbaus in Afghanistan dar. Sollte es den Neo-Taliban gelingen, mittels militärischer Gewalt die ISAF-Mission zum Scheitern zu bringen, würde sich dies direkt negativ auf die vielen zivilen Aufbauhelfer auswirken. Denn nur die Präsenz der bewaffneten ISAF-Truppen ermöglichte es den vielen zivilen Kräften erst, ihre wichtige Tätigkeit aufzunehmen und fortzuführen. Insofern ist es in der Konsequenz nur richtig, alles zu unternehmen, um den Erfolg der ISAF-Mission und in der Folge den Erfolg des zivilen Engagements zu unterstützen. Deshalb ist klar: Ein Abzug der militärischen Komponente aus Afghanistan würde kein Problem lösen, sondern die Fähigkeiten der zivilen Kräfte so einschränken, dass diese nicht mehr arbeiten könnten.

Die Bundesrepublik Deutschland ist seit über fünf Jahren aktiv am Aufbau von staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen sowie in verschiedenen Bereichen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit in Afghanistan engagiert. Seit Ende 2001 war Deutschland führend am politischen Prozess zum Aufbau rechtsstaatlicher und demokratischer Ordnung beteiligt und hat dazu drei internationale Afghanistan-Konferenzen organisiert (2001, 2002 und 2004). Die Bundeswehr leistet seit Beginn des internationalen Engagements im Rahmen eines UN-Mandates einen unverzichtbaren Beitrag zur notwendigen militärischen Absicherung des Stabilisierungs- und Wiederaufbauprozesses in Afghanistan. Es hat sich in den vergangenen Jahren leider immer wieder gezeigt, dass 23 Jahre Bürgerkrieg und Taliban-Herrschaft nicht kurzfristig überwunden werden können. Die Probleme, mit denen sich die afghanische Regierung und die internationale Gemeinschaft konfrontiert sehen, sind substantiell. Deswegen hat unsere Fraktion im vergangenen September der Verlängerung des ISAF-Mandates auch mit großer Mehrheit zugestimmt. Hier habe ich ebenfalls dafür votiert.

Die Bekämpfung der Gewalt in Afghanistan erfordert einen umfassenden und nachhaltigen Ansatz. Militärische Mittel sind dabei nur ein – allerdings notwendiges – Element, das von polizeilichen, politischen, entwicklungspolitischen zivilgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Maßnahmen begleitet werden muss.

Aus den hier dargelegten Gründen habe ich nach reiflicher Überlegung für die Entsendung der „RECCE-Tornado“ gestimmt, denn es war und ist Ziel der internationalen Staatengemeinschaft, ein positives Beispiel bei der Bekämpfung des Terrorismus zu setzen. Es soll eine politische Entwicklung voran getrieben werden, die den Menschen in Afghanistan Sicherheit und Frieden bringt. Wir haben weiterhin ein nachdrückliches Interesse daran, zu verhindern, dass Afghanistan wieder zum Aufmarschgebiet internationaler Terroristen wird.

Afghanistan steht in dieser Phase an einem Scheideweg. Es muss gelingen, die konstruktiven Kräfte im Land zu stärken, denen an einer friedlichen und nachhaltigen Entwicklung Afghanistans gelegen ist.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Carola Reimann MdB