Frage an Carola Reimann von Frank E. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Dr. Reimann,
der europapolitische Kurs der Bundesregierung stößt bei mir auf Unverständnis, da die „Eurorettung“ durch harte Sparauflagen einerseits auf dem Rücken der südeuropäischen Bevölkerung und andererseits auf dem Rücken der Steuerzahler der Nordländer ausgetragen wird, während die Finanzinstitute, Kapitalgeber und Risikoanleger nach und nach für ihr unvernünftiges Handeln kompensiert werden.
Auch wenn die SPD dem EU-Rettungsschirm zugestimmt hat, so sehe ich in den Aussagen von Herrn Steinbrück einige ermutigende Tendenzen, die die Euro-Rettung in eine bessere Richtung führen könnten und Signale für notwendige Maßnahmen setzen können, so z.B. eine Politik höherer Löhne in D, um hohe Handelsbilanzungleichgewichte in Europa abzubauen oder die Unvermeidbarkeit eines weiteren Schuldenschnittes. Darüber hinaus sehe ich in den Programmen der drei derzeitigen Oppositionsparteien beträchtliche Überschneidungen, insbesondere in den Punkten Umweltpolitik und Soziale Gerechtigkeit.
Dennoch scheint all dies in der Wahlbevölkerung bisher wenig zu fruchten. Die Umfragewerte zeugen seit Monaten von einer mir unverständlichen Beliebtheit von Frau Merkel. Rot-Grün scheint nur eine geringe Chance für eine Mehrheit zu haben. Da eine Koalition mit der Linken von der SPD bislang immer abgelehnt wurde, ist eine SPD-geführte Bundesregierung also kaum möglich. Ich bin jedoch strikt gegen eine erneute große Koalition unter Frau Merkel. Können Sie mir darlegen, weshalb ich unter diesen Umständen SPD wählen sollte?
Mit freundlichen Grüßen,
Frank Eberhardt
Sehr geehrter Herr Eberhardt,
vielen Dank für Ihre E-Mail über abgeordentenwatch.de.
Ich teile Ihre Kritik am europapolitischen Kurs der Bundesregierung. Bundeskanzlerin Merkel und ihre Regierung haben in der europäischen Finanz- und Wirtschaftskrise reihenweise schwere Fehler begangen: Alle Maßnahmen zur Krisenbekämpfung wurden zu spät und nur halbherzig vollzogen und dadurch die Kosten für die Krisenbekämpfung unnötig erhöht. Zurecht weisen Sie darauf hin, dass neben Risiken für den Steuerzahler in Deutschland auch verheerende soziale Verwerfungen in einigen Ländern Südeuropas ausgelöst wurden: Die Folge ist eine katastrophal hohe Zahl von arbeitslosen jungen Menschen – eine „verlorene Generation“ für ganz Europa. Es ist höchste Zeit aktiv zu werden: Deshalb wollen wir, dass Banken und Finanzmärkte unter Kontrolle kommen, Sozialstandards eingeführt und nachhaltiges Wachstum gefördert wird. Mehr Information zur den europapolitischen Vorstellungen der SPD finden Sie in unserem Regierungsprogramm unter http://www.spd.de/linkableblob/96686/data/20130415_regierungsprogramm_2013_2017.pdf ab Seite 103.
Anders als manche Umfragen glauben machen wollen, ist der Ausgang der Bundestagswahl am 22. September offen, davon bin ich fest überzeugt. Dieser Meinung sind auch viele Parteien- und Wahlexperten. Sie weisen immer wieder darauf hin, dass fast vierzig Prozent bei ihrer Wahlentscheidung noch immer nicht definitiv festgelegt sind. Aus vergangenen Wahlen wissen wir, dass sich bis kurz vor der Wahl bis zu dreißig Prozent noch nicht entscheiden haben. Am Wahltag selbst sind es noch zehn Prozent. Hier ist also noch viel möglich.
Aus diesem Grund sehe ich auch keine Veranlassung vom Ziel einer rot-grünen Bundesregierung abzurücken. Ich werde mich in den verbleibenden Wochen dafür einsetzen, dass der große Anteil unentschlossener Wähler für die SPD gewonnen werden kann, damit ein umfassender Politikwechsel herbeigeführt wird. Ich teile Ihre Einschätzung, dass dieser dringend notwendige Politikwechsel mit einer großen Koalition unter der Führung von Frau Merkel nicht möglich ist.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Carola Reimann MdB