Frage an Carola Reimann von Peter K. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Dr. Reimann,
ich wäre Ihnen für eine Beantwortung meiner Anfrage vom 25.4.2012 sehr dankbar.
Inzwischen habe ich weitere Nachforschungen hinsichtlich meiner angeblichen Pensionskasse angestellt. Nach Auskunft des Verbandes der deutschen Versicherungswirtschaft e.V. handelt es sich in meinem Fall nicht um eine Pensionskasse sondern um eine betriebliche Alterversorgung im Sinne des § 1 b Abs. 2 des Betriebsrentengesetzes (Direktversicherung). Diese Versicherungen sind doch inzwischen von den Krankenkassen, von der Zahlung der KV-Beiträge, freigestellt.
Ich bitte nunmehr um baldige Antwort damit ich nicht mehr gegen meine Krankenkasse prozessieren muß. Die Sache ist, wie ich schon ausführte, seit 6 Jahren beim Sozialgericht anhängig. Aber dort tut sich überhaupt nichts.
Vielen Dank. Ich möchte Sie dann nicht mehr belästigen.
Peter Krieter
Sehr geehrter Herr Krieter,
vielen Dank für Ihr Schreiben auf abgeordentenwatch.de.
Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass ich Ihnen aus der Ferne, ohne genaue Kenntnis Ihres Versicherungsvertrages keine Empfehlungen geben kann, wie Sie sich hinsichtlich Ihrer Klage beim Sozialgericht Hamburg verhalten sollen. Diese Frage müssen Sie mit Personen klären, die Ihnen eine kompetente Rechtsberatung geben können.
Zum Thema Erhebung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung aus Kapitalleistungen einer betrieblich abgeschlossenen Lebensversicherung, Pensionskasse kann ich Ihnen zunächst mitteilen, dass aus meiner Sicht die derzeitige schwarz-gelbe Bundesregierung keine gesetzlichen Änderungen plant. Als Mitglied einer Oppositionsfraktion kann ich Ihnen aber nicht sagen, welche längerfristigen Pläne dort verfolgt werden. Am besten wenden Sie sich hierzu an die zuständigen Fachpolitiker der Regierungsfraktionen.
Renten der betrieblichen Altersversorgung sind gemäß § 229 SGB V mit der gesetzlichen Rente vergleichbare Einnahmen und unterliegen deshalb der Beitragspflicht für die Kranken- und Pflegeversicherung. Diese Beitragspflicht besteht unabhängig davon, ob es sich um eine wiederkehrende oder um eine einmalige Versorgungsleistung handelt.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich im September 2010 mit der Frage befasst, ob die Erhebung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen auf eine einmalige Kapitalleistung aus einer vom Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers geschlossenen Lebensversicherung verfassungsmäßig ist, wenn die Prämien teilweise vom Arbeitnehmer selbst entrichtet worden sind. Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht über zwei unterschiedliche Sachverhalte zu urteilen. In beiden Fällen übernahmen die Arbeitnehmer nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis die Prämienzahlung an den Versicherer. Während in einem Fall der frühere Arbeitgeber aber Versicherungsnehmer blieb, übernahm der frühere Arbeitnehmer im anderen Fall den Vertrag vollständig und rückte in die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers ein. (1 BvR 739/08 Beschluss vom 06.09.2010, 1 BvR 1660/08 Beschluss vom 28.09.2010).
Das Bundesverfassungsgericht äußerte sich in seiner Entscheidung zunächst noch einmal grundsätzlich zur Verfassungsmäßigkeit der Einbeziehung von nicht wiederkehrenden Versorgungsleistungen in die Beitragspflicht gemäß § 229 SGB V. Die Erhebung von Beiträgen auf Kapitalleistungen aus der betrieblichen Direktversicherung sei den betroffenen Versicherten zumutbar, weil der Gesetzgeber berechtigt sei, jüngere Krankenversicherte von der Finanzierung des höheren Aufwands für die Rentner zu entlasten und die Rentner entsprechend ihrem Einkommen verstärkt zur Finanzierung heranzuziehen. Wenn die Versicherung stets vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer geführt worden ist, können die wirtschaftlichen Erträge hieraus als Versorgungsbezüge qualifiziert und zur Beitragserhebung herangezogen werden.
Im ersten der konkret zu beurteilenden Sachverhalte, in dem der Arbeitgeber Versicherungsnehmer geblieben ist, bejahte das Bundesverfassungsgericht den betrieblichen Bezug der Versorgungsleistung und damit die Beitragspflicht. Der Berufsbezug sei hier noch insoweit gewahrt, als der Arbeitgeber die Direktversicherung als Versicherungsnehmer innerhalb des Betriebsrentengesetzes fortgeführt habe.
Für den zweiten Fall stellte das Bundesverfassungsgericht dagegen fest, dass mit der Vertragsübernahme durch den früheren Arbeitnehmer der Kapitallebensversicherungsvertrag vollständig aus dem betrieblichen Bezug gelöst worden sei. Er unterscheide sich hinsichtlich der dann im weiteren Versicherungsverlauf noch folgenden Einzahlungen nicht mehr von anderen privaten Lebensversicherungen. Der allein auf dieser privaten Vorsorge beruhende Anteil des Auszahlbetrages müsse, entsprechend der für die private Altersvorsorge getroffenen gesetzgeberischen Grundsatzentscheidung, beitragsfrei bleiben.
Für jeden Einzelfall also ist zu bestimmen, ob ein Berufsbezug der Versorgungsleistung nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis weiter bestanden hat oder nicht. Dies ist, so das Bundesverfassungsgericht, nicht mehr der Fall, wenn der ehemalige Arbeitnehmer den Lebensversicherungsvertrag vollständig als Versicherungsnehmer übernommen und fortgeführt hat. Kapitalleistungen hieraus gelten dann über den Teil, für den der ehemalige Arbeitnehmer als Versicherungsnehmer privat Beiträge gezahlt hat, nicht als beitragspflichtige Versorgungsbezüge gemäß § 229 SGB V.
Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat die Krankenkassen und ihre Verbände über die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts unterrichtet und Empfehlungen zur Umsetzung der Rechtsprechung gegeben. Das schließt die Korrektur der Meldung des beitragspflichtigen Einkommens, die künftige Beitragszahlung und die Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge ein. Bitte wenden Sie sich mit Fragen zu Ihrer konkreten Lebenssituation an Ihre Krankenkasse.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes betrifft ausschließlich die beschriebenen Lebenssachverhalte und Versorgungsleistungen aus einer Direktversicherung. Mit Blick auf weitere Formen der betrieblichen Altersversorgung muss die künftige Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze abgewartet werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Carola Reimann MdB