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Carola Reimann
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Frage von Michael L. •

Frage an Carola Reimann von Michael L. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Dr. Reimann,

wenn ich in meinem Ordner mit Ausrissen usw zur Euro-Einführung blättere frage ich mich, welche Substanz die damaligen Erklärungen usw hatten.

Sie stimmten sowohl für den Fiskalpakt als auch für den sog. Rettungsschirm ESM. Zu ESM schrieben Sie in Ihrer Antwort am 24.5.11 u.a., Ziel sei "... eine demokratische und soziale Wohlstandsunion". Nehmen Sie es mir freundlicherweise nicht zu übel, wenn mir solche Proklamationen nicht wertvoller als Permanentwahlkampf erscheinen.

Mit meiner nachstehenden Frage möchte ich versuchen, mir Ihre Sicht ohne Permanentwahlkampf erklären zu lassen, inwieweit hätte ich damit eine Chance?

Zu meinem eigentlichen Problem: als ich in den 70-er Jahren auch Ökonomie im Nebenfach studierte hörte niemand von uns Studenten etwas von Hedgefonds, Wetten usw. Die damalige Bundesbank war politikunabhängig, jedenfalls in der Lehre und unterschied sich damit grundsätzlich von den Geschäftsbanken. Ich habe seit längerem den Eindruck, dass die Volkswirtschaft heute eine komplett andere sei.

Wenn sich Geschäftsbanken über den Rettungsschirm refinanzieren können könnte man ohne ablenkendes Wortgeklingel auch sagen, der Steuerzahler würde wie stille Teilhaber oder Aktionäre in Anspruch genommen und für deutsche Exporte ESM als eigentlicher Finanzdienstleister eingerichtet. Deutsche Exporte erinnert mich zunächst nicht an die Idee Europa.

ESM erinnert mich an die sog Hermesbürgschaften. Im Unterschied zu Hermes, mit denen konkrete Geschäfte abgesichert wurden wirkt ESM auf mich aber nur als gigantische Bürokratie. Würde daraus eine Wohlstandsunion einstehen, in der Menschen glücklich würden?

Könnten Sie sich auch gesellschaftspolitisch begründete Zweifel sowie eine Pause zum Denken vorstellen?

10 Jahre nach Euro-Einführung wäre ein "Politik-Controlling" bestimmt nicht verkehrt. Meiner Meinung nach wäre auf die Utopie der Wohlstandsunion zu verzichten, Europa also ideologisch zu entlasten.

Freundlicher Gruß
M.Langer

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Langer,

vielen Dank für Ihr Schreiben auf abgeordnetenwatch.de zum Thema ESM und Fiskalpakt. Gern nehme ich kurz dazu Stellung.

Für uns Sozialdemokraten kann es kein anderes Ziel als eine demokratische und soziale Wohlstandsunion geben. Europaweite Mindestlöhne, beispielsweise ausgerichtet an der Höhe nationaler Durchschnittseinkommen, sowie eine Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage mit einem Mindestsatz zur Vermeidung von Steuerdumping entsprechen den Grundwerten der europäischen Sozialdemokratie.

Aus Sicht der SPD soll der ESM daher in Zukunft zu einem schlagkräftigen Krisenreaktionsmechanismus ausgebaut werden, um die Währungsunion dauerhaft zu stabilisieren. Eine gemeinschaftliche Lösung in Form eines „Europäischen Währungsfonds“ ist unser Ziel. Nicht alleine die Staats- und Regierungschefs sollen über Hilfsmaßnahmen und Anpassungsprogramme entscheiden. Die Gemeinschaftsinstitutionen, insbesondere das Europäische Parlament, aber auch die nationalen Parlamente wollen wir stärken, um die demokratische Legitimation durch die Bürger zu sichern.

Auch wenn diese Lösung nicht innerhalb weniger Wochen umsetzbar ist, ist dieser Weg ein nachhaltiger Beitrag zur Krisenbewältigung und eine europäische Antwort. Und insbesondere um die derzeitigen Probleme zu meistern, brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Europa. Für Deutschland und seine Bürger ist entscheidend: Nur mit einer starken Europäischen Union werden wir in einer immer stärker globalisierten Welt auch in Zukunft wirtschaftlich und politisch eine Rolle spielen.

In der letzten Abstimmung zur Spanienhilfe vom 19. Juli 2012 haben wir ebenfalls dem Vorschlag der Bundesregierung zugestimmt, gleichwohl wir die Entscheidungssituation unbefriedigend finden. Nach dem „Memorandum of Understanding“, welches die grundlegenden Kriterien für die Hilfeleistung festlegt, sowie der Aussage der Bundesregierung haftet grundsätzlich zunächst Spanien als Staat. Deutschland wiederum haftet für EFSF-Kredite gemäß seiner Wirtschaftskraft mit knapp 30 Prozent. Die Staatenhaftung soll nach den ESM-Regeln auch weiterhin gelten. In der Eurogruppenerklärung vom 28. Juni wird allerdings die Möglichkeit erwähnt, auch direkte Bankenhilfen zu gewähren - wenn eine europäische Bankenaufsicht eingerichtet ist. Die SPD spricht sich jedoch klar gegen die Umsetzung dieses Vorhabens aus, wozu wiederum die Zustimmung des Bundestages notwendig wäre. Die nun an Spanien gewährten Hilfen erfolgen unter den „normalen“ Regeln des EFSF an Spanien, welches das Geld - unter Auflagen - lediglich weiterleitet.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Carola Reimann MdB