Frage an Carola Reimann von Heinz Dieter B. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Dr. Reimann,
als ich Ihnen meine Stimme gab bin ich davon ausgegangen, daß Sie an halbwegs demokratischen Zuständen in Deutschland interessiert sind. Mit Ihrer Zustimmung zum ESM und Fiskalpakt haben Sie eindeutig gegen alle Rechte verstoßen die wir als Souverän Ihnen persönlich gegeben haben.
Mit welchem Recht haben Sie unser gemeinsames Eigentum an eine Kommission ohne demokratische Kontrolle abgetreten, geradezu verschleudert?
Haben Sie uns, Ihren Souverän, gefragt, ob wir unter einer Diktatur leben wollen?
Ich bin von Ihnen nicht gefragt worden. Warum nicht?
Ich schäme mich für Sie
Heinz Dieter Büscher
Sehr geehrter Herr Büscher,
vielen Dank für Ihr Schreiben auf abgeordnetenwatch.de zum Thema ESM und Fiskalpakt. Gern nehme ich kurz dazu Stellung.
Der Deutsche Bundestag und der Bundesrat haben dem Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin in Europa und dem dauerhaften Euro-Rettungsschirm, dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), zugestimmt. Die SPD trug beide Entscheidungen mit großer Mehrheit mit. Ein „Ja“ der SPD zum ESM und Fiskalpakt ist jedoch mitnichten ein „Ja“ zur Merkelschen Politik, die es bislang nicht vermocht hat, die krisengeschüttelte EU dauerhaft zu stabilisieren. Die Zustimmung der SPD zeigt vielmehr: Wir nehmen unsere Verantwortung für ein solidarisches und handlungsfähiges Europa auch als Oppositionspartei ernst und verfallen nicht in einen Euro-Populismus. Das kann sich Europa in dieser dramatischen Lage nicht leisten.
Der ESM kann harte Auflagen und Bedingungen für die betroffenen Länder vereinbaren, aber auch Wachstum befördern. Der ESM kann notleidenden Staaten Darlehen gewähren oder deren Staatsanleihen aufkaufen. Hierfür stehen dem Rettungsschirm Garantien und Eigenkapital zur Verfügung. Der ESM ist eine europäische Finanzinstitution, die auf einem völkerrechtlichen Vertrag beruht, der vom Bundestag ratifiziert wurde. Die parlamentarischen Beratungen dazu waren intensiv und die SPD-Bundestagsfraktion hat sehr viel erreicht: Von der Verwendung nicht abgerufener EU-Strukturfondsmittel für zusätzliche Wachstumsimpulse, der Stärkung der Europäischen Investitionsbank über Projektanleihen bis hin zur neuen Finanztransaktionssteuer. Damit wird nicht zuletzt eine finanzielle Ressource geschaffen, um Wachstumsimpulse zu setzen und vor allem wird ein Makel der Ungerechtigkeit beseitigt. Denn nun können auch diejenigen an den Kosten beteiligt werden, die die Krise mit verursacht hätten.
Aus Sicht der SPD soll der ESM in Zukunft zu einem schlagkräftigen Krisenreaktionsmechanismus ausgebaut werden, um die Währungsunion dauerhaft zu stabilisieren. Eine gemeinschaftliche Lösung in Form eines „Europäischen Währungsfonds“ ist unser Ziel. Nicht alleine die Staats- und Regierungschefs sollen über Hilfsmaßnahmen und Anpassungsprogramme entscheiden. Die Gemeinschaftsinstitutionen, insbesondere das Europäische Parlament, aber auch die nationalen Parlamente wollen wir stärken, um die demokratische Legitimation durch die Bürger zu sichern. Und mitnichten in eine Diktatur steuern.
Auch wenn diese Lösung nicht innerhalb weniger Wochen umsetzbar ist, ist dieser Weg ein nachhaltiger Beitrag zur Krisenbewältigung und eine europäische Antwort. Und insbesondere um die derzeitigen Probleme zu meistern, brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Europa. Für Deutschland und seine Bürger ist entscheidend: Nur mit einer starken Europäischen Union werden wir in einer immer stärker globalisierten Welt auch in Zukunft wirtschaftlich und politisch eine Rolle spielen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Carola Reimann MdB