Frage an Carola Reimann von Michael Z. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Dr. Reimann,
mit Entsetzen habe ich die Bundestagsdebatte über das Thema Tarifeinheitsgesetz verfolgt. Ich bin Mitglied der Gewerkschaft der Sozialversicherungen. Bei Tarifverhandlungen mit dem Bund und den Ländern bildet die GDS zusammen mit VEER.DI und anderen Gewerkschaften eine Tarifkommission. Und in anderen Sparten wird das bestimmt auch so gehandhabt, wenn es dort mehrere Gewerkschaften gibt. Es besteht also kein Grund für so ein Gesetz, welches höchstwahrscheinlich auch noch verfassungswidrig wäre. Werden Sie gegen das Gesetz stimmen?
Mit freundlichen Grüßen
Michael Zimmer
Sehr geehrter Herr Zimmer,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 19. März 2015 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Tarifeinheit.
Angesichts der anspruchsvollen Rechtsmaterie kann ich Befürchtungen nachvollziehen, dass im Fall einer gesetzlich angeordneten Tarifeinheit kleinere Gewerkschaften an Einfluss verlieren und von diesen angestrebte Tarifverträge nicht mehr abgeschlossen werden. Diese Befürchtungen sind für uns aber nicht neu, weil die Debatte über ein Für und Wider einer gesetzlichen Regelung seit Monaten geführt wird.
Am 5. März 2015 wurde der Gesetzentwurf der Bundesregierung erstmalig im Plenum des Deutschen Bundestag beraten. Nunmehr wurde er den zuständigen Bundestagsausschüssen zugeleitet. Federführend ist der Ausschuss für Arbeit und Soziales sein. Unsere Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales, die die Ausschussarbeit vorbereitet und begleitet, wird sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen. Die
Argumente in Ihrem Schreiben werden wir in diese Beratungen mit einbeziehen.
Am 4. Mai 2015 wird zusätzlich eine Sachverständigenanhörung im federführenden Aus-schuss für Arbeit- und Soziales durchgeführt. Hier werden wir dann noch einmal genau von Experten prüfen lassen, ob die angedachten gesetzlichen Regelungen verfassungsrechtlich sicher, also auch verfassungskonform sind. Hierzu werden durchaus differenzierte Meinungen vertreten. So hat der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts und ausgewiesene Staatsrechtswissenschaftler, Herr Hans-Jürgen Papier, das Tarifeinheitsgesetz als verfassungsrechtlich unbedenklich bezeichnet. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber der Gefahr unbegrenzter Tarifpluralität begegnen will, die darin gesehen wird, dass Arbeitgeber mit ständigen Tarifvertragsverhandlungen und Arbeits-kämpfen überzogen werden kann.
Aus meiner Sicht müssen die Vor- und Nachteile einer gesetzlichen Regelung zur Tarifeinheit ausführlich diskutiert werden. Tarifautonomie und eine gute Sozialpartnerschaft sind Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft und tragen wesentlich zum wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands bei. Konflikte von konkurrierenden Gewerkschaften (Tarifkollisionen) schwächen jedoch das solidarische Miteinander in Betrieben und leisten einer Zersplitterung der Arbeitnehmervertretung Vorschub. Dies müssen wir auch in unseren Debatten berücksichtigen. Die SPD hat aber definitiv nicht die Absicht, in die Tarifautonomie einzugreifen und das Streikrecht einzuschränken.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Carola Reimann MdB